Eisenach. In der Stadt, in der seine Karriere begann, ist der Künstler schon lange nicht mehr zu Hause. Doch bedeutet seine aktuelle Ausstellung dort gewissermaßen eine Heimkehr.

Wer dieser Tage auf der Weimarischen Straße nach Erfurt hineinfährt oder die Stadt auf der Gegenspur verlässt, kommt, wie andernorts auch, an einer langen Porträtreihe vorbei: an lauter abgelichteten Kandidaten für die Kommunalwahlen. Zwischen ihnen aber taucht immer wieder ein gemaltes Porträt auf: Es zeigt erkennbar den weißhaarigen Franz Liszt und weist bei näherer Betrachtung auf eine Ausstellung namens „Seele & Imagination“ hin, die zwar einen seit drei Jahrzehnten in Erfurt beheimateten Künstler präsentiert, aber durchaus nicht in Erfurt. Stattdessen verführt uns dieses Plakat, nach Eisenach zu fahren, wo der Nämliche nach dem Kunststudium in Leipzig 1980 seine ersten privaten Zelte auf- und beruflichen Pflöcke einschlagen konnte. Hier habe er damals, sagt der aus Gera stammende Maler Jost Heyder heute, „in Ruhe, frei von marktwirtschaftlichen Zwängen arbeiten können, ohne diesen Druck des Existenziellen verspüren zu müssen“.

Das ist lange her und wenig blieb seitdem, wie es war. Gleichwohl ist anhand von fünfzig Bildern aus mehr als vier Jahrzehnten im Stadtschloss Eisenach abzulesen, was Kurator Ralf-Michael Seele mit einiger Berechtigung und sehr zugunsten des Künstlers als „Kontinuität in Handschrift, Stil, Technik und Themen“ sowie als Beständigkeit im Schaffen, Beobachten, Gestalten beschreibt. In Erfurt hat man dergleichen zuungunsten Heyders ausgelegt; eine Ausstellung, die ihn anlässlich seines 70. Geburtstages Anfang Oktober würdigt, kam hier leider nicht zustande.

Einer derwichtigsten und erfolgreichsten Maler Thüringer Provenienz

Jene Kontinuität hat, im Verbund mit aller Ausdrucksstärke, gewiss auch existenzsichernd gewirkt. Jost Heyder ist, wie man so sagt, gut im Geschäft. Und das Label, der Neuen Leipziger Schule entsprungen zu sein, ist mitunter hilfreich. Unterdessen brachte es Heyder zu einem der heutzutage wichtigsten und erfolgreichsten Maler Thüringer Provenienz. „Dieser Mann ist für diese Stadt etwas ganz besonderes“, dekretierte also mit Stolz Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (BSW) auf der Vernissage im frisch sanierten Marstall, die für dortige Verhältnisse einen außerordentlichen Menschenauflauf bedeutete. Man rannte ihnen am Samstag die Bude ein.

Volles Haus: Jost Heyder während der Vernissage seiner Ausstellung „Seele & Imagination“ im Marstall des Stadtschlosses Eisenach.
Volles Haus: Jost Heyder während der Vernissage seiner Ausstellung „Seele & Imagination“ im Marstall des Stadtschlosses Eisenach. © Michael Helbing

Als Laudatorin trat Christine Lieberknecht auf, die Heyder bereits Porträt saß, bevor sie Ministerpräsidentin geworden war. In der Ausstellung indes hängt ein frisches Bildnis ihres Vorvorgängers und Chefs Bernhard Vogel; das seines Bruders Hans-Jochen ist längst im Gothaer Tivoli zu sehen. Ohnehin datieren gar nicht mal so wenige Gemälde in Eisenach auf 2024, auch der Liszt als Variante jenes Porträts, das Heyder zum 200. Geburtstag des Komponisten 2011 schuf.

Menschen in die Seele geschaut

Porträts sind eine Passion Heyders, bei der er Menschen in die Seele schaut. Ihre Lebendigkeit erklärt sich auch daraus, dass ein Modell bei ihm nicht still und starr zu sitzen hat. Skizzen entstehen im Gespräch mit Heyder in seinem mit dichten Bilderreihen und hohen Bücherbergen gefüllten Arnstädter Atelier. Dorthin wechselte er 2006 endgültig aus Eisenach, nachdem es ihn schon 1994 privat nach Erfurt gezogen hatte.

„Liegende auf Rot“: ein Aquarell Jost Heyders von 2017.
„Liegende auf Rot“: ein Aquarell Jost Heyders von 2017. © Jost Heyder | Falko Behr

Aus Erfurt aber kam bereits zuvor gewissermaßen das Stammpersonal seiner „figurativen Kompositionen“ nach Eisenach: Marionetten einer „Don Quijote“-Aufführung, die in seinem Atelier Gastquartier nahmen. Zum Stillleben drapiert, „fingen sie an, sich zu befreien und sich zu bewegen“´, erzählte Heyder einmal. So entstanden Gemälde namens „Auf der Bühne“ oder „Große Szenerie“, die Heyder zum Theatermaler im übertragenen Sinne werden ließen: Die ganze Welt imaginiert er sich als eine Bühne, auf der er, um noch einmal Kurator Seele zu bemühen, „vielseitig ausbalanciert das Wesentliche des Lebens künstlerisch ausdrückt“. Metaphorisch verwendete Marionetten-, Narren-, Harlekinmotive und -zitate sind dabei zuverlässige Wiedergänger.

Während der Vernissage hatte Heyder einer jungen schönen Frau zu seinen Bildern zu folgen: Die Performance der Tänzerin Brianna Hicke vom Eisenacher Ballett als Revuegirl, das zunächst aus einer Glasvitrine gegrüßt hatte, ging in den Menschenmassen zwar etwas unter, symbolisierte aber doch die erotische Spannung, mit der Heyder seine Akte derart aufzuladen weiß, dass eine Frau darauf nicht als Objekt, sondern als Subjekt vorkommen kann. Das zeigt keine Körper, das erzählt, wie jedes Bild von Heyders Hand, Geschichten.

Zu sehen bis 2. August jeweils mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.