Elektroauto-Boom: So schnell rasen Elektroautos am Diesel vorbei

2021 war das Jahr der Elektrowende am deutschen Automarkt. Bei den monatlichen Neuzulassungen haben nach Hybriden jetzt auch reine E-Autos den Diesel überholt. Und beide kommen auch dem Benziner immer näher.

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1 18.09.2015: US-Umweltbehörde deckt Abgasmanipulation bei VW auf.
2 29.6.2016: Der Umweltbonus für den Neukauf von Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden wird eingeführt.
3 23.06.2018: Bundesweit tritt das erste Dieselfahrverbot in Hamburg in Kraft.
4 01.01.2019: Vergünstigte Dienstwagenbesteuerung für Elektroautos und Plug-in-Hybride.
5 08.07.2020: Die Innovationsprämie verdoppelt den staatlichen Anteil am Umweltbonus.
6 ab Ende 2020: Durch den weltweiten Halbleitermangel stehen viele Montagebänder still. Die vorhandenen Chips werden bevorzugt in höherpreisige Autos verbaut – die häufig elektrisch fahren.

Jahrelang haben E-Autos hierzulande kaum eine Rolle gespielt haben. Doch während der Corona-Pandemie trotzen die Stromer der Absatzkrise am deutschen Automobilmarkt und sind bei den monatlichen Neuzulassungen mittlerweile am Diesel vorbeigerast. „In Deutschland beginnt das Elektrozeitalter,“ sagt Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Den Durchbruch im Jahr 2021 habe der Auto-Experte zwar erwartet, doch am Ende sei er sogar stärker als gedacht gewesen.

Im November 2020 gab es bereits mehr neuzugelassene Hybridfahrzeuge als reine Diesel. Nicht einmal ein Jahr später, im September 2021, überholten dann reine Elektoautos den Diesel bei Pkw-Neuzulassungen. Im vergangenen Dezember übersprung ihr Anteil erstmals die 20-Prozent-Marke und lag damit im Monatsvergleich zehnmal höher als zwei Jahre zuvor. Das zeigt die Auswertung der Daten des Kraftfahrt-Bundesamts.

E-Auto: Elektrowende dank hoher Förderung

Dass Pkw mit alternativen Antrieben so beliebt sind, liegt vor allem an der großzügigen Förderung, die Mitte 2020 verdoppelt wurde. Mit der sogenannten Innovationsprämie bezuschusst der Staat alle Neuwagen, die einen Stecker haben: E-Autos mit bis zu 9000 Euro und Plug-in-Hybride bis zu 6750 Euro. Im vergangenen Jahr hatten 68 Prozent der Neuwagen mit Hybrid-Antrieb eine Plug-in-Funktion. Ein weiterer Grund für den E-Boom ist die abgesenkte Dienstwagensteuer. Für Plug-in-Hybride wird nur die Hälfte im Vergleich zu den herkömmlichen Pkws fällig, für Elektroautos sogar nur ein Viertel.

Die Corona-Pandemie und die Lieferengpässe haben dazu geführt, dass 2021 die Zahl der Neuzulassungen auf niedrigsten Stand seit Wiedervereinigung gesunken ist. Besonders der Mangel an Mikrochips hat die Produktion von neuen Autos gebremst. Die Hersteller hätten deshalb die verbleibenden Chips auf höherpreisige Fahrzeuge fokussiert, erklärt Bratzel. Davon hätten besonders Elektrofahrzeuge profitiert, die teurer in der Produktion als Verbrenner sind.

Zudem verstärken schärfere EU-Flottengrenzwerte für die CO₂-Emission den Trend zum E-Auto: Die verkauften Autos eines Herstellers dürfen seit 2020 im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Bei Werten darüber hinaus sind Strafzahlungen fällig. Die Autobauer können ihren Flottenwert mit Ausnahme-Regelungen und legalen Tricks senken – am besten, indem sie mehr E-Fahrzeuge verkaufen. Denn diese gehen mit null Gramm in die Bilanz ein und zählen mehrfach.

Die beliebtesten E-Autos 2021

Wie bei den Verbrenner dominieren SUV-Modelle auch bereits das Elektro-Segment – mit insgesamt 106.748 Neuzulassungen in 2021. Ein wichtiger Grund: Die meisten Neuwagen werden als Geschäftsfahrzeuge angemeldet. Und Firmen würden in der Regel zu den größeren Fahrzeugen tendieren, sagt Bratzel. Die Innovationsprämie und die abgesenkte Dienstwagensteuer mache für sie diese Fahrzeuge attraktiv. Durch hohe Gewinnmargen haben die Hersteller ein Interesse an einem weiteren SUV-Boom und sorgen für eine entsprechende Modellpalette.

Doch das beliebteste E-Auto im Jahr 2021 ist kein SUV, sondern ein Wagen der Mittelklasse: Teslas Modell 3. Dass auch Kleinwagen nachgefragt werden, zeigen die Erfolge des VW e-Up oder Renault Zoe. Obwohl Volkswagen seinen elektrischen Kleinwagen schon im Herbst 2020 aus dem Sortiment genommen hatte, war er 2021 das am zweithäufigsten verkaufte E-Auto. Der Autobauer musste aufgrund der hohen Nachfrage und Lieferschwierigkeiten im Vorjahr noch Bestellungen abarbeiten.

Wo die meisten E-Autos bereits fahren

Trotz des Elektro- und Hybridtrends dominieren immer noch Diesel und Benziner die Straßen. E-Autos machten im Oktober gerade mal ein Prozent des Bestands aus (516.518 Pkws) und auch die Hybride hatten nur einen Anteil von drei Prozent (1.520.983 Pkws). So sind die Elektro-Hochburgen derzeit noch die Standorte der Autobauer, die dort ihre Testflotten haben: Wolfsburg und Braunschweig mit Volkswagen, Ingolstadt mit Audi, Stuttgart mit Porsche und Mercedes-Benz.

Stand: 01.01.2021

Der Osten Deutschlands gleicht auf der Karte hingegen einer Elektro-Wüste – wäre da nicht Weimar. Die thüringische Kulturstadt hat sogar die zweithöchste E-Auto-Dichte in Deutschland. Doch wer durch Weimar fährt, wird davon wenig merken. Denn Volkswagen hat hier nur die die Berliner Flotte seines Carsharing-Anbieters We Share zugelassen. Die Stadt ermöglicht, dass die Kennzeichen der Teilautos mit WE-S beginnen.

E-Autos sollen bald auch Benziner überholen

Die Ampel-Koalition will bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos auf die Straße bringen. „In einem sehr positiven Szenario wird die Marke von einer Million jährlich neuzugelassenen E-Autos im Zeitraum 2024 bis 2025 überschritten werden,“ sagt Bratzel. Und spätestens dann werde auch der Benziner überholt sein.

Geht man bei diesem Szenario von etwa drei Millionen Neuzulassungen im Jahr aus, dann muss der E-Anteil sich in der zweiten Hälfte der 2020er verdoppeln. Zwischen 2025 und Ende 2030 würden dann jährlich mehr als zwei Millionen der neuen Pkws elektrisch fahren. Das entspricht einem Anteil von 70 Prozent – wenn die Zahlen gleichmäßig steigen.



Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt.
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