Berlin/Frankfurt. Nach wochenlanger Schließung dürfen Filmtheater an einigen Orten wieder öffnen. Eigentlich eine gute Nachricht, doch manche Betreiber fühlen sich überrumpelt. Eine Frage ist: Was sollen sie zeigen?

Wer nach Feierabend gerne ins Kino geht, hat schon seit Wochen Pech. Die Filmtheater in Deutschland sind wegen der Pandemie geschlossen worden, wie viele andere Kultureinrichtungen auch. Die Popcorn-Maschinen stehen still und die Leinwände bleiben schwarz. Nun wollen einige Bundesländer den Kinobesuch wieder erlauben, wenn Hygieneregeln eingehalten werden.

"Das Gute ist, dass man über die Öffnung von Kinos spricht", sagt Christian Bräuer von der AG Kino. Der Berliner Verband vertritt bundesweit rund 370 Programmkinos. Die Situation, wie sie sich jetzt darstelle, sei aber "suboptimal". Denn jedes Bundesland setze selbst Öffnungstermine und Regeln fest.

In Berlin und Bayern zum Beispiel bleiben Kinos vorerst zu. In Nordrhein-Westfalen sollen sie Ende Mai öffnen dürfen, in Sachsen am Freitag, in Schleswig-Holstein kommende Woche.

In Hessen dürfen Kinos bereits seit einigen Tagen aufmachen, unter Voraussetzungen: Menschen müssen anderthalb Meter Abstand halten, im Saal ist rechnerisch pro fünf Quadratmeter Fläche eine sitzende Person erlaubt und es muss Teilnehmerlisten geben.

Am ersten Wochenende haben dort nach Einschätzung des Film- und Kinobüros Hessen nur sehr wenige Betreiber die Chance zur Öffnung genutzt. Auch Christopher Bausch lässt seine zwei Frankfurter Kinos vorerst zu. "Wir waren alle sehr überrascht von der Nachricht", sagt er. Sie hätten lange auf ein Signal zur Öffnung gewartet. Mit den jetzigen Auflagen aber sei de facto keine Öffnung möglich, findet er.

Mit 1,5 Metern Sicherheitsabstand hätte etwa 20 bis 30 Prozent der Kapazitäten belegen können, sagt Bausch. Mit der in Hessen zusätzlich geltenden Quadratmeterregelung komme er auf eine noch geringere Auslastung. Das mache wirtschaftlich wenig Sinn. Zudem hätte er sich einen einheitlichen Starttermin für alle deutschen Kinos gewünscht.

Denn mit dem Kino ist es ein wenig wie mit einer Fabrik: Das Geschäft läuft nur, wenn auch die nötigen Teile zugeliefert werden. Und im Kino sind das Filme. Etliche Filmstarts wurden allerdings um Monate verschoben. Das neue James-Bond-Abenteuer "No Time To Die" zum Beispiel soll nun erst im November anlaufen.

Die Kinos aber brauchen neue Filme. Und für Verleiher lohnt ein Kinostart oft nur, wenn viele Häuser offen sind. "Niemand bringt einen Film heraus, wenn man nur ein Drittel des Bundesgebiets bespielen kann", sagt Verbandschef Bräuer der dpa. Außerdem fehlten die internationalen Märkte. Er wünscht sich genug Vorlauf, um mit Verleihern zu sprechen, und plädiert für einen Kinostart Anfang Juli.

Auch der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino) fordert einen einheitlichen Start. Die Kulturminister von Bund und Ländern haben am Dienstagabend über eine gemeinsame Position zur Öffnung von Kinos und Theatern beraten. Der HDF schlägt den 4. Juni vor. "Man braucht eine Planbarkeit", sagt HDF-Vorstand Christine Berg. Es brauche außerdem ein einheitliches Hygienekonzept. Es gebe etwa in Hessen bei den Betreibern noch viele Fragen zur Umsetzung.

Mitte März hatten viele Kinos schließen müssen, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verhindern. Die Verbände warnten vor einem Kinosterben und forderten Unterstützung. "Finanziell ist das ein schwerer Ritt", sagte Berg. Manche hätten aus Not ein Autokino eröffnet, müssten nun in Hygienekonzepte investieren und Einbußen bei Einnahmen hinnehmen, sollten Säle nicht voll besetzt werden. Sie fürchte, dass einige Kinos auch dann in die Knie gehen könnten, wenn sie wieder öffnen dürften.

Aus Bräuers Sicht sind die Voraussetzungen im Kino andere als etwa in einer Bar: Man schaue in eine Richtung, unterhalte sich nicht, Besucher könnten auch mit Markierungen gelenkt werden. Er plädiert für eine strenge Kontaktverfolgung und hohe Hygienestandards, also etwa größere Reinigungen zwischen den Vorstellungen. Kinobetreiber Bausch sieht das ähnlich. Als Besucher werde man sich auch darauf einstellen müssen, dass man mehr Zeit mitbringen müsse.

Aus Bräuers Sicht gibt es spannende Filme, die fertig in der Schublade liegen. Kurz vor dem Lockdown liefen auf der Berlinale noch zwei deutsche Produktionen: Zum einen Christian Petzolds "Undine" mit den Schauspielern Paula Beer und Franz Rogowski. Und zum anderen eine Neuverfilmung des Romans "Berlin Alexanderplatz" von Regisseur Burhan Qurbani - die Literaturverfilmung soll nach einer Verschiebung laut derzeitiger Planung nun am 25. Juni anlaufen.

Mit diesen beiden Filmen, dem neuen Film "Tenet" von Christopher Nolan und der Disney-Neuverfilmung von "Mulan" - "damit kann man einen starken Sommer hinbekommen", sagt Bräuer. Er sorgt sich auch um die Vielfalt im Kino. Wenn man viele Plätze im Saal freilassen müsse, könne das dazu führen, dass Kinos einen beliebten Film auf mehreren Leinwänden spielen. Also gleich mehrfach parallel "James Bond". "Die Frage ist dann: Wie viel Vielfalt wird noch stattfinden?"