Berlin. Die Cum-Ex-Affäre lässt Olaf Scholz nicht los. Vor einem Untersuchungsausschuss steht er heute Rede und Antwort. Worum es geht.

Mit Olaf Scholz (SPD) kann man über vieles reden – nur nicht über den Cum-Ex-Skandal. Da wird sein Ton schneidend. Heute muss er. Der Kanzler steht einem Untersuchungsausschuss in Hamburg Rede und Antwort. Worum es geht, was für den Kanzler auf dem Spiel steht.

podcast-image

In der Sache geht es darum, ob Hamburg der Warburg Bank Steuern erlassen wollte, nicht zuletzt um ein politisches Sittengemälde in einer Stadt, in der die SPD eine dominant ist. Und für Scholz? Für den Kanzler geht es um seine Glaubwürdigkeit.

Cum-Ex-Geschäfte: Der Fiskus sollte ausgetrickst werden

Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Wertpapiere zwischen Partnern so oft hin und her geschoben, bis das Finanzamt den Überblick verlor und im Ergebnis die Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet wurde. Ein Trick, um den Staat zu betrügen. Und illegal, wie der Bundesgerichtshof im Juli 2021 klarstellte.

Wurde die Warburg Bank von der Hamburger Finanzverwaltung geschont? Der heutige Bürgermeister und damaliger Finanzsenator Peter Tschentscher beteuert, keinen Einfluss ausgeübt zu haben.
Wurde die Warburg Bank von der Hamburger Finanzverwaltung geschont? Der heutige Bürgermeister und damaliger Finanzsenator Peter Tschentscher beteuert, keinen Einfluss ausgeübt zu haben.

Die Geschäfte laufen eine Zeitlang gut, bis die Staatsanwaltschaft im Januar 2016 auf den Plan tritt und der Fiskus beginnt, eine Millionenrückforderung in Erwägung zu ziehen.

Scholz: Bank-Inhaber sprach bei ihm vor

Warburg-Inhaber Christian Olearius wandte sich an zwei Stadtgrößen: den damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und Ex-Innensenator Alfons Pawelczyk, zwei SPD-Strippenzieher. Wer, wenn nicht sie, kann Türen öffnen: zu Bürgermeister Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher, heute Regierungschef.

  • Olearius spricht mehrmals bei Scholz vor. In seinem Tagebuch notiert er allerdings, der Bürgermeister habe nichts versprochen.
  • Im November 2016 entscheidet die Finanzverwaltung, keine Steuern von Warburg zurückzufordern.
  • Ein Jahr später weist das Bundesfinanzministerium Hamburg an, nicht erneut auf eine Rückforderung zu verzichten.
  • Der damalige Steuerabteilungsleiter wird vorzeitig in den Ruhestand geschickt, nachdem Scholz in Berlin Finanzminister geworden war.
  • Ende 2020 zahlt die Bank die geforderten Millionen aus Cum-Ex-Geschäften an den Fiskus zurückplus Zinsen.
  • Mindestens vier Spenden der Warburg-Bank oder Tochterfirmen gehen allein im Entscheidungsjahr 2017 an die Hamburger SPD.

Das könnte Sie auch interessieren: Cum-Ex Woher hat SPD-Politiker 214.800 Euro im Schließfach?

Seit Oktober 2020 gingen Untersuchungsausschüsse der Affäre nach, zunächst in Hamburg, dann in Berlin. Die Staatsanwaltschaft lässt nicht locker, ermittelt – ausdrücklich nicht gegen Scholz – wegen des Verdachts der Begünstigung gegen mehrere Personen.

Cum-Ex-Ausschuss: Wurden Daten gelöscht?

Nach Berichten von NDR, „Stern“ und „Manager Magazin“ fiel den Ermitteln eine Mail vom April 2021 auf, die „auf Überlegungen zum Löschen von Daten schließen“. Im Raum steht der Verdacht, dass Informationen in dem Kalender von Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister fehlen oder sogar gelöscht wurden.

Seine Verteidigungslinie gegen den Vorwurf, hier sei eine Traditionsbank zu sanft behandelt worden, lautet: Die Sache sei allein auf dem Dienstweg entschieden worden. So argumentiert auch der heutige Bürgermeister Tschentscher.

Scholz kann sich an vieles nicht mehr erinnern

Die Geschichte ist für Scholz lästig wie ein Kaugummi, der am Schuh festklebt. Bei einer Befragung vor dem Bundestag hat er über 30 Mal wörtlich oder sinngemäß erklärt, er könne sich nicht erinnern.

Das wirkt nicht souverän, viele nehmen ihm die Erinnerungslücken nicht ab. Aber er wird wohl auch heute seine Linie durchziehen. Da ist legitim und legal. Seine Selbstkontrolle ist besser als seine Erinnerung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de