Tambach-Dietharz. Regionalbischof Stawenow weihte am dritten Advent die neue Christusglocke für Tambach-Dietharz.

Der Regionalbischof des Propstsprengels Eisenach-Erfurt, Christian Stawenow, redete bei der Glockenweihe nicht drumherum. Dass die alte Christusglocke der Tambach-Dietharzer Bergkirche durch eine neue ersetzt wurde, führte in der Kirchengemeinde zum Streit. Der Probst hätte sich gewünscht, jene, die dagegen waren, stünden mit ihrem Protest vor dem Gotteshaus. Dann nämlich hätte er sie hereinbeten können, um mit ihnen zu reden. So war es allein Klaus-Peter Fischer, der unverdrossen Handzettel verteilte, auf denen er gegen die aus seiner Sicht Bilderstürmerei wetterte. Für ihn hat die Inschrift der Glocke rein gar nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun.

Diese Glocke wurde 1936 geweiht. Ein Hakenkreuz sucht man darauf vergeblich. Doch der Satz „In Treue zum Christus der Deutschen“ verweist eindeutig auf den Geist, in dem diese Glocke gegossen wurde. Zumal hier auch ein Bibelspruch unvollständig wiedergeben ist: Kommet her zu mir, ich will euch erquicken. Hier fehlt, was im Matthäus-Evangelium ausdrücklich angesprochen wird: nämlich die Mühseligen und Beladenen.

Im Rückblick zeigt sich die Bedeutung

Diese Glockentexte bekommen besondere Bedeutung, wenn man ins Jahr 1939 blickt. Denn hier gründete sich in jenem Mai im gar nicht so weit entfernten Eisenach das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“. Dort mühten sich evangelische Theologen, aus dem Juden Jesus einen Arier zu machen, deuten Christus um in einen deutschen Heilsbringer, was ausdrücklich andere ausschließt. Nicht alle, jedoch viel zu viele evangelische Christen, besonders die in Thüringen aktiven Deutschen Christen, sahen in Adolf Hitler ihren Messias. Und das alles nimmt die alte Christusglocke der Bergkirche mit ihren Texten vorweg, machte Christian Stawenow in seiner Predigt deutlich.

In der Bergkirche hing eine von insgesamt fünf Glocken in Thüringen, die einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus haben. Die Tambach-Dietharzer Kirchengemeinde ist die erste im Freistaat, die sie ersetzt hat. Am dritten Advent wurde die neue Christusglocke geweiht. Auf ihr ist nun der vollständige Spruch aus dem Matthäus-Evangelium zu lesen. Und sie schmückt ein Band, das Menschen zeigt, die sich bei der Hand halten, junge und alte, große und kleine und auch hilfsbedürftige Menschen. Damit will Baureferentin Susann Hildebrandt von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland, von der die Gestaltung der Glocke stammt, deutlich machen: Christus ist für alle da.

Im Januar wird die neue, 250 Kilogramm schwere Glocke aufgezogen. Die alte, seit April nicht mehr geläutet, ist längst abgenommen und steht am Eingang der Ausstellung im Eisenacher Lutherhaus, die die unrühmliche Geschichte des „Entjudungsinstituts“ erzählt. So sind beide Glocken auf ihre Weise ein Mahnmal.

Der Kirchengemeinde kostete die neue Glocke nichts, wie Pfarrer Lars Reinhardt betont. Die rund 12.000 Euro, die dafür aufgewandt werden mussten, kamen zu gleichen Teilen vom Kirchenkreis und der Landeskirche. „Nur weil es sich um eine kleine Anzahl von Glocken mit dieser Problematik handelt, konnte uns die Kirche so schnell und vor allem kostendeckend das Geld zur Verfügung stellen“, so der Pfarrer. Die Kirchengemeinde hätte das nicht stemmen können.