Berlin. Die Doku „Seaspiracy“ lässt die Lust auf Fisch vergehen. Das ist gut fürs Klima. Eine WWF-Studie zeigt: weniger Fleisch = weniger CO2.

Die Netflix-Doku „Seaspiracy: Wie der Mensch die Meere zerstört“ verdirbt gerade vielen die Lust auf Fisch. In dem kürzlich erschienenen Dokumentationsfilm geht es um die Umweltauswirkungen des Fischfangs – etwa die Überfischung der Meere, ungewollter Beifang oder destruktive Fangmethoden. Er gehört mittlerweile zu den Top 10 der meist gesehenen Filme des Streaming-Dienstes und wir in vielen Sozialen Netzwerken und Foren heiß diskutiert.

Die Dokumentation beleuchtet ein unglaublich komplexes und sehr umfangreiches Themenfeld. Kritisiert wird daher beispielsweise, dass einige Problematiken nur oberflächlich betrachtet werden, statt in die Tiefe zu gehen. Auch würden teils veraltete Studien genutzt, um Problematiken zu untermauern.

Seaspiracy-Botschaft: „Esst weniger Fisch“

Das Bild, dass der Filmemacher und die Filmemacherin Ali und Lucy Tabrizi, mit vielen schockierenden Bildern zeichnen, ist aber zweifelsohne ein düsteres. Die Botschaft der beiden klar: „Esst weniger Fisch“. Doch auch wenn dies vom Grundsatz her richtig sein mag, gibt es auch hier Kritik – selbst vom WWF.

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    „Die Situation der Meere und ihrer Nutzung ist sehr komplex und vielschichtig. Und es gibt selten einfache Lösungen“, heißt es von Philipp Kanstinger im WWF-Blog. Die in Seaspiracy vorgeschlagene Lösung „esst (einfach) keinen Fisch mehr“ gehöre leider dazu. Denn ob man Fisch essen oder sich lieber vegan ernähren wolle, diese Wahl haben sehr Viele nicht.

    Fisch deckt laut Kanstinger den täglichen Proteinbedarf von drei Milliarden Menschen weltweit. Vor allem in Ländern wie Bangladesch, Kambodscha und Sri Lanka seien Fische und Meeresfrüchte eine wichtige und erschwingliche Proteinquelle. „Zugleich sichern Fischerei und Aquakultur das Einkommen von 800 Millionen Menschen“, schreibt Kanstiger.

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    Greenpeace: „Veganer zu werden kann nicht die einzige Antwort sein“

    Das sieht auch die Nichtregierungsorganisation Greenpeace so: „Veganer zu werden kann nicht die einzige Antwort sein“, meint auch Will McCallum, Head of Oceans bei Greenpeace Großbritannien, „eine derartige Forderung, die ausschließlich auf Veganismus setzt, ignoriert, dass Milliarden Menschen für ihr Überleben von den Meeren abhängig sind.“

    Wer es sich leisten kann, der tut mit Blick gerade auf den Umweltschutz aber sicherlich gut daran seinen Fisch- und Fleischkosum zu reduzieren. Denn unsere Ernährungsgewohnheiten spielen laut Umweltstiftung WWF eine unterschätzte Rolle beim Klima- und Naturschutz. Die Ernährung eines Vegetariers verursache nur etwa halb so viel Treibhausgase wie die Ernährung im deutschen Durchschnitt.

    Wer sich vorwiegend pflanzlich ernährt, spart so CO2 ein und schützt das Klima.
    Wer sich vorwiegend pflanzlich ernährt, spart so CO2 ein und schützt das Klima. © dpa | Fabian Sommer

    Aber auch schon Flexitarier - also Menschen, die bewusst wenig Fleisch essen - könnten viel zum ökologischen Gleichgewicht beitragen, heißt es in einer Studie im Auftrag des WWF, die am Mittwoch veröffentlich wurde.

    Ernährung: Flexitarier essen weniger Fisch und Fleisch

    Die Berechnung geht von einer flexitarischen Ernährung mit einem durchschnittlichen Fleischkonsum von 470 Gramm pro Woche aus. Das entspricht in etwa zwei Frikadellen und zwei Bratwürsten. Eine vegetarische Ernährung schließt den Verzehr von Fisch und Fleisch aus, während ein veganer Lebensstil rein pflanzenbasiert ist.

    Der bundesdeutsche Verbrauch von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Wurst liegt im Schnitt laut WWF bei 817 Gramm pro Woche. Zusammen mit Milch und Milchprodukten verursache das aktuell rund 70 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen.

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    Halbiere sich der Fleischkonsum der Deutschen grob auf im Schnitt 470 Gramm pro Woche, sieht die Öko-Bilanz schon wesentlich besser aus. Die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen von derzeit rund 210 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr könnten um 27 Prozent (56 Mio Tonnen) reduziert werden.

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      Ein CO2-Äquivalent von einer Tonne entspricht dem Erwärmungseffekt von einer Tonne Kohlendioxid. Der Ausdruck wird zur besseren Vergleichbarkeit genutzt – der Effekt kann zum Beispiel auch durch Methan entstehen, das Rinder ausstoßen.

      Am besten ganz auf Tierisches verzichten

      Noch höhere Einsparungen seien bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung in Deutschland möglich – 98 bis 102 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. „Wie signifikant diese Einsparungen sind, zeigt der Blick auf die Gesamtemissionen in Deutschland, die sich 2018 auf 858 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente beliefen“, schreibt der WWF. In der Studie wurden nach WWF-Angaben erstmals globale Ernährungsempfehlungen der EAT-Lancet-Kommission auf Deutschland übertragen.

      Auch die benötigte landwirtschaftliche Fläche würde sich verringern. Wenn Soja in Nord- und