Mérignac. Frankreich steckt in einer Wein-Krise. Weil niemand die edlen Tropfen kauft, werden sie weiterverarbeitet - zu Parfüm oder Treibstoff.

Victor Chaigne denkt ernsthaft daran, die Flinte ins Korn zu werfen. Der Winzer in vierter Generation würde seine Weinberge im renommierten französischen Anbaugebiet Bordelais am liebsten verkaufen und „was anderes machen“. Bloß findet er keine Interessenten. Auch seinen Rotwein wird er nicht los. Jedenfalls gilt das für fast die Hälfte der letzten beiden Jahrgänge, die nach wie vor in den Kellern von Chaignes Weingut unweit von Mérignac lagert. Ein Problem, welches auch sehr viele seiner Kollegen haben. „Bordeaux-Weine“, so Chaigne, „sind zu Ladenhütern geworden!“

Frankreich kämpft mit einer Überproduktion seines Weinsektors und ausgerechnet das Bordelais ist von dieser Krise besonders hart betroffen. Um die „grands crus“ – Prestigetropfen wie Haut-Brion, Lafite, Mouton Rothschild oder Latour – mögen sich die Kenner zwar nach wie vor reißen. Doch die übrigen Weine aus dem 110.000 Hektar großen Anbaugebiet im Südwesten des Landes verzeichnen herbe Absatzverluste.

Ein Weinberg in Medoc, einer berühmten Weinbauregion in der Nähe von Bordeaux.
Ein Weinberg in Medoc, einer berühmten Weinbauregion in der Nähe von Bordeaux. © Shutterstock / Arcachonphoto | Shutterstock / Arcachonphoto

Wein aus Australien bei Chinesen beliebter als der aus Bordeaux

Immer mehr Winzer bleiben auf ihrer Produktion sitzen oder sehen sich gezwungen, ihre Flaschen zu Billigpreisen an die Supermärkte zu verscherbeln. Dass insbesondere der Rotweinkonsum der Franzosen sinkt, ist keine Neuigkeit. Innerhalb der letzten 50 Jahre ist er beständig um mittlerweile mehr als zwei Drittel zurückgegangen. Für die Winzer aus dem Bordelais war das kein Beinbruch, da sich ihre Weine immer besser in die ganze Welt verkaufen ließen. Aber in den letzten Jahren hat sich der Trend umgekehrt.

Erst belegte der ehemalige US-Präsident Donald Trump Weine aus Frankreich mit einem Strafzoll, dann folgten die pandemiebedingten Probleme im internationalen Transportwesen und schließlich brach auch noch der wichtige Absatzmarkt China um die Hälfte ein, wo im Zuge eines neuen Handelsabkommens zwischen Peking und Canberra australische Weine die französische Konkurrenz aus dem Feld schlagen.

Die Überproduktion hat daher gerade im Bordelais ein solches Ausmaß erreicht, dass die Winzer jede Hoffnung auf bessere Zeiten verlieren. Sie wollen einen Teil ihrer Weinberge roden, um das Angebot zu verknappen. Der Verband der Bordelais-Winzer (CIVB) führt derzeit Gespräche mit der Regierung, in denen es um die Aufgabe von 10.000 Hektar, also beinahe einem Zehntel aller Rebenstöcke geht. Eine Entscheidung könnte laut dem CIVB schon in diesem Monat fallen.

Alkohol-Überschuss wird zu Parfüm und Treibstoff verarbeitet

Vor allem aber drängen die Winzer aus dem Bordelais, unterstützt von ihren Kollegen aus dem Rhône-Tal und dem Languedoc, auf Soforthilfe in Form einer Destillationskampagne. Und sie fanden Gehör: Paris hat sich zusammen mit der Europäischen Union bereit erklärt, bis zu 160 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld sollen Weinbauern für die Abgabe von insgesamt 2,5 Millionen Hektolitern Wein an die Destillerien entschädigt werden. Der dort aus dem Wein destillierte Alkohol lässt sich dann zu Parfüms, Desinfektionsmitteln oder auch zum Treibstoff Bioethanol weiterverarbeiten.

Wein zu Sprit – eine Premiere ist das keineswegs. Schon im Pandemie-Jahr 2020 genehmigte das Pariser Landwirtschaftsministerium die Destillation von gut zwei Millionen Hektolitern Wein, was fast fünf Prozent der französischen Gesamtproduktion entsprach. Je nach Anbaugebiet zahlte der Staat den Winzern damals zwischen 58 und 78 Euro pro Hektoliter des unverkäuflich gewordenen Weins.