Erfurt. Zum Konzert in Thüringen: Wie Loreena McKennitt Anfang der 90er-Jahre einen Nerv traf. Christian Werner über das Album „The Visit“.
Auf dem Albumcover der ersten Version von „The Visit“ (für spätere Neuauflagen wurde die Optik verändert) greift Loreena McKennitt nach der Klinke einer altertümlichen Tür. Man kann, man soll es als Symbol sehen, an denen ihr Werk nicht gerade arm ist: Wir sind in diesem Leben nur zu Gast. Aber auch diese Deutung lässt es zu: Die Musikerin betritt mit ihren Hörern eine neue und zugleich alte Welt.
Es ist das Album, das für McKennitt sprichwörtlich die Tür zur Weltkarriere aufstößt: Die Kanadierin veröffentlicht 1991 ihre vierte Platte, die sie über die Grenzen ihrer Heimat bekannt macht, Millionen Exemplare verkauft und bis heute eines ihrer bekanntesten Werke ist.
30 Jahre später: Album neu aufgelegt und komplett live gespielt
Dieser Tage ist sie auf einer Tournee, auf der sie das mehr als 30 Jahre alte Album in kompletter Länge und Reihenfolge spielt. Mit der Platte lässt sich immer noch Kasse machen: Vor drei Jahren veröffentlichte die Musikerin eine erweiterte Edition, die aktuelle Tournee heißt „The Visit revisited“. Auch in Thüringen tritt die Musikerin auf, am 8. März in der Erfurter Messehalle.
Die junge, noch unbekannte Musikerin bereist in den 80er-Jahren Irland und entdeckt die Musik, Geschichte und Traditionen ihrer Vorfahren, die von der grünen Insel und aus Schottland stammen, neu. Es ist die Zeit, in der sich auch andere Musiker auf die Tradition ihrer Ahnen besinnen und darauf aufbauend etwas Neues, Zeitgemäßes schaffen, etwa The Waterboys.
McKennitt wählt das Getragene, das Mystische
Doch während die Jungs eher die Rockposen integrieren, wählt McKennitt das Getragene, das Mystische, das gut zu ihrer wandelbaren Sopran-Stimme passt. Die Musik bekommt einen ätherischen Sound, dem von Enya nicht unähnlich, allerdings weniger pompös und dennoch ausgefeilt produziert, und neben den atmosphärischen Keyboardsounds mit traditionellen Instrumenten gespielt.
Die Multiinstrumentalistin – Klavier, Harfe, Akkordeon und Bodhrán – schart eine Gruppe Musiker um sich, mit denen sie heute noch zusammen auf der Bühne sowie im Studio steht, und mischt die Geschichten, die Mythen und die Anmutung der keltischen Folklore mit den Produktionstechniken der Gegenwart. Ein Rezept, das sie auf „The Visit“ für ein Mainstream-Publikum perfektioniert.
Sie nutzt Elemente anderer Kulturkreise wie im orientalisch beeinflussten Opener „All lost Souls“ oder in dem Instrumental „Tango to Evora“. Der Song „Bonny Portmore“ wird nur wenige Jahre später Teil des Soundtracks der „Highlander“-Reihe.
McKennitt schreibt ihre Lieder selbst, bearbeitet und vertont aber auch Gedichte aus der englischen Literatur, wie von Alfred Lord Tennyson (in dem elfminütigen Song „The Lady of Shalott“) oder von William Shakespeares („Cymbeline“). Sie interpretiert das englische Traditional „Greensleeves“, das sie in der Art singen wollte, wie es Tom Waits wohl getan hätte, schreibt sie im Booklet des Albums.
Nun ist das letzte, an das man bei der Musik McKennitts denkt, die rabatzig-knarzige Räudigkeit, mit der Tom Waits seine Songs in die Welt knurrt und bellt. Und doch gibt sie der alten Weise einen fast verjazzten Anstrich.
Die Musik verfängt zur richtigen Zeit, als in den 90er-Jahren eine neue Generation an Reisenden Schottland und vor allem Irland entdeckt und auch außerhalb des Jahresurlaubs nach emotionalen Ankern sucht zu den Sehnsuchtsorten zwischen Londonderry und Limerick, Donegal und Dublin. Und denen Fiddlers Green einfach zu wild und albern sind.
Karten für das Konzert der „The Visit revisited Anniversary Tour“ von Loreena McKennitt in der Erfurter Messehalle am Freitag, 8. März 2024, 20 Uhr, gibt es online im Ticketshop Thüringen.