Berlin Die Regierung will Cannabis-Konsum entkriminalisieren. Doch das Projekt ist umstritten. Was die Details sind und woran es Kritik gibt.
Einen Joint auf der Straße rauchen, ohne Angst vor Polizeikontrollen. Das will die Bundesregierung für Erwachsene in Deutschland möglich machen. Am Mittwoch ist der Gesetzentwurf zur Legalisierung von Anbau und Konsum von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen im Bundeskabinett. Doch das Projekt von SPD, Grünen und FDP ist umstritten. Die einen sehen den Fortschritt nach einer jahrelangen gescheiterten Drogenpolitik, die anderen warnen vor Risiken und Verharmlosung der Droge. Alle wichtigen Fragen und Antworten im Überblick.
Ab wann wird Cannabis in Deutschland legal?
Bis Ende 2023 soll das Gesetz aus dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Kraft treten. Der Kern: Für Erwachsene soll der Eigengebrauch von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei bleiben. Privat dürfen Personen laut dem Gesetz zuhause drei Pflanzen anbauen. Im nahen Umfeld von Schulen, Spielplätzen und Kindertagesstätten ist der Konsum von Marihuana oder Haschisch verboten. Die Legalisierung soll laut Bundesregierung mit einer umfassenden Aufklärungskampagne zu den Risiken von Cannabissucht flankiert werden. Details zu Budget und Ausmaß nannte das Gesundheitsministerium auf Nachfrage unserer Redaktion nicht.
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Wo kann man Cannabis in Zukunft legal kaufen?
Anbauvereinigungen und Cannabis-Clubs sollen die Abgabe regeln – maximal 50 Gramm im Monat pro Konsumenten. Bei Menschen unter 21 Jahren sind es monatlich höchstens 30 Gramm, der THC-Gehalt darf dann zehn Prozent nicht überschreiten. Die Vereine dürfen „nur mit behördlicher Erlaubnis“ arbeiten, und das nicht gewinnorientiert. Anbauen kann nur, wer Mitglied ist – und soll auch beim Aussähen und Ernten der Pflanzen mitwirken. Behörden sollen laut Regierungsentwurf die Qualität und Reinheit der Cannabis-Produkte überprüfen. Mit einem zweiten Gesetz soll in Modellregionen der Verkauf über diese zertifizierten Fachgeschäfte getestet werden.
Was spricht für eine Cannabis-Legalisierung?
Vor allem eines: Das bisherige Verbot hat den Cannabis-Konsum in Deutschland nicht erfolgreich bekämpft. Im Gegenteil: Die Konsumenten-Zahlen steigen seit Jahren, auch bei jungen Menschen. „Die repressive Drogenpolitik der vergangenen Jahrzehnte ist gescheitert“, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) unserer Redaktion. „Sie hat den Konsum nicht eingedämmt, sie hat unzählige Menschen in die Kriminalität gedrängt und einen blühenden Schwarzmarkt geschaffen. Wir brauchen eine bessere Drogenpolitik. Wir müssen Realismus mit Prävention verbinden.“
Der heutige Schwarzmarkt boomt, Marihuana und Haschisch werden von vielen Dealern gemischt mit anderen Wirkstoffen, die für den Käufer kaum zu kontrollieren sind. Staatsanwaltschaften lassen einerseits etliche Verfahren gegen illegale Kleinhändler fallen, andererseits kriminalisiert das Gesetz harmlose Konsumenten, die nur gelegentlich am Joint ziehen.
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Der Bundesbeauftragten für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert (SPD), hebt gegenüber unserer Redaktion hervor: „Das bisher bestehende Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung von Cannabisnutzenden führte zum Tabu, über den eigenen Konsum und etwaige Risiken zu sprechen.“ Eine Legalisierung bedeute für Suchtkranke „mehr Hilfe und Schutz, die direkt und unbürokratisch ankommen muss“, sagt Blienert.
„Cannabiskonsum für Erwachsene unter gesicherten Bedingungen zu ermöglichen, bedeutet am Ende mehr Schutz für alle. Weil sie den Schwarzmarkt eindämmt, weil sie organisierte Kriminalität zurückdrängt, weil sie Vergiftungsrisiken senkt und mehr Hilfe für kritisch Konsumierende möglich macht.“
Was spricht gegen die Legalisierung von Cannabis in Deutschland?
