Berlin. Haushalte mit Fernwärme können die Wärmeleistung neuerdings reduzieren – und so ihren Grundpreis drücken.

Die Heizkosten steigen und steigen, ohne dass die Verbraucherinnen und Verbraucher viel dagegen machen können. Nur für die etwa sechs Millionen Haushalte, die mit Fernwärme heizen, hat sich überraschend eine Sparchance aufgetan: Sie können die sogenannte Wärmeleistung neuerdings bis auf die Hälfte reduzieren und so ihren Grundpreis drücken. Doch dabei ist Vorsicht angebracht – um an kalten Tagen nicht zu frieren.

Fernwärme hat den Vorteil, dass kein Platz für eine Heizanlage im Haus benötigt wird und kein Brennstoff gelagert werden muss. Immer mehr Anbieter erzeugen die Energie klimafreundlich, etwa mit Kraft-Wärme-Kopplung oder der Nutzung ohnehin anfallender Wärme aus der Industrie. Einen Nachteil aber gibt es: Wer Fernwärme bezieht, ist an den Versorger gebunden, der mit seinem Wärmenetz ein lokales Monopol innehat.

Zu einem preisgünstigeren Konkurrenten wechseln, wie das bei einer Gas- oder Ölheizung möglich ist, können die Kunden nicht. Etwa jede siebte Wohnung in Deutschland wird mit Fernwärme beheizt. Schwerpunkte liegen in dicht besiedelten Gebieten wie den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie in Nordrhein-Westfalen, aber auch in den ostdeutschen Bundesländern.

Absenken der Wärmeleistung um die Hälfte in vielen Haushalten realistisch

Durch eine Verordnungsänderung, die vom Gesetzgeber weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und Lobbyverbänden beschlossen wurde, haben die Haushalte nun eine neue Option in der Hand: Sie können vom Versorger verlangen, dass er die vereinbarte Wärmeleistung einmal im Jahr um bis zu 50 Prozent anpasst, also auf Wunsch auch absenkt. Das ist finanziell interessant, weil die Höhe des zu zahlenden Grundpreises meist von der Wärmeleistung – die auch als Anschlussleistung bezeichnet wird – abhängt.

Wie kann ich sparen? Um nicht unnötig Geld auszugeben, sollte die Wärmeleistung (in Kilowatt, kW) zwar so hoch sein, dass die Räume im Haus auch an den kältesten Tagen im Jahr ausreichend warm werden. Darüberliegen sollte sie aber nicht. „Vielen Eigentümern ist nicht bewusst, dass bei ihnen eine Überdimensionierung vorliegen kann“, sagt Christina Wallraf, Referentin Energiemarkt der Verbraucherzen­trale Nordrhein-Westfalen.

Beim Bund der Energieverbraucher heißt es dazu: „Wir haben eine Unmenge Anfragen von Betroffenen, bei denen man auf den ersten Blick in den Vertrag Zweifel an der Angemessenheit der Anschlussleistung hat.“ Nach Einschätzung des Verbraucherverbands ist eine Reduzierung des Wertes um bis zu 50 Prozent in vielen Fällen realistisch.

Beispielrechnung: So viel können Fernwärmekunden sparen

Ein Beispiel: Bei Absenkung einer überhöhten Leistung um 50 Prozent spart der Haushalt auf einen Schlag 12,5 Prozent seiner Heizkosten ein, wenn der fixe Grundpreis 25 Prozent und der verbrauchsabhängige Arbeitspreis 75 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Ein 25-prozentiger Grundpreis-Anteil entspricht den Verbraucherzentralen zufolge dem bundesweiten Durchschnitt, bei erheblichen Unterschieden nach oben und unten je nach Versorgungsgebiet.

Aber Achtung: Verbraucherschützerin Wallraf warnt davor, die Wärmeleistung jetzt ohne vorherige Überprüfung zu verringern – weil es dann möglicherweise kalt werden könnte im Winter daheim. Wer den Eindruck hat, dass er zu viel bezahlt, sollte zunächst einen Energieberater oder Heizungsfachmann fragen, ob Sparpotenzial besteht.

„Vor allem Leute, die in die Dämmung ihres Hauses investierten oder neue Fenster haben, ohne dass die Wärmeleistung danach abgesenkt wurde, sollten das überprüfen lassen. Auch wenn die Kinder aus dem Haus sind und Räume nicht mehr geheizt werden oder es sonst einen Leerstand gibt, ist dies ratsam“, so die Expertin. Berücksichtigt werden müsse bei der Festlegung der Wärmeleistung auch, ob die Warmwasserbereitung über Fernwärme erfolgt.

Mieter haben weniger Spielraum als Eigenheimbesitzer

Für eine grobe Orientierung empfiehlt die Verbraucherzentrale einen im Internet einsehbaren Leitfaden des Fernwärme-Anbieters Mainova. Demnach besteht Beratungsbedarf spätestens dann, wenn der Wert für die sogenannten Vollbenutzungsstunden (Jahresverbrauch in kWh dividiert durch die Anschlussleistung) unter 800 sinkt. „Das ist noch anbieterfreundlich gerechnet, nach unserer Auffassung können die Kunden auch früher schon sparen“, sagt Verbraucherschützerin Wallraf.

Und wenn ich Mieter bin? Mieter können die Höhe der Wärmeleistung meist nicht selbst beeinflussen. Sie können beim Vermieter aber nach der mit dem Versorger vereinbarten Leistung fragen und ihn darauf hinweisen, dass er laut Gesetz (§ 556 BGB) bei der Abrechnung der Betriebskosten das „Gebot der Wirtschaftlichkeit“ beachten muss.

Laut Berliner Mieter-Gemeinschaft stehen dieses Gebot und die Höhe der Kosten aber „in recht lockerer Beziehung“. So sei strittig, ob Mieter um 20 Prozent überhöhte Kosten hinnehmen müssten. Die Verbraucherzentrale gibt zu bedenken, dass es in einem Mehrparteienhaus auch unterschiedliche Mieterinteressen – wie viel Grad Wärme sollen immer gewährleistet sein? – geben kann.

Der Bund der Energieverbraucher (BdE) bemängelt, dass den Kunden „insbesondere in Neubaugebieten“ zu hohe Anschlusswerte angetragen würden. „Meist müssen diese Verträge aber so akzeptiert werden, da zum Beispiel ein Rahmenvertrag mit dem Bauträger besteht, der sich für die späteren Hauseigentümer vorab zur Vertragsunterzeichnung verpflichtet hat“, erläutert BdE-Vorsitzende Leonora Holling.

Fernwärme im Preisvergleich

Die Preise für Fernwärme sind je nach Anbieter sehr unterschiedlich. Einen Anhaltspunkt bietet der Heizspiegel des Deutschen Mieterbundes. Demnach zahlen Fernwärme-Haushalte in einer 70-Quadratmeter-Wohnung rund 970 Euro durchschnittlich im Jahr (Stand 2020, inklusive Warmwasser). Das ist mehr als mit Gasheizung (810 Euro), Ölheizung (680 Euro), Wärmepumpe (805 Euro) und Holzpellets (610 Euro).

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Besteht die Wahl zwischen Fernwärme und anderen Heizsystemen, sollte ein Vollkostenvergleich über eine Zeitspanne von rund 15 Jahren vorgenommen werden, rät die Verbraucherzen­trale. Während Fernwärme als fertige Dienstleistung ins Haus kommt, fallen bei Gas und Öl Kosten für die zentrale Heizungsanlage, Wartung, Reparaturen sowie Messungen durch den Schornsteinfeger an.