Berlin. Die Grünen im Höhenflug, die FDP dagegen im Umfragetal: So läuft gerade zwischen FDP-Chef Lindner und dem grünen Vizekanzler Habeck.

Es ist eine kurze Szene, die viel über Christian Lindner und Robert Habeck erzählt: Nach der Schleswig-Holstein-Wahl wird der FDP-Chef gefragt, ob er dem Grünen den aktuellen Höhenflug gönne. „Aber sicher“, sagt Lindner. Schweigt kurz, denkt noch mal nach, fragt dann empört zurück: „Also, halten Sie uns für so klein?“ Er schüttelt genervt den Kopf.

Habeck-Fragen sind gerade keine Wohlfühlfragen für Lindner. Er setzt schließlich ein drittes Mal an, diesmal mit Humor: „Das heißt aber nicht, dass Robert Habeck bei Haushaltsverhandlungen Rabatt von mir bekommt. Die Sympathie und das Gönnen gehen nicht so weit, dass sich das niederschlägt in veränderten Eckpunkten für das Haushaltsjahr 2023.“

Lindner und Habeck, der liberale Finanzminister und der grüne Wirtschaftsminister, sind ziemlich beste Rivalen in einer Ampel-Koalition, die beide nicht auf dem Wunschzettel hatten. Sie duzen sich, sie bemühen sich um eine professionelle Form, innige Freundschaft aber sieht anders aus.

NRW-Wahl – die nächste Belastungsprobe für Lindner und Habeck

Die nächste Belastungsprobe steht an diesem Sonntag an, wenn NRW wählt. Zuletzt deutete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty an. Beide könnten am Ende wohl nur mit Hilfe der Grünen regieren – Habecks Partei liegt in den Umfragen bei 16 bis 18 Prozent. Lindners Liberale dagegen, die aktuell in der schwarz-gelben NRW-Regierung sitzen, liegen zehn Punkte dahinter und werden möglicherweise gar nicht gebraucht.

„Professionell. Mehr nicht“, sagt ein FDP-Mann, der Lindner schon lange begleitet, auf die Frage, wie das Verhältnis zwischen den beiden sei. Lindner finde es ungerecht, dass Habeck derzeit Punkte als Politikerklärer mache, als derjenige, der angeblich den richtigen Ton und die Gefühlslage der Deutschen in der Krise treffe. Schwadronieren“ nennen manche in der FDP Habecks Stil - aber sowas komme eben derzeit gut an. Andere zucken die Achseln: Es sei eben wie in einer Familie: Aufmerksamkeit bekomme derjenige, der am meisten Wirbel mache.

Habeck-Fans schätzen seinen bildhaften Stil – in der FDP sind viele genervt

Habeck-Fans dagegen fühlen sich wohl mit dem wortreichen, bildhaften Stil des Vizekanzlers. Als vor wenigen Tagen Lindner und Habeck im Park von Schloss Meseberg erklärten, warum die zweitägige Kabinettsklausur in Brandenburg eine gute Sache sei, erklärte Lindner trocken, man habe mal „strategisch denken“ können. Habecks Version klang eher nach philosophischem Symposium: „Es ging im Kern darum, die gegenwärtige Situation einmal größer zu denken und einzuordnen in das Gesamtszenario.“

Bei den Ampel-Verhandlungen hatte sich Lindner im Kampf um das Finanzministerium durchgesetzt und so ein Haus gewonnen, dass unter Olaf Scholz zu einem Machtzentrum der Bundesregierung geworden war. Habeck blieb nur das damals vergleichsweise leichtgewichtige Wirtschaftsministerium. Doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat ihn ins Zentrum der Aufmerksamkeit geschoben.

Habeck produziert seitdem überraschende Bilder: Der Grüne geht auf Energie-Einkaufstour in Katar, stellt sich vor die besorgten Bürger am Raffinerie-Standort Schwedt, mietet Flüssiggasschiffe. Seine persönlichen Umfragewerte sind gut, selbst von Wirtschaftsführern gibt es Lob für den grünen Minister. Bei der Wahl im Norden, wo die Grünen ein historisch gutes Ergebnis holten, sagten in Umfragen 69 Prozent der Befragten, dass Habeck eine „große Unterstützung“ für die Landespartei gewesen sei. Für Lindner lag der Anteil bei 30 Prozent.

Wie es so läuft zwischen ihnen beiden? „Läuft super“, sagt Habeck

Gerade Habeck, der Aufstieg und Absturz in der öffentlichen Wahrnehmung schon als Parteichef einmal durchgespielt hat, hat in guter Erinnerung, wie wankelmütig die öffentliche Meinung sein kann. Bei den Grünen versuchen sie im Moment zudem, die Koalition nicht unnötig zu belasten, indem sie den Partnern mit allzu guter Laune auf die Nerven fallen.

Hört man sich um in Habecks Haus, wie es gerade laufe zwischen ihm und Lindner, bekommt man eine diplomatische Antwort: Das Verhältnis sei gut und „sehr professionell“. Im Zweifel greifen die Minister selbst zum Hörer, wenn es etwas zu klären gibt. Außer in den Fällen, wo sie das nicht tun.

Habeck etwa ist durchaus bewusst, dass sein Kabinettskollege – anders als er – noch immer Parteichef ist und Umfragen und Stimmung an der Basis stärker mitbedenken muss bei seinen Entscheidungen. Doch unkommentiert will auch er nicht jedes Signal an die liberale Stammwählerschaft durchwinken. Zu Lindners ursprünglicher Idee vom Tankrabatt etwa ließ er etwa zur besten Sendezeit bei „Anne Will“ wissen, dass er sie für wenig klug hielt – es „erzählen eben alle grade so ein bisschen, was ihnen sinnvoll erscheint“.

Beim gemeinsamen Auftritt in Meseberg kam sie ebenfalls, die Frage an Lindner nach dem Beziehungsstatus zwischen ihm und Habeck. Lindner holte nach kurzem Zögern gerade aus, um die Frage zu beantworten, da grätschte Habeck dazwischen: „Läuft super.“

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