Eines der Hauptargumente gegen die Legalisierung von Cannabis kommt von Verbänden aus der Medizin. Durch die Entkriminalisierung könne es zu mehr Konsum kommen, heißt es etwa von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Als Beispiel führen die Expertinnen und Experten Kanada an. Dort seien seit der Legalisierung von Cannabis sowohl der Konsum als auch der riskante Konsum gestiegen.
„Die bislang vorgelegten Pläne beinhalten keine überzeugenden Präventionsmaßnahmen. Aber gerade in dieser Situation muss die Prävention erheblich intensiviert und natürlich nachhaltig finanziert werden“, heißt es in einer Mitteilung von Verbandspräsident Andreas Meyer-Lindenberg. Zudem sei Cannabis keineswegs harmlos: Etwa zehn Prozent der regelmäßigen Konsumenten würden eine cannabisbezogene psychische Störung entwickeln.
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Ein weiteres Problem sei die Freigabe von Cannabis für Personen ab 18 Jahren. Die Hirnentwicklung sei erst mit dem 25. Lebensjahr abgeschlossen – vor diesem Zeitpunkt sei der Konsum des Rauschmittels besonders gefährlich. Die Gesellschaft für Psychiatrie und Psychosomatik geht deshalb davon aus, dass vermehrter Cannabiskonsum dazu führen werde, dass mehr und jüngere Betroffene an einer Psychose erkranken.
Hinzu kommt die Befürchtung, dass die geplante Legalisierung den illegalen Handel mit Cannabis erleichtern statt verhindern könnte. Der Gedanke: Wenn 25 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf legal werden, könnten Dealer immer nur maximal diese Menge mit sich führen und dafür kaum belangt werden.
Wie wirkt Cannabis?
Der Hauptwirkstoff in Cannabis ist Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Wie genau der Stoff im Körper wirkt, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Sicher ist: THC dockt an die Cannabinoid-Rezeptoren des Menschen an und beeinflusst wie auch andere Drogen die Signalübertragung der Nerven. Das kann ein Gefühl von Heiterkeit, Gelassenheit und Euphorie auslösen. Hinzu kommt oft eine intensivere Sinneswahrnehmung.
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Das Risiko: Aus der anfänglichen Euphorie können Angst- und Panikgefühle werden – eine Steigerung bis hin zur Paranoia ist zumindest möglich. Nicht auszuschließen sind auch eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses und damit verbundene Filmrisse sowie Halluzinationen, Herzrasen, Übelkeit und Schwindel. Bei langfristigem Konsum sind schwere psychische, physische und soziale Folgen möglich. Wie häufig die einzelnen Nebenwirkungen auftreten, hängt von der jeweils konsumierenden Person und vom THC-Gehalt des Rauschmittels ab, pauschale Angaben sind kaum möglich.
Beim Einsatz von Cannabis als Medikament ist die Wirkung laut Christiane Neubaur, Geschäftsführerin bei Verband der Cannabis versorgenden Apotheken, eine andere als beim Freizeitkonsum. So sei die Signalübertragung der Nerven etwa bei Schmerzpatienten bereits gestört und werde durch den Konsum von Cannabis wieder normalisiert. Als Ergebnis werde die betroffene Person von ihren Schmerzen „abgeschirmt“.

Wird die Justiz durch die geplante Cannabis-Legalisierung entlastet?
Das Gesundheitsministerium hat Einsparungen von Justiz und Polizei in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr errechnet. Vor allem aus einem Grund: Legale Konsumentinnen und Konsumenten werden nicht mehr mit Strafverfahren überzogen, und auch der illegale Markt soll nach dem Bestreben der Regierung durch die Legalisierung von Marihuana und Haschisch zurückgedrängt werden.
Der Bund der Richter und Staatsanwälte (DRB) warnte jedoch, dass das „kleinteilige Gesetz“ zu einem „hohen behördlichen Kontrollaufwand“ sowie vielen „neuen Streitfragen“ führen würde, die dann auch vor Gericht landen.
Justizminister Buschmann widerspricht: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu einer Entlastung der Gerichte führen wird. Die geäußerte Skepsis des Richterbunds mag vielleicht auch daher rühren, dass man generell bei diesem Vorhaben politische Vorbehalte hat.“ Zugleich hob Buschmann hervor, dass sein Ministerium beobachten werde, wie sich das Gesetz in der Praxis bewähren werde. „Generell gilt: Wenn Menschen auf legale Weise Cannabis kaufen und konsumieren können, werden die Fälle weniger, die vor Gericht landen.“
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