Weimar/Greiz. Als Liedbegleiter und Musikunternehmer ist Daniel Heide von London bis Greiz unterwegs.

Eine gläsern eiskalte Atmosphäre umfängt den Solisten im Nu, jeder Fehltritt könnte verhängnisvoll sein – nicht nur auf Schuberts „Winterreise“. Liedgesang ist alles andere als ein Spaziergang, wer sich da auf den Weg macht, bewegt sich gleichsam in dünner Hochgebirgsluft des Repertoires. Damit der artistische Gipfelsturm glückt, braucht es einen erfahrenen Bergführer, einen Sherpa. Einen wie Daniel Heide.

Der Weimarer Pianist selbst wählt dieses Bild, um das Wesen seiner gemeinhin völlig verkannten Kunst zu illustrieren. Längst zählt der 47-Jährige international zu den Spitzenkräften in der kleinen, hoch spezialisierten Zunft der Liedbegleiter. Aber wer achtet schon auf den Sherpa? – Nur in der Klassikstadt trägt Heide den Nimbus eines „Local Hero“ – spätestens seit er 2011 den Lyrischen Salon für Liederabende und -matineen auf Schloss Ettersburg etablierte. Nächsten Sonnabend (27. April) gastiert dort Weltklasse-Bariton Andrè Schuen für die 100. Ausgabe.

Längst ist dieses Konzert am früheren Musenhof Herzogin Anna Amalias restlos ausverkauft. Dabei sei es, so rechnet Impresario Heide süffisant vor, eigentlich erst der 99. Salon. Die Zählung sei durcheinander geraten wegen des Ausfalls eines Konzerts im November. Dieses wird nun tags darauf mit Schuens Wiener Staatsopern-Kollegin Patricia Nolz nachgeholt. „Und dafür“, sagt er verschmitzt, „gibt es sogar noch Karten!“

Liederabende in London und Madrid, Solo-Rezitals in Bad Lauchstädt und Greiz

Niemals kehrt ein Daniel Heide seine Geschäftstüchtigkeit hervor, vergisst allerdings auch nicht, bei solcher Gelegenheit noch zwei Rezitals dieses Wochenende (20./21. April) im Unteren Schloss Greiz und in der Weimarer Notenbank zu erwähnen. Solche Solo-Auftritte entwickelt er erst seit der Corona-Krise zum zweiten Standbein; doch ohnehin nimmt kaum jemand genau wahr, was Heide so treibt. Ob er, wenn er am Weimarer Bahnhof dem Zug entsteigt, gerade von einem Konzert mit Schuen im Teatro Zarzuela Madrid oder bloß vom Klavierabend im Goethetheater Bad Lauchstädt heimkehrt.

Umtriebig ist der Mann unterwegs, über seinen lokalen Nimbus amüsiert er sich insgeheim. Ohnehin hat sich der in Vorwende-Zeiten als Wunderkind gepäppelte Künstler seine freigeistig autonome Haltung bewahrt, bedenkt alles und jeden – und zumal sich selbst – gern mit allerfreundlichster Ironie: Das wenigste außerhalb der Kunst nimmt er offenbar ernst. Darüber, dass er vor fast zehn Jahren in der Zeitung als „Weimars letzter Bohemien“ apostrophiert wurde, lacht er bis heute. Und bestätigt dieses Attribut ganz seriös: Dem Leben Zeit für die Kunst abzutrotzen, darauf komme es an.

1990 geriet die geplante Karriere auf Abwege

Alle Höhen und Tiefen eines Daseins als freier Künstler hat Daniel Heide lustvoll durchschritten. Spielte sein Debütkonzert mit sieben im Weimarer Saal am Palais. Genoss privilegierte Förderung und wurde mit Konzerten in Halle, Eilenburg, Aschersleben in der „Stunde der Musik“ via Funk ausgestrahlt. Heute spöttelt er darüber: „Ich war jung und brauchte das Geld.“ Doch der planmäßige Karriereweg endete mit der politischen Wende vorerst im Abseits, weil der Adoleszent nun seine Liebe zum Radrennsport entdeckte.

