Washington. Die Bundesbehörden verlangen von den Autokonzernen höhere Sicherheitsmaßnahmen. Neuwagen sollen künftig komplett autonom bremsen.

Alle Neuwagen in den USA müssen ab 2029 mit automatischen Notbremssystemen ausgestattet sein, die selbst bei hohen Geschwindigkeiten das Fahrzeug autonom zum Stillstand bringen können. Das sehen Sicherheitsvorschriften vor, die die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) jüngst vorgestellt hat. Auf diese Weise sollen jedes Jahr Hunderte von Menschenleben gerettet werden.

„Die Technologie ist inzwischen ausgereift genug, um sie in allen neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen vorzuschreiben“, so Sophie Shulman, stellvertretende Leiterin der NHTSA, in einer Erklärung zu den neuen Vorschriften, die den größten Schub an neuen Sicherheitsstandards für Autos seit Jahren bringen sollen.

Todesrisiko auf amerikanischen Straßen dreimal höher als in Deutschland

Hintergrund der Maßnahme ist die Tatsache, dass die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren in den USA drastisch zugenommen und mit knapp 43.000 im Jahre 2022 einen traurigen Rekord erreicht hat. Innerhalb von zehn Jahren ist das ein Anstieg um über 20 Prozent.

In Deutschland stagniert die Zahl der Verkehrstoten seit zehn Jahren bei rund 3000, Tendenz leicht fallend. Der Vergleich der Verkehrstoten pro 100000 Einwohner zeigt, dass es in den USA mit einem Wert von 12,4 dreimal gefährlicher ist, sich auf den Straßen zu bewegen als in Deutschland, wo der Wert bei 4,1 liegt.

Das Smartphone gilt mittlerweile als größtes Verkehrsrisiko

Für Experten gibt es für die Entwicklung auf den US-Staaten ein ganzes Bündel von Ursachen: Zum einen ist die Zahl der Gurtverweigerer in den USA weiterhin vergleichsweise hoch. Die Führerscheinausbildung ist deutlich schlechter als in europäischen Staaten, die hohe Zahl an SUVs und schweren Pickups auf den Straßen sorgt dafür, dass auch Fußgänger-Unfälle mit geringerer Geschwindigkeit schnell tödlich enden.

Und: Bei etwa 50 Prozent aller Unfälle ist mittlerweile der Blick ins Smartphone mitverantwortlich für Unfälle. Und laut Statistik ist bei jedem zehnten Verkehrstoten „Ablenkung“ die Unfallursache gewesen.

Im Rahmen einer Vereinbarung, die während der Obama-Regierung getroffen wurde, haben die Autohersteller in fast ihrer gesamten Fahrzeugflotte eine automatische Notbremse mit geringerer Geschwindigkeit eingebaut. Die neuen Vorschriften zielen jedoch darauf ab, weitaus leistungsfähigere Systeme zum Standard zu machen, und stießen auf den Widerstand der Industrie.

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Branche sieht sich unter Druck gesetzt

Nun also sollen die Notbremssysteme die tödlichen Fahr-Fehler verringern. Automatische Notbremsen basieren auf Sensoren im Fahrzeug, die erkennen, wenn ein Unfall droht, und entweder die Bremsen vollständig betätigen oder dem Fahrer helfen, das Auto sicher zum Stehen zu bringen. Die neuen Vorschriften sehen vor, dass die Systeme in der Lage sein müssen, einen Fußgänger zu erkennen und im Notfall das Fahrzeug bis zu Geschwindigkeiten bis zu 62 km/h autonom komplett zu stoppen.

Genau an dieser Stelle wehrt sich die US-Autoindustrie mit den üblichen Argumenten: Zu schnell gehe das, zu teuer sei das alles. Die Alliance for Automotive Innovation, ein Zusammenschluss von Automobilherstellern, will sich nur auf die rasche Einführung einer verpflichtenden Nothalte-Unterstützung festlegen lassen: Diese Systeme errechnen ebenso sensor-gesteuert die benötigte Bremskraft und verstärken danach den Bremsvorgang entsprechend. Komplett selbsttätige Notbremssysteme seien in Serie und Masse noch nicht umsetzbar, argumentieren die Konzerne.

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In Europa werden Fahr-Assistenten ab 1. Juli Pflicht in Neuwagen

Die Branche ist allerdings unter Handlungsdruck, da in der EU solche Assistenzsysteme bereits ab 1. Juli dieses Jahres Pflicht werden für alle Neuwagen. Will heißen: Wenn die US-Konzerne nach Europa exportieren wollen, müssen ihre Wagen diese Assistenten bereits haben. Die EU fordert dabei ein ganzes Bündel von Systemen:

  • Hochentwickelter automatischer Notbremsassistent zur besseren Notbremsung
  • Notfall-Spurhalteassistent
  • Intelligenter Geschwindigkeitsassistent (ISA), der bei Übertretungen warnt oder sogar das Tempo abriegelt
  • Müdigkeitswarner / Aufmerksamkeitsüberwachung
  • Rückfahrassistent, mit Notstopp beim Erkennen von Personen oder Hindernissen
  • Abbiegeassistent und Kollisionswarner, für die Kontrolle von toten Winkeln
  • Ereignisbezogene Datenaufzeichnung bei Unfällen (Blackbox)
  • Notbremslicht, das im Falle einer automatisierten Notbremsung für alle Lampen erleuchtet