Kommentar

Ampel: Ohne Drama, Streit und Krisensitzungen geht’s nicht

Jan Dörner
| Lesedauer: 3 Minuten
Scholz wirbt angesichts von AfD-Höhenflug für Vertrauen in Zukunft

Scholz wirbt angesichts von AfD-Höhenflug für Vertrauen in Zukunft

Bundeskanzler Olaf Scholz wirbt für Vertrauen in die Zukunft. Der SPD-Politiker bekräftigte auch, er sei «ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten.»

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Berlin.  Olaf Scholz denkt schon an seine Wiederwahl. Dafür müsste der Bundeskanzler aber dringend seine Ampel-Koalition in den Griff bekommen.

Bei seiner Sommerpressekonferenz hat Olaf Scholz einen Blick in die Zukunft geworfen, genau genommen auf die kommende Bundestagswahl. Zwei Aussagen über den Ausgang der für 2025 angesetzten Wahl hat der Sozialdemokrat gemacht. Erstens: „Ich stehe am Anfang meiner Tätigkeit als Bundeskanzler.“ Und zweitens: „Ich bin ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten.“

Behält Scholz recht, wird er also in zwei Jahren wiedergewählt und die AfD bekommt in etwa zehn Prozent der Stimmen. Ausgeschlossen ist selbstverständlich beides nicht. Schließlich hat man erst bei der letzten Wahl einen zunächst als chancenlos verlachten SPD-Spitzenkandidaten am Ende ins Kanzleramt einziehen sehen. Von diesem Coup nährt sich das Selbstbewusstsein von Scholz und seiner Partei noch immer.

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Im Sommer 2023 überrascht allerdings die felsenfeste Überzeugung, mit der Scholz seine Prognose über den Ausgang der kommenden Wahl abgibt. Zur Mitte der Legislaturperiode wirken die Ampel-Koalitionäre unter Führung des Bundeskanzlers wie ein verunsichertes Fußballteam, das vom Halbzeitpfiff davor bewahrt wurde, weitere Eigentore zu kassieren oder sich gegenseitig umzugrätschen.

Im „Politbarometer“ liegt die AfD bei 20 Prozent

Nach dem wochenlangen Hin und Her und dem Streit der Koalition um das Heizungsgesetz sind die Bündnispartner froh, sich nun erst einmal in die Sommerpause verabschieden zu können. Auch die Stimmung in der Bevölkerung entspricht nicht dem Optimismus, den Scholz verbreitet.

Die vom Kanzler selbst als „Schlechte-Laune-Partei“ betitelte AfD käme dem neuesten „Politbarometer“ zufolge als zweitstärkste Kraft auf 20 Prozent der Stimmen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Ein Rekordwert. Nur 40 Prozent der Befragten finden, dass die Ampel-Regierung ihre Arbeit eher gut macht. Drei Viertel bewerten das Verhältnis von SPD, Grünen und FDP als schlecht.

Die Zeiten sind unbestritten schwierig: Russlands Krieg gegen die Ukraine stellt den gesamten Kontinent vor Herausforderungen, die schwer zu bewältigen sind. Dass die Ampel-Regierung Deutschland dennoch vor einem Winter ohne warme Heizungen bewahrt und milliardenschwere Entlastungsprogramme aufgesetzt hat, ist angesichts der sich überschlagenden Ereignisse schnell in Vergessenheit geraten.

Koalition kommt nicht ohne Drama und Krisensitzungen aus

Die Debatte um Zumutungen und Zumutbares durch praktischen Klimaschutz ist erst durch die Ampel-Regierung und hier an erster Stelle durch die Grünen wirklich angestoßen worden. In den vergangenen Jahren vermittelten die Vorgängerregierungen den Eindruck, der Klimawandel ließe sich nebenher aufhalten. Dass die Koalition im öffentlichen Ansehen so schlecht dasteht, ist aber nicht allein das Ergebnis äußerer Umstände.

Die Ampel hat nicht nur ihre hehren Ankündigungen nicht erfüllt, einen neuen Regierungsstil zu prägen. In zwei Jahren hat es das Bündnis auch verpasst, die Regierungsarbeit so zu organisieren, dass die Ampel ohne Drama, Streit und Krisensitzungen auskommt. Zu diesem Zustand haben Grüne und FDP einen gehörigen Beitrag geleistet: Es ist nicht verwunderlich, dass diese beiden so unterschiedlichen Parteien immer wieder aneinandergeraten.

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Unverantwortlich ist jedoch, wenn sie zum Schaden der Regierung an ihren Maximalpositionen festhalten. Sollen sich die Prognosen des Kanzlers zum Ausgang der nächsten Bundestagswahl erfüllen, muss er seine Koalition in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode in den Griff bekommen. Demonstrativ zur Schau gestellter Optimismus reicht nicht.