Berlin Eine mit Strom betriebene Heizung statt Gas? Der Wohnungskonzern Vonovia testet in Berlin genau das – wie dieses Konzept funktioniert.
Statt aus Kohle und Gas soll der Strom in Deutschland zunehmend aus erneuerbaren Energiequellen wie der Wind- oder Solarkraft stammen. Das Ziel: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Doch der Weg dahin ist holprig. Bestehende Windkrafträder müssen etwa abgestellt werden, wenn es Netzengpässe gibt und kein weiterer Strom eingespeist werden kann. Dadurch geht erneuerbare Energie verloren – während emissionsintensive Kohle- und Gaskraftwerke weiterlaufen.
Vonovia testet Tauchsieder-Heizung: Warmwasser dank grünem Strom – wie es funktioniert
An dieser Stelle plant der Wohnungskonzern Vonovia anzusetzen. Überschüssiger Strom soll nicht verschenkt, sondern in Wohngebäuden als zusätzliche Heizquelle eingesetzt werden. "Ziel des Projekts ist, überschüssige, erneuerbare Energie zu verwenden, um Gas zu ersetzen, CO2 einzusparen und somit die Energiekosten für die Mieter zu reduzieren", heißt es in einer Mitteilung des Wohnungskonzerns. Gas soll erst dann eingesetzt werden, wenn nicht ausreichend grüner Strom für die Stromzusatzheizung vorhanden ist.
Diese Heizung funktioniert nach dem Tauchsieder-Prinzip: In Warmwasserspeicher werden Heizstäbe eingebaut, die das Wasser erwärmen. Statt mit Gas werden diese jedoch mit Strom aus Windenergie betrieben, der sonst abgeregelt würde und damit ungenutzt bliebe. Zähl- und Steuerungsmodule sollen bei der Steuerung helfen. Für das Pilotprojekt kooperiert Vonovia mit dem Start-up "decarbon1ze" und dem Stromübertragungsnetzbetreiber "50Hertz". Die ersten Stromzusatzheizungen sollen in Berliner Mehrfamilienhäusern verbaut werden.
Konzern | Vonovia SE |
Gründung | 2021 |
Sitz | Bochum |
Mitarbeiterzahl | 15.871 (2021) |
CEO | Rolf Buch (seit 01.04.2013) |
Überschüssiger Strom aus der Windenergie: Gewaltige Zahl – so viel Strom bleibt ungenutzt
Potenzial für die Technologie sieht Vonovia im besonders schwer umzustellenden Gebäudebestand der Mehrfamilienhäuser. Hier sind meist Gasheizungen der Standard und schwerer durch erneuerbare Energien zu ersetzen – allen voran im Altbestand. Das Potenzial für die Tauchsieder-Heizungen ist groß: Laut Vonovia wurden rund 8,1 Terawatt Windenergie 2022 in Norddeutschland abgeregelt. Umgerechnet sind das 8.100.000.000 Kilowattstunden (kWh) – eine gewaltige Zahl. Dirk Biermann von 50Hertz begrüßt daher das Pilotprojekt.
"Wir transportieren stetig wachsende Mengen erneuerbarer Energie von Nord nach Süd in die Verbrauchszentren. Um dem wachsenden Transportbedarf gerecht zu werden, bauen wir unser Übertragungsnetz weiter aus. Zugleich zeichnet sich ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen dezentralen Flexibilitäten ab. Wenn die Wohnungswirtschaft kostengünstige Wege nutzen kann, schneller auf Stromwärme umzusteigen – auch in hybriden Anwendungen – wirkt sich das positiv auf das gesamte Stromsystem aus", sagt Biermann.
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Tauchsieder-Heizung in groß: Wie überschüssiger Strom zwischengespeichert werden kann
Eine andere Möglichkeit – erneuerbar erzeugten Strom nicht zu verschwenden – ist, die Energie vorübergehend zu speichern. Das Prinzip ist Berichten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) zufolge ähnlich wie bei der Stromzusatzheizung. Große Wassermengen werden mithilfe des überschüssigen Stroms erhitzt und die Wärme später in ein Fernwärmenetz eingespeist. "Diese Verbindung von stromgeführten Systemen und Fernwärmeleitung ist ein Teil der energiepolitischen Zukunft", sagte dazu Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Im Juni war eine solche Anlage im schleswig-holsteinischen Wedel in Betrieb gegangen. Mit einer solchen Power-to-Heat-Anlage können pro Jahr rund 100.000 Tonnen CO2 eingespart werden, rechnet Kirsten Fust von den Hamburger Energiewerken der "FAZ" vor. Zum Vergleich: Die 100.000 Tonnen CO2 entsprechen rund 50.000 Tonnen Kohle. Hinzu kommt: Das gewaltige – oft ungenutzte – Potenzial von abgeregeltem Strom wird mit dem Ausbau der Wind- und PV-Energie noch weiter steigen.
Vonovia und Co. vor großer Herausforderung: Warum so viel in Pilotprojekte investiert wird
Das Pilotprojekt Tauchsieder-Heizung ist dabei nicht das einzige Nachhaltigkeitsprojekt in der Branche. Auch der große Vonovia-Konkurrent "EG" testet unterschiedliche Projekte – darunter ein von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuertes smartes Thermostat oder den Ausbau von Luft-Luft-Wärmepumpen. Fest steht: In Zukunft wird es solche flexiblen Lösungen brauchen, wenn man in Deutschland die Klimaziele erreichen möchte. Das geplante Heizungsgesetz der Ampel-Koalition schränkt die Optionen für große Wohnungsbaukonzerne dabei ein.
Denn Gas- und Ölheizungen sind im Hinblick auf die angepeilte Klimaneutralität bis 2045 keine dauerhaft sinnvolle Investition mehr. Auf der anderen Seite sind alternative Lösungen wie Wärmepumpen gerade in älteren Mehrfamiliengebäuden nicht immer einfach umzusetzen. Hybride Heizungslösungen wie im jetzt vorgestellten Pilotprojekt werden für große Wohnungsbaukonzerne damit umso interessanter. Im Fall von Vonovia entstehen den Mietern durch die Tauchsieder-Heizung keine zusätzlichen Kosten. Der Verbrauch wird normal abgerechnet.
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