Berlin. Ist die Bankkarte verschwunden, lassen viele Verbraucher sie per Anruf sperren. Doch das allein schützt nicht vor Missbrauch der Karte.

In Corona-Zeiten zahlen immer mehr Leute mit Karte im Geschäft statt mit Bargeld. Was aber ist, wenn die Karte verloren geht? Mit der Sperre der Girocard (früher EC-Karte) bei der Bank ist es dann nicht getan: Es sollte auch Anzeige bei der Polizei erstattet werden – um das sogenannte Kuno-System zu aktivieren und die Karte für das Bezahlen mit Unterschrift zu sperren. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes appelliert an die Kartenbesitzer, das schon länger bestehende – aber wenig bekannte – System zum Schutz vor Betrügern zu nutzen.

Dass die Präventionsexperten dies gerade jetzt machen, hat mit der Corona-Pandemie zu tun: Mehr als 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zücken mittlerweile die Karte für Lebensmitteleinkäufe, wie eine Umfrage der ING-Bank ergab. Selbst den Kaffee zwischendurch oder die Taxifahrt bezahlen rund 50 Prozent der unter 35-Jährigen und rund ein Fünftel (20 Prozent) der älteren Kunden meist bargeldlos. Viele der früheren Bargeldzahler kennen sich mit dem Kartensperren mangels Erfahrung nicht aus.

Was ist beim Kartenverlust zu tun?

Wird eine Bezahlkarte gestohlen oder geht sie verloren, sollte sie schnellstens gesperrt werden. Denn erst ab dem Moment der Sperre erstatten Banken oder Sparkassen unberechtigte Abbuchungen, sofern der Karteninhaber nicht grob fahrlässig gehandelt hat, wie die von der Kreditwirtschaft getragene Euro Kartensysteme GmbH erläutert. Grobe Fahrlässigkeit kann etwa vorliegen, wenn die Geheimzahl (PIN) zusammen mit der Karte aufbewahrt wird.

Eine Kartensperre lässt sich bei der eigenen Bank veranlassen oder – für alle Girocards und die meisten Kreditkarten – über den Sperr-Notruf 116 116 kostenlos und rund um die Uhr. Vom Ausland aus sollte die +49 30 4050 4050 gewählt werden, falls die Verbindung zur 116 116 nicht zustande kommt.

Es gibt auch eine Sperr-App 116 116 (kostenlos für iOS und Android). Laut dem Verein Sperr-Notruf kann die Girocard in der App „verschlüsselt“ hinterlegt werden, um die Daten bei Bedarf direkt an die Sperrstelle weiterzuleiten.

Wieso zur Polizei gehen?

Die Sperre der Girocard bei der Bank bewirkt, dass die Karte für Bezahlvorgänge mit Eingabe der PIN nicht mehr genommen werden kann. Möglich aber bleibt es, dass ein Dieb oder unehrliche Finder die Karte für das Bezahlen mit Unterschrift missbraucht – denn die kann leicht gefälscht werden auf dem Kassenbon oder einem elektronischen Unterschriftenfeld. Das Problem ist: Mit der vorgetäuschten Unterschrift löst der Kriminelle eine Lastschrift (Einzugsermächtigung) auf dem Konto des rechtmäßigen Karteninhabers aus.

Deshalb sollte die Girocard auch für das Bezahlen mit Unterschrift gesperrt werden, rät die Polizeiliche Kriminalprävention in einer aktuellen Mitteilung. Für diese Sperre haben die Polizei und der Handelsverband Deutschland (HDE) den Kuno-Sperrdienst eingerichtet. Die Abkürzung „Kuno“ steht für „Kriminalitätsbekämpfung im unbaren Zahlungsverkehr unter Nutzung nichtpolizeilicher Organisationsstrukturen“.

Wie läuft das genau ab?

Nach der Anzeige des Kartenverlusts bei der Polizei wird die Karte dem Kuno-Sperrdienst gemeldet, der wiederum die teilnehmenden Einzelhandelsgeschäfte über die Sperre informiert. Dort kann die Annahme der Karte für das Bezahlen mit Unterschrift dann verweigert werden. „Karteninhaber sollten in jedem Fall bei einem Diebstahl ihrer Karte zur Polizei gehen. Im Falle einer gemeldeten Girocard wird dann auch eine Kuno-Meldung ausgelöst“, so Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter Zahlungsverkehr beim HDE.

Wieso zwei Sperrverfahren?

Das liegt an unterschiedlichen Zahlungssystemen. Nutzt ein Händler ein System mit PIN, also Geheimzahl, wird das Konto des Karteninhabers vor dem Bezahlen in Echtzeit auf den verfügbaren Geldbetrag überprüft. Bei positiver Rückmeldung durch die Bank werde dann die Übertragung des Betrags meist zum Geschäftsschluss veranlasst, erläutert HDE-Experte Binnebößel. Eine Unterschrift des Karteninhabers sei dafür nicht nötig. Im Unterschied dazu werde die Zahlung beim System mit Unterschrift durch den Händler angestoßen, „indem er aus der Girocard die IBAN ausliest, eine Lastschrift erstellt und bei seiner Bank einreicht“, so Binnebößel. Ein unterschriebenes Lastschriftmandat liege dabei in der Regel vor.

Wann PIN, wann Unterschrift?

Es ist Sache des Händlers, ob er eine PIN-Eingabe oder die Unterschrift an der Kasse verlangt. Es kann auch sein, dass ein Kunde in einem Geschäft abwechselnd nach PIN oder Unterschrift gefragt wird. Laut Handelsforschungsinstitut EHI werden gut 42 Prozent des Umsatzes im stationären Handel via Girocard und PIN abgewickelt. Der Anteil der Umsätze mit Unterschrift gibt das Institut mit sechs bis sieben Prozent an. Mit einer Kredit- oder Debitkarte von Mastercard oder Visa kann eine Lastschriftzahlung dem HDE zufolge nicht initiiert werden. Deshalb ist eine Kuno-Sperre bei diesen Karten nicht erforderlich.

Was gilt fürs kontaktlose Bezahlen?

Giro- und Kreditkarten mit Funkchip können die Kundinnen und Kunden an die Kontaktstelle des Kassenterminals halten und auf diese Weise bezahlen. Die schnelle Sperre einer verschwundenen Karte ist besonders wichtig, weil für das Bezahlen von Beträgen bis 50 Euro in der Regel weder die PIN eingegeben noch eine Unterschrift geleistet werden muss.

Bei Beträgen unter 50 Euro wird meist nur dann nach der PIN oder Unterschrift gefragt, wenn mit der Karte mehrmals nacheinander kontaktlos bezahlt wurde. Je nach Finanzdienstleister kann dies nach dem dritten oder fünften Bezahlvorgang oder auch bei Erreichen einer kontaktlos bezahlten Gesamtsumme von 150 Euro der Fall sein.