Wien. Frack und festliche Roben, Orden und viel Etikette. Ist der Wiener Opernball glänzend oder gestrig? Die 64. Ausgabe war wie stets ein rauschendes Fest - mit manch ungewohnten Akzenten.

Ein Küsschen für den Gastgeber, ein Küsschen für seinen Gast. Schauspielerin Ornella Muti und Richard "Mörtel" Lugner lieferten als Tanzpaar auf dem Parkett des Wiener Opernballs eine perfekte Show für die rund ein Dutzend beobachtenden Kameras.

"Mit den Italienerinnen - die waren alle toll", sagte der 87-Jährige am Donnerstagabend strahlend und erinnerte sich dabei auch an frühere Opernball-Begleiterinnen wie Sophia Loren oder Model Elisabetta Canalis. Zwar hatte das minutenlange Drehen wenig mit einem Walzer gemein, aber auch Muti fühlte sich wohl in ihrer Rolle. "Es ist wirklich ein Zauber, ein Märchen, ich habe Gänsehaut gehabt", sagte sie über ihren Eindruck von der Pracht vor allem der Eröffnung des Balls mit seinen 5000 Gästen.

Der Auftakt hatte bei der 64. Ausgabe des eher konservativ ausgelegten Staatsopernballs auch ein Ausrufezeichen parat. Unter den 144 Debütanten-Paaren war mit der 21 Jahre alten Sophie Grau und der 22-jährigen Iris Klopfer aus Baden-Württemberg erstmals ein gleichgeschlechtliches Tanzpaar - im Frack und weißem Kleid. Die beiden Freundinnen sehen sich als Teil der LSBTQ-Gemeinschaft (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Queer) und waren begeistert. "Ich persönlich gehe übelst gern auf Bälle. Der Opernball ist einfach der Ball der Bälle - eine Traumkulisse", sagte Klopfer im ORF. Tanzpartnerin Grau pflichtet bei: "Es ist wirklich nicht zu übertreffen." Auch Männer tanzten miteinander Walzer.

Das Event, auf dem die Herren gerne ihre Orden zur Schau tragen, steht möglicherweise vor einem gewissen Umbruch. Staatsoperndirektor Dominique Meyer wechselt an die Mailänder Scala und macht den Platz frei für den 55-jährigen Musikmanager Bogdan Roscic. Auch die bisherige Organisatorin Maria Großbauer scheidet aus. Zeit für neuen Schwung, hieß es bei manchen Medien in Österreich. "Wozu das Ganze überhaupt noch? Reality- und Satireshows gibt's ja mittlerweile genügend im Fernsehen", stellt der Kommentator der Wiener Zeitung "Kurier" etwas despektierlich fest.

An neue Konzepte dachte an diesem Abend aber wohl keiner der Gäste. Zu ihnen gehörten unter anderem der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel, Hollywood-Muskelprotz Ralf Moeller ("Gladiator") und RTL-Moderatorin Katja Burkard. Die 54-Jährige hatte sich beim Skifahren in Kitzbühel die Schulter gebrochen, wollte sich davon aber den Abend nicht verderben lassen. "Wenn ich zu Hause auf dem Sofa liege, würde es auch nicht schneller heilen", sagte die 54-Jährige im TV-Sender "OE24". Dank Schmerztabletten und einer stützenden Armschlinge über dem Abendkleid hielt sie durch.

Muti, vor allem mit Komödien in den 1980er Jahren an der Seite von Adriano Celentano populär geworden, trug ein ebenso elegantes wie schlichtes schwarzes Kleid mit langen Ärmeln, wenig Spitze und einer Schleife auf der Schulter. "Ich hoffe, dass ich Fun (Spaß) habe", sagte Muti kurz vor der Eröffnung. Die 64-Jährige war nach Absagen von zwei anderen Frauen kurzfristig eingesprungen. Lugner bezahlt seiner Begleitung eine Summe in unbekannter Höhe. Ursprünglich hatte er Ex-Skirennläuferin Lindsey Vonn verpflichtet. Sie sagte aber ebenso ab wie eine zweite, namentlich nicht bekannte Kandidatin.

Im Gegensatz zu früheren Opernbällen war Österreichs Regierungsspitze nicht vertreten. Kanzler Sebastian Kurz weilte beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Vizekanzler Werner Kogler entschuldigte sich krankheitshalber. Der Grünen-Chef hatte nach eigenen Worten ohnehin keine große Lust auf den Ball. Das Interesse am Bildschirm war aber enorm. Nach ORF-Angaben vom Freitag verfolgten bis zu 1,5 Millionen Zuschauer das Geschehen. Die Eröffnung brachte es in Österreich auf einen Marktanteil von 49 Prozent. Auch in Deutschland schauten laut ORF Hunderttausende zu.

Der Ball mit seinen strengen Konventionen gilt als gesellschaftlicher Höhepunkt in Österreich. Für das Event wird die Staatsoper binnen 30 Stunden in einen riesigen Tanzsaal umgebaut. Die Tickets für das stets ausverkaufte Ereignis kosten zwischen 315 Euro und bis zu 23 600 Euro für eine der besonders begehrten Logen. Die Staatsoper macht nach Abzug aller Kosten einen Gewinn von mehr als einer Million Euro. Für 2021 hat Lugner bereits wieder große Pläne. "Ich habe eine ganz Tolle an der Angel", verriet der noch recht rüstige Inhaber eines Einkaufszentrums in Wien. "Das wäre der Hammer."