München/Brüssel. Die Versteigerung von Nazi-Devotionalien in München war international ein Riesen-Aufreger: Nun nimmt der Fall eine unerwartete Wendung.

Die Empörung war riesengroß: Adolf Hitlers Zylinder und andere Nazi-Devotionalien unter dem Hammer? So geschehen in der vergangenen Woche in München. 80 Jahre nach Ausbruch des vom Deutschen Reich entfachten Zweiten Weltkrieges stieß die öffentliche Versteigerung international auf harsche Kritik. Die Befürchtung: Rechtsextreme könnten die NS-Andenken erwerben und für Propaganda-Zwecke missbrauchen.

Doch nun nimmt der Fall eine unerwartete Wendung: Nicht Hitler-Fans sind zum Zuge gekommen. Der libanesische Geschäftsmann Abdallah Chatila hat einen Großteil der NS-Andenken gekauft – für insgesamt 600.000 Euro. Um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Hitlers Zylinder geht an eine jüdische Stiftung in Israel

Die European Jewish Organisation (EJA), ein Dachverband jüdischer Organisationen, dankte Chatila am Sonntagabend. Der Geschäftsmann habe in München verschiedene Nazi-Devotionalien ersteigert – darunter den Zylinder von Adolf Hitler, teilte die EJA in Brüssel mit. Chatila wolle die Stücke nun einer Stiftung in Israel zur Verwahrung übergeben.

EJA-Vorstand Menachem Margolin erklärte, Chatila habe der ganzen Welt ein nachahmenswertes Beispiel geliefert, als er sich in den „makaberen und widerlichen Handel von Nazi-Devotionalien“ eingemischt habe. Die EJA habe den Geschäftsmann für Ende Januar nach Auschwitz eingeladen. Dort soll ihm während einer Delegationsreise von rund 100 EU-Parlamentariern eine Auszeichnung für seinen großen „Akt der Güte“ gegenüber den Hunderten jüdischen Gemeinden Europas verliehen werden.

Antisemitismus-Beauftragter nennt Auktion „widerwärtig“

Bernhard Pacher, Geschäftsführer des Auktionshauses Hermann Historica in Grasbrunn (Landkreis München), hatte vor der Versteigerung verkündet: „Da sind keine Nazis dabei.“ Laut Website des Auktionshauses durften die ersteigerten Gegenstände nur zur Lehre, Forschung, Kunst und Wissenschaft verwendet werden. Dabei wurde auf Paragraf 86, Absatz 3 des Strafgesetzbuches verwiesen.

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Aus der Politik kam gleichwohl scharfe Kritik. Die Versteigerung von Nazi-Devotionalien sei „widerwärtig“, sagte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, unserer Redaktion. „Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlost. Es wird so getan, als ob mit ganz normalen historischen Kunstgegenständen gehandelt würde.“

Soll der Verfassungsschutz solche Versteigerungen beobachten?

1933: Adolf Hitler mit Zylinder auf dem Schoß. Reichspräsident Paul von Hindenburg (Mitte), er ernannte Hitler 1933 zum Reichskanzler, neben ihm Reichsminister Hermann Göring, der für die Gründung der Gestapo und die ersten Konzentrationslager verantwortlich war.
1933: Adolf Hitler mit Zylinder auf dem Schoß. Reichspräsident Paul von Hindenburg (Mitte), er ernannte Hitler 1933 zum Reichskanzler, neben ihm Reichsminister Hermann Göring, der für die Gründung der Gestapo und die ersten Konzentrationslager verantwortlich war. © imago stock&people | imago stock

Felix Klein ging noch weiter. „Versteigerungen wie diese bereiten den Boden für Äußerungen, die den Holocaust relativieren. Hier wird wieder einmal eine rote Linie überschritten.“ Er forderte: „Der Verfassungsschutz sollte solche Auktionen beobachten.“ Der Geheimdienst müsse wissen, wer solche Gegenstände kaufe und wo sie hingingen. „Es besteht die Gefahr, dass Nazi-Devotionalien zu Kult-Gegenständen werden.“ Daraus könnten schnell „Wallfahrtsorte für Neonazis“ werden.

Man könne derartige Versteigerungen rechtlich nicht verbieten, sagte Klein. Aber sie sollten gesellschaftlich geächtet werden. „Die Verantwortlichen des Auktionshauses Hermann Historica, das bereits in der Vergangenheit wegen der Versteigerung von Nazi-Devotionalien in die Schlagzeilen geraten ist, sollten sich über negative Berichterstattung und scharfe Kritik nicht wundern.“

Beschimpfungen gegen Geschäftsführer des Auktionshauses

Auch die European Jewish Association hatte das Auktionshaus gerügt. „Mit einigen Dingen sollte man einfach keinen Handel treiben“, hatte EJA-Vorstand Menachem Margolin in einem Brief an das Auktionshaus geschrieben. Er hatte eine Absage der Versteigerung verlangt. „Dies ist kein juristischer Appell, aber ein moralischer. Was Sie tun, ist nicht verboten, aber es ist falsch“, schrieb er.

Geschäftsführer Pacher beklagte sich über den Protest aus Brüssel. Seit der Berichterstattung über den Brief habe er mit zahlreichen E-Mails zu kämpfen, in denen er wüst beschimpft werde. (max/bac/cro/epd)