Und erst später an die schwarzen und weißen Tasten, die seinen Kosmos bedeuten, zurückgekehrt ist. Da musste er lernen, dass auch ein abgeschlossenes Studium und Konzertexamen an der Franz-Liszt-Hochschule noch kein Freibrief zur Weltkarriere ist. Schlug sich als Korrepetitor, als Dozent und mit Gelegenheitsjobs bis hin zum Kabarett durch. Und entdeckte erst mit Mitte 30 die ihm gemäße, mußevolle Nische als Liedbegleiter.

Diskretes Wirken als Impresario und Konzertagent seiner selbst

Weltklasse-Tenor Julian Prégardien (links) und sein Liedbegleiter Daniel Heide erwiesen im Februar dem Musenhof auf Schloss Ettersburg die Ehre.
Weltklasse-Tenor Julian Prégardien (links) und sein Liedbegleiter Daniel Heide erwiesen im Februar dem Musenhof auf Schloss Ettersburg die Ehre. © Wolfgang Hirsch

Auch Umwege führen zum Gipfel. Anfangs suchte Daniel Heide nach jungen, aufstrebenden Sängertalenten und fragte keck an, ob sie nicht Liederabende mit ihm musizieren wollten. Mit Andrè Schuen oder Fatma Said trat er auf, als sie noch kaum jemand kannte. Alsbald reihten bekannte Größen wie Roman Trekel oder Christoph Prégardien sich ein, und der Lyrische Salon auf der Ettersburg diente als Basislager vor Gipfeltouren durch halb Europa. Heide lernte, als Konzertagent und Impresario seiner selbst zu reüssieren.

Inzwischen habe der Markt sich geändert, sei viel schneller, robuster und härter geworden. Regelmäßig spielt er Liederabende in London, Madrid, Rom und anderen Metropolen Europas. Dabei läge Fernost längst in Reichweite, kostet aber mehr Zeit. So blieb es vorerst bei einem Auftritt in der Bunka Kaikan Hall, Tokio.

Schallplattenpreise bekommen immer nur die Sänger verliehen

Vorwiegend arbeitet Heide heute mit Julian Prégardien, Konstantin Krimmel und Andrè Schuen. Fast zwei Dutzend CD-Aufnahmen dokumentieren die Qualität der stets gemeinsamen Arbeit auf Augenhöhe. Dass Auszeichnungen wie Echo oder Opus Klassik stets den Sängern und nie dem Begleiter gelten, nimmt der Sherpa mit Achselzucken hin. Als nächstes stehen Aufnahmen der drei großen Liedzyklen Mahlers mit Schuen ins Haus – wieder für ein Major Label, die Deutsche Grammophon.

All das erzählt Daniel Heide eher beiläufig, und schwärmt im nächsten Atemzug von Prokofiev und Skrjabin, Schostakowitsch und Strawinsky, deren Klaviermusik er sich gerade für seine nächsten Rezitals in die Finger spielt. Dass er damit eher von Bad Lauchstädt bis Greiz unterwegs sein wird und nicht zwischen Mailand und Kopenhagen, ficht ihn nicht an. Da bleibt er aus Erfahrung entspannt und denkt nur an das, was ihm wichtig ist: an die Kunst. Ein guter Sherpa kennt eben auch die Mühen der Ebene.

Samstag, 20. April, 20 Uhr, Unteres Schloss Greiz und Sonntag, 21. April, 17 Uhr, Alte Notenbank Weimar: Klavierabende mit Beethoven, Schumann, Brahms, Chopin

Lyrische Salons auf Schloss Ettersburg: Samstag, 27. April, mit Andrè Schuen und Sonntag, 28. April, 11 Uhr mit Patricia Nolz (Mezzo)

www.danielheide.net