Auszug aus einem Buch über das Eichsfeld: Der Landkreis kann einige kuriose Straßennamen vorweisen, zum Beispiel Schluff und Kullertreppe.
„Sie sind schon ein ganz besonderes Völkchen, diese Eichsfelder…“
So steht es im Buch „Eichsfeld – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ von Silvana Tismer und Mirko Krüger. Es ist die erweiterte Neuauflage von „Das Eichsfeld für Klugscheißer“ (2018) und enthält auf 120 Seiten alles Wissenswertes über den bergigen Landkreis zwischen Werra und Hahle.
In der Reihe „Eichsfeld-Fakten“ lesen Sie Auszüge aus dem Buch. Zum Beispiel darüber, dass hier viele Straßen wirklich skurrile Namen tragen.
Straßennamen im Eichsfeld: Wer nach Bethlehem will, muss nicht nach Israel fliegen
Es reicht das Dörfchen Kirchgandern. Und die Bewohner verziehen keine Miene, wenn sie gefragt werden, wo sie wohnen und sie todernst antworten: „In Bethlehem.“
Namenskundler und Historiker erklären diesen Straßennamen mit einer Allegorie auf die Geburtsstunde Jesu. Bekanntlich gab es für Maria und Josef keine Herberge, so dass das Christuskind in einem armseligen Stall zu Bethlehem zur Welt kommen musste. Und das haben wohl früher die Kirchgänder als Metapher für die Ansiedlung der armen Tagelöhner und kleinen Leute genommen, die dort rund um diese heutige Straße wohnten.
Eine Adresse im Eichsfeld, an die man sich gewöhnen muss
Das Sträßchen Fegesack mitten im gleichen Dorf ist auch eine Adresse, an die man sich erst gewöhnen muss. Ein Fegesack, so wissen Experten, ist eigentlich ein kleiner Sack, eine Tasche. Und der Wortbestandteil Fege hat nichts mit dem Straßenfegen zu tun, sondern hat seinen Ursprung im Mittelhochdeutschen. Dort kommt es als Voghe oder Vöghe vor und bedeutet nichts anderes als klein. Und klein ist das Sträßchen, mit einem etwas längeren Auto muss man zwei Mal ansetzen, um die Kurve zu kriegen. Lkw passen gar nicht durch.
Unweit vom Fegesack geht es in den Schluff. Nahe der Kirche befindet sich der älteste Teil Kirchganderns, das auch schon seine 900 Jahre auf dem Buckel hat. Aus Schluff, einem feinkörnigen Sediment zwischen Sand und Lehm, bestand die Straße rund um die Kirche. Fertig war die Laube bei der lästigen Suche nach einem Straßennamen. In älteren Nachschlagewerken findet man manchmal die Bemerkung, Schluff stehe auch mundartlich für holperige Straße.
Straße im Eichsfeld: Wie kommt man zur Kullertreppe?
Um zur Kullertreppe zu kommen, muss man nun von Kirchgandern quer durch den Landkreis in eine Stadt reisen, nach Worbis. Dort, in der Innenstadt, findet man eine steile Gasse, die diesen Namen trägt. Den hat sie aber noch nicht lange offiziell. Früher, so wissen die Worbiser Historiker, war das Gässchen genauso steil wie heute, aber hatte keine Treppen. Wer da todesmutig langwollte, vor allem bei Schnee und Regen, hatte sehr gute Chancen, den Berg nicht hinab zu laufen, sondern zu kullern.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts begann dieser Berg auch nicht an der Bahnhofsstraße, sondern setzte sich vom Klien hoch oben bis hinunter in die Stadt fort. Die Kinder sausten so gefühlt eine halbe Ewigkeit mit ihren Schlitten hinunter. Später kamen die Treppenstufen, um das Risiko des Kullerns zu entschärfen. Fertig war die volksmundliche Kullertreppe. Sie hieß aber offiziell Bergstraße.
Im Eichsfeld hatte man eine Bergstraße zu viel
Als im Zuge der Einheit der Städte Leinefelde und Worbis samt ihrer Ortsteile der durchaus vernünftige Beschluss kam, jeden Straßennamen soll es nur einmal in der Einheitsstadt geben, hatte man plötzlich eine Bergstraße zu viel. Eine musste weichen. Und da in Leinefelde mehr Leute in ihrer Bergstraße wohnen als in Worbis, wurde aus der inoffiziellen Kullertreppe eine offizielle. Aber die Gefahr ist noch lange nicht gebannt. Wenn man etwas zu tief ins Glas geschaut hat, dann ist die Chance immer noch durchaus gegeben, die Kullertreppe wörtlich zu nehmen.
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