Berlin. Lanz diskutierte über Corona-Pandemie, Elektro-Autos und das Recht auf Sterbehilfe. Vor allem Peter Altmaier sollte Stellung nehmen.

Die Prämie für Verbrenner würde es machen, rief Ferdinand Dudenhöffer mit heiserer Stimme dazwischen. Und ließ – Hände ringend – erkennen, was er davon hielt, dass die SPD verhindert hatte, dass dieser Kaufanreiz für Benzinautos Wirklichkeit wird.

Angriffslustig, aber auch etwas schlicht gedacht, warf der Automobilexperte noch weitere Vorwürfe in die Runde: „Wegen Angst vor Wahlen“ habe die Bundesregierung zu lange „unpopuläre Maßnahmen gescheut“, wie beispielsweise Benzin oder Diesel höher zu besteuern. Statt rechtzeitig mit einer CO2-Emissionsreduktion zu beginnen, habe sie in Brüssel sogar einen Grenzwert von 120 mg CO2 verhindert. Jetzt dürfen es nur noch 59mg sein. Wie sollten die Klimaziele jetzt noch zu schaffen sein?

Selber schuld, sollte das wohl indirekt heißen, wenn die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer nun in eine Krise geraten. Denn: „Wenn wir nach China schauen, zeigt sich, dass durch die Zentralregierung die Dinge sehr viel schneller umgesetzt werden. China wird Technologie-Weltmarktführer.“

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Peter Altmaier: CDU-Politiker und Bundeswirtschaftsminister
  • Ferdinand Dudenhöffer: Ökonom und Professor für Automobilwirtschaft
  • Ferdinand von Schirach: Autor und Jurist
  • Christina Berndt: Medizinjournalistin

China als Vorbild? Ferdinand von Schirach protestiert

Da spätestens wurde es auch Ferdinand von Schirach zu bunt, der sich als fachlicher Laie bis dahin höflich-zurückhaltend aus der Auto-Diskussion herausgehalten hatte. China könne für uns überhaupt kein Vorbild sein, weil es von oben herab undemokratisch sei. „Und überhaupt ein Land, wo zum großen Teil Menschenrechte mit Füßen getreten werden.“

Große technische Entwicklungen brauchten auch politisch ihre Zeit, ergänzte er. Aber „dass es ein grünes Bewusstsein gibt, das stark gewachsen ist“, sei keine Frage mehr, weshalb er sich auch sicher sei, dass „wir das mit den Elektroautos schon noch hinkriegen“. Er selber fahre einen Elektro-Smart, habe aber in Berlin alle drei Tage das Problem, eine freie Ladestelle zu finden.

Markus Lanz: Gäste diskutieren hitzig über klimaschonende Wirtschaftsförderung

Corona habe gerade gezeigt, „dass die Menschen in der Lage sind, Einschnitte zu akzeptierten, wenn man sie mit Argumenten überzeugt“, warf da auch Christina Berndt ein, die als Medizinredakteurin für die SZ arbeitet und sich während des „Lanz“-Talks hauptsächlich zum Infektionsgeschehen im europäischen Ländervergleich geäußert hatte. „Beim Klima wird das doch wohl auch möglich sein.“

An den richtigen Impulsen zur klimaschonenden Wirtschaftsförderung entzündete sich eine halbwegs hitzige, auch laute Diskussion.

Dabei hatte Markus Lanz eine interessante Runde mit vier Talk-Gästen und sehr unterschiedlichen Hintergründen in sein Hamburger Studio geladen, die bis dahin gesittet-ruhig und ungewohnt tiefgründig verlaufen war. Und in deren Mittelpunkt immer wieder der Bundeswirtschaftsminister stand. Keinen anderen Gast forderte Markus Lanz an diesem Donnerstag so häufig auf, Stellung zu nehmen wie Peter Altmaier.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Keinen anderen Gast forderte Markus Lanz an diesem Donnerstag so häufig auf, Stellung zu nehmen wie ihn.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Keinen anderen Gast forderte Markus Lanz an diesem Donnerstag so häufig auf, Stellung zu nehmen wie ihn. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Nicht nur zur Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland. Auch zur Wirksamkeit der Corona-Hilfen. Oder zu seinem Abstimmungsverhalten 2015 beim sogenannten Sterbehilfe-Gesetz, das das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahrs gekippt hatte: Er wusste nicht mehr, wie er damals abgestimmt hatte, was dem gut präparierten Moderator Gelegenheit gab, es besser zu wissen. Aber der Reihe nach, Autos first.

Klimaschutz: Peter Altmaier räumt Fehler der Bundesregierung ein

Schon 2007 – las Markus Lanz zitierend vom Zettel, was seine Redaktion für ihn vorbereitet hatte – habe Markus Söder als „klares Ultimatum“ zur Erhöhung des Innovationsdrucks gefordert, ab 2020 nur noch Autos mit einem umweltfreundlichen Antrieb zuzulassen.

Nun war das Jahr da. Und immer noch fuhren mehr Benziner auf den Straßen als Elektrofahrzeuge oder Plug-In-Hybride. „Haben wir da eine Entwicklung verschlafen?“, wollte Markus Lanz wissen. Peter Altmaier nickte bitter. Ja, die Bundesregierung habe 10 Jahre verloren, weil sie hoffte, mit allen europäischen Ländern gemeinsam Ziele zum Klimaschutz durchzusetzen. Erst letztes Jahr habe sie beschlossen: „Wir gehen voran.“

Zu einer Förderung des Batteriebaus, der ein Drittel der Wertschöpfung bei Elektroautos ausmache, und beispielsweise einem neuen Konzept zum „grünen Stahl“ wolle er weiter an dem Kurzarbeitergeld festhalten, um zu verhindern, dass Arbeitsplätze durch die Pandemie verloren gehen: „Wir müssen beides glaubhaft machen: Den Einsatz für Arbeitsplätze und wie die Transformation angegangen wird.“

Sterbehilfe: Urteil des Bundesverfassungsgericht

Immer wieder erklärte Peter Altmaier an diesem Abend die Politik der Bundesregierung sehr ausführlich, ruhig und differenziert. Nur zu einer persönlichen Einschätzung zum Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus diesem Februar wollte er sich nicht gern äußern.

Er sei schließlich nicht als Privatperson bei diesem „Lanz“-Talk eingeladen, sondern als Repräsentant der Regierung und seiner Partei. Und Hilfe zum Suizid sei eine sehr schwierige Frage, die jeder einzelne unterschiedlich einschätze. Da brauchte es erst noch eine gesellschaftliche Debatte.

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Ferdinand von Schirach erklärt deutsches Strafrecht bei „Markus Lanz“

Wesentlich klarer äußerte sich Ferdinand von Schirach, indem er die BVerfG-Entscheidung als „Jahrhundert-Urteil“ bezeichnete, besonders gut begründet ohnehin. Dann bewies der Jurist und einer der „erfolgreichsten Schriftsteller Deutschlands“ wieder einmal, dass er auch ein begnadeter Erklärer war, der selbst komplizierte Sachverhalte sehr anschaulich darstellen konnte:

Unser Strafrecht stamme noch aus Bismarcks Zeiten, erklärte der ehemalige Strafverteidiger, und stelle Beihilfe nur dann unter Strafe, wenn auch die Haupttat strafbar sei. Dieses Prinzip hatte das stark umstrittenen Sterbehilfe-Gesetz von 2015 ausgehebelt – der Suizid als „Haupttat“ blieb weiterhin straffrei, aber ärztliche „Suizidbeihilfe“ sollte bestraft werden. Das hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder kassiert.

Nun sei es „jedem möglich, selbstbestimmt zu sterben“. Ob jemand das mit 78 machen wolle – wie der Protagonist in seinem Theaterstück „Gott“, das an diesem Freitag im Berliner Ensemble uraufgeführt wird – oder mit 17 Jahren sei juristisch erst einmal unerheblich. Nur müsse jetzt eine Reglung gefunden werden, so von Schirach, die überprüft, wie ernsthaft und wie dauerhaft der Wunsch sei, nicht mehr leben zu wollen. „Denn natürlich darf nicht passieren, dass jemand Suizid begeht, nur weil er sich nicht gewollt fühlt.“

Wie war das denn bei Ihnen mit 15 Jahren, wollte Markus Lanz noch wissen. „Ich habe überlebt, wie man sieht“, kommentierte Ferdinand von Schirach ironisch lächelnd seinen Versuch, sich in diesem Alter „selbst abzuschaffen – wie es Thomas Mann einmal sagte“. Dann verriet er das glückliche Ende der Episode, wie er sie 2019 in seinem Erzählband „Kaffee und Zigaretten“ veröffentlicht hat: „Ich war so besoffen, dass ich vergessen hatte, Patronen in das Schrotgewehr einzulegen.“

So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: