London. Als Kronprinz wurde er als „grüner Spinner“ abgetan. Doch in Zeiten von Klimawandel hat sich der Blick auf König Charles III gewandelt.
Trauer und Aufbruch liegen für ihn dicht beieinander. Er musste Abschied nehmen von seiner Mutter – und übernimmt nun ihr Amt, nachdem er sieben Jahrzehnte lang Thronfolger war. Aus Charles, dem Mann im scheinbar ewigen Wartestand, wird König Charles III. Am Samstag findet die offizielle Proklamation statt.
Charles III.: Lange war Charles nur als der „Schattenkönig“ bekannt
Spekulationen dass er für die Queen die Regentschaft übernehmen würde, scheiterten an dem eisernen Pflichtgefühl seiner Mutter. Sie hatte einst gelobt, ihren Job im Dienst des Volkes bis zum Lebensende zu erfüllen. Charles übernahm praktisch den ganzen Außendienst der „Firma“ wie sich die königliche Familie selbstironisch nennt. Dass es Zeit fürs Modernisieren ist, hat allerdings erst Prinz William thematisiert.
Charles: Sein Arbeitstag ist oft 18 Stunden lang
Sein Wappen als Fürst von Wales trägt das deutsche Motto „Ich diene“. Er nahm es so ernst, dass sich seine Söhne William und Harry Sorgen um seine Gesundheit machen. So fanden sie ihren Vater einige Male nach einem 18-stündigen Arbeitstag schlafend mit dem Kopf auf dem Schreibtisch vor; beim Aufwachen klebte ihm ein Schriftstück an der Stirn.
Seit langem studierte er auch sorgfältig den Koffer mit geheimen Staatspapieren, den die Regierung wöchentlich der Königin vorlegte. Freilich hat er mit seiner scharf kritisierten Angewohnheit gebrochen, die Ministerien ständig mit Memos und Kommentaren zu überfrachten.
Charles ist das Gegenteil zur Queen – er kritisiert Missstände offen
Wegen seiner krakeligen Handschrift nannten die Beamten den Schriftverkehr „die Spinnenbriefe“. In einem BBC-Interview stellte Charles allerdings klar, „als Souverän kann ich nicht so agieren wie als Kronprinz. Die Idee, dass ich einfach so weiter mache, wenn ich einmal die Nachfolge auf den Thron antreten muss, ist kompletter Unsinn. Die beiden Institutionen sind völlig unterschiedlich.“
Im Gegensatz zu seiner politisch und gesellschaftlich streng neutralen Mutter, hat Charles aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Nachdem er sich mehrmals in die farbigen Gettos und verfallenen Industriebezirke britischer Städte begeben hatte, verärgerte er die Thatcher-Regierung mit harter Kritik am sozialen Elend und wirtschaftlichen Niedergang. Sie gipfelte in der Bemerkung, dass er fürchte, einmal über eine gespaltene Nation zu regieren.
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Charles III.: Sauer wird der neue König bei schlechter Hochhaus-Architektur
Sein besonderer Zorn richtet sich gegen die Auswüchse moderner Architektur. In einer Fernsehdokumentation, die Charles selber schrieb und moderierte, rechnete er ebenso witzig wie leidenschaftlich mit den Fehlleistungen von Städteplanern und Hochhausarchitekten ab. Einmal warf er ihnen vor, die britischen Städte „schlimmer verwüstet zu haben als die Luftwaffe.“
Charles war einer der ersten, der die Gleichgültigkeit seiner Landsleute gegenüber Umweltgefahren beklagte. Als er 1969 nach seiner Investitur als „Prinz von Wales“ zu den Einwohnern seines Fürstentums sprach, beschwor er die Erinnerung an das schreckliche Unglück vor drei Jahren, als das Dorf Aberfan unter einer abrutschenden Kohlenhalde begraben wurde und 144 Menschen starben.
Sohn von Queen Elizabeth II.: Das Warnen vor Problemen sieht er als seine Aufgabe an
Charles sagte damals: „Ich sehe meine Aufgabe darin, ständig den Warner zu spielen und darauf hinzuweisen, dass nur ein schmaler Grat uns zwischen Überleben und Untergang trennt. Ein riesiger Prozentsatz unserer Bevölkerung wird sich der Umweltprobleme erst bewusst, wenn es zu spät ist. Ich werde darauf hinweisen, bis ich blau im Gesicht anlaufe. Und wenn dann jemand aufwacht, dann wird der Kampf um eine lebenswerte Umwelt erheblich leichter.“
Vorname | Elizabeth Alexandra Mary |
Nachname | Mountbatten-Windsor |
Titel | Königin von Großbritannien, Nordirland und 14 weiteren souveränen Staaten |
Geboren | 21. April 1926 in London |
Gestorben | 8. September 2022 in Schottland |
Sternzeichen | Stier |
Partner | Prinz Philip |
Kinder | Prinz Charles, Prinz Andrew, Prinzessin Anne, Prinz Edward |
Großbritannien ist mittlerweile längst aufgewacht und hat viele Probleme erkannt, aber Charles ist mit seinen Mahnungen nicht leiser geworden. Hörten ihm als jungen Mann nur Müsli-Esser und Sandalenträger zu, so schmiedete er zu seinem 60. Geburtstag wohl die bislang stärkste Allianz zwischen Wissenschaft, Industrie und Umweltorganisationen zum Schutz der Regenwälder.
Schon während seiner Schulzeit entdeckte er seine Liebe zur Natur
Lange Zeit wurde Charles wegen seiner „grünen Spinnerei“ angegriffen. Während seiner Schuljahre im schottischen Gordonstoun und australischen Timbertop entwickelten sich jene Seiten des Prinzen, die so oft als exzentrisch verschrien wurden. Hier entdeckte er seine Liebe zur unberührten Natur, in die er sich immer wieder zum Meditieren und zur Entspannung zurückzieht.
Charles verbrachte Wochen im australischen Busch und in der kanadischen Tundra und tauchte zuweilen in schottischen Fischerhütten und englischen Bauernhöfen unter, wo er beim Melken und Ausmisten der Ställe half. Seine Theorien von organischer Landwirtschaft hat Charles mittlerweile erfolgreich in seinem Landgut Gloucestershire verwirklicht. Er veröffentlichte darüber ein Buch, das ebenso ein Bestseller wurde wie seine Betrachtungen über Glanz und Elend der modernen Architektur.
Mehrmals erhob er seine Stimme gegen die Regierungspolitik
Nicht nur die Architektenverbände fürchten Charles als Festredner. Wenn er Umweltschutzkongresse eröffnete, fielen die anwesenden Minister ihrer Majestät oft genug in tiefe Verlegenheit. So kritisierte Charles die britische Verschmutzung der Nordsee und den Export von „saurem Regen“ durch die veralteten Kohlekraftwerke des Inselreiches.
Auch in der Frage von Katalysatoren und der Aufforstung durch Monokulturen stand er im krassen Gegensatz zur Regierungspolitik von Margaret Thatcher. Er vermasselte Tony Blair den Plan, das Königreich zum europäischen Pionier genmanipulierter Landwirtschaft zu machen, in dem er in Zeitungsbeiträgen die Kampagne der Gegner von „Frankenstein Food“ unterstützte.
Gegen moderne Genforschung und Biotechnologie
Mit seinem Rundfunkvortrag entfachte Charles 2000 eine leidenschaftliche Debatte über die Grenzen der Wissenschaft, die anhält. Er warnte vor den „katastrophalen Folgen“ ungezähmter wissenschaftlicher Forschung für Natur und Umwelt. Die Kritik richtete sich dabei vor allem gegen die moderne Genforschung, Biotechnologie und ihre Verwertung in der globalisierten Wirtschaft.
Charles kritisierte einen wissenschaftlichen Materialismus, der bei der Menschheit mehr und mehr die Auffassung schafft, „dass die Natur ein System sei, welches auf unsere Bedürfnisse hin manipuliert werden kann. Alles kann durch Technologie und menschlichen Einfallsreichtum repariert werden“.
Die spirituelle Seite des Königs und sein Verhältnis zur Schöpfung
Er forderte zu einem „größeren Respekt für die Genialität natürlicher Baupläne“ auf, „die sich in Millionen von Jahren entwickelt haben und ständig rigoros getestet und verbessert wurden. Deshalb soll eine verantwortungsbewusste Wissenschaft sich darauf konzentrieren, zu verstehen, wie die Natur arbeitet und nicht verändern, was die Natur ist. Das ist der Fall, wenn genetische Manipulation versucht, den Prozess biologischer Evolution zu verändern.“
Ursache für diese fatale Entwicklung ist nach Charles’ Ansicht eine spirituelle Leere. Es sei notwendig, den Respekt vor der Natur und dem „Verhältnis zwischen Gott, dem Menschen und der Schöpfung“ wieder zu gewinnen, erklärte er. Das Gleichgewicht zwischen „instinktiver Weisheit und den rationalen Einsichten der Wissenschaft“ müsse wiedergeschaffen werden.
Auf seinem Landgut verwirklicht Charles seine Ideen
Auf seinem Landgut lebte Charles nicht nur seine Ideen von organischer Landwirtschaft aus. Im Mittelpunkt seiner berühmten Partys standen seine 600 wohltätigen Stiftungen. Sie reichen von der Förderung und Ausbildung junger Menschen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten über die Hilfe für Kriegsveteranen bis zum Arten- und Klimaschutz.
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.