Gaza/Tel Aviv. Die geplante Bodenoffensive in Rafah sorgt für Kritik. Bei einem Einsatz im Gazastreifen kamen nach Militärangaben zwei Geiseln frei.

Im Zuge eines gemeinsamen Einsatzes des Militärs, des Sicherheitsdienstes und der israelischen Polizei im Raum Rafah im Süden des Gazastreifens hat Israels Militär nach eigenen Angaben zwei Geiseln gerettet. Wie das israelische Militär am frühen Montagmorgen mitteilte, seien die Entführten 60 und 70 Jahre alt und bei gutem Gesundheitszustand.

Die Armee hatte kurz zuvor eine Serie von Angriffen in der Gegend von Schabura bei Rafah bekannt gegeben, wo derzeit Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge Schutz suchen. Nach palästinensischen Angaben wurden bei den nächtlichen Angriffen mehr als 100 Menschen getötet, darunter Kinder und Frauen. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Israels Angriffe auf Rafah: Palästinenser berichten von Hunderten von Verletzten

Wie das israelische Militär auf Telegram mitteilte, wurde die nächtliche Angriffsserie mittlerweile beendet. Einzelheiten wurden dazu nicht genannt. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete am frühen Montagmorgen unter Berufung auf medizinisches Personal in Rafah, dass bei den intensiven Angriffen in verschiedenen Teilen der Stadt Rafah Hunderte weitere Menschen verletzt worden seien.

Bei der Angriffsserie sollen laut dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira mehrere Häuser und Moscheen im Visier des israelischen Militärs gestanden haben. Nach Angaben von Augenzeugen hatte das israelische Militär bereits zuvor schon mehrfach Ziele in der Stadt aus der Luft angegriffen. Israels Bodentruppen waren dort bislang aber nicht im Einsatz.

Netanjahu: Israels Regierungschef rechtfertigt Vorgehen der Armee

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ließ bereits am Freitag mitteilen: „Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben“, wobei er der Armee des Landes den Befehl erteilte, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten.

Vor einer folgenden Militäroffensive auf Rafah soll die Armee die Evakuierung der Zivilisten in Rafah vorbereiten. Aus Netanjahus Sicht rechtfertigt die Zahl der im Gazastreifen verbleibenden Geiseln Israels massives militärisches Vorgehen. Auf die Frage, wie viele Geiseln nach seinem Kenntnisstand noch am Leben sind, antwortete Netanjahu am Sonntag in einem Interview mit dem US-Sender ABC News: „Ich denke genug, um unsere Anstrengungen zu rechtfertigen, die wir unternehmen.“

Derzeit sollen sich noch 136 Menschen in der Gewalt der Hamas befinden, von denen aber nach israelischen Militärangaben mindestens rund 30 nicht mehr am Leben sein dürften. Die Sicherheitskräfte würden weiterhin „mit allen Mitteln“ versuchen, die Geiseln nach Hause zu bringen, teilte das israelische Militär am Montag mit. Lesen Sie auch:Gaza: Jetzt droht dem Flüchtlingswerk UNRWA der Kollaps

Verletzte Palästinenser suchen nach den Angriffen auf Rafah am 12. Februar Hilfe im Kuwait Krankenhaus.
Verletzte Palästinenser suchen nach den Angriffen auf Rafah am 12. Februar Hilfe im Kuwait Krankenhaus. © Getty Images | Ahmad Hasaballah

Israel: Gerettete Geiseln im Krankenhaus – Angehörige kritisieren Netanjahu

Auch die beiden in der Nacht befreiten Geiseln seien bei dem Angriff der Hamas am 7. Oktober in das abgeriegelte Küstengebiet am Mittelmeer entführt worden, hieß es weiter. Fernando Simon Marman (60) und Louis Har (70) seien nun zur medizinischen Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht worden.

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Israel gebe sein Bestes, um alle lebenden Geiseln zurückzuholen, sagte Netanjahu in dem ABC-Interview, „und offen gestanden auch die Leichen“. Darauf werde er aber nicht näher eingehen. Die beiden Ziele, die Hamas zu besiegen und die Leben der Geiseln zu retten, schlössen sich nicht gegenseitig aus, sagte der israelische Ministerpräsident weiter.

Viele Angehörige der Geiseln werfen Netanjahu vor, die von internationalen Vermittlern geführten Verhandlungen zu torpedieren, die zu einer Waffenruhe im Krieg mit der Hamas und zu einem Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führen sollen.

Biden fordert Schutz von palästinensischer Zivilbeförderung

Bei einem Telefongespräch von US-Präsident Joe Biden mit Netanjahu am Sonntag ging es nach Angaben des Weißen Hauses um das gemeinsame Ziel, die Hamas zu besiegen und die langfristige Sicherheit Israels und des israelischen Volkes zu gewährleisten. Biden habe außerdem darauf gepocht, „die in den Verhandlungen (mit der Hamas) erzielten Fortschritte zu nutzen, um die Freilassung aller Geiseln so schnell wie möglich sicherzustellen“.

Vor einem Voranschreiten der geplanten Militäroffensive in Rafah im Gazastreifen forderte Biden demnach von Israel ein überzeugendes Konzept für den Schutz der dortigen Zivilbevölkerung. In dem Telefonat mit Netanjahu habe Biden bekräftigt, es brauche „einen glaubwürdigen und umsetzbaren Plan, um die Sicherheit der mehr als eine Million Menschen, die dort Zuflucht suchen, zu gewährleisten“, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Außerdem habe der US-Präsident konkrete Schritte hin zu mehr humanitärer Hilfe verlangt.

Israels Plan für Rafah-Offensive stößt international auf Kritik

Einem Medienbericht zufolge hat Israels Armee die Planung der Militäroffensive auf Rafah bisher nicht abgeschlossen. Sie werde „wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen“ und sei auch bislang Netanjahu nicht vorgelegt worden, zitierte die „New York Times“ am Sonntag (Ortszeit) israelische Beamte und Analysten. Die Strategie sei „sehr komplex“.

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Israels Vorhaben stößt international auf Kritik. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, dies wäre „eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“. Ägypten fürchtet, dass es zum Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai kommen könnte.

Die US-Regierung habe gegenüber Israel zudem Bedenken mit Blick auf den am 10. März beginnenden muslimischen Fastenmonat Ramadan geäußert, berichtete die „New York Times“ weiter. Ein Angriff auf Rafah während des Ramadans könne von Muslimen in der Region und darüber hinaus als besonders provokant empfunden werden, hieß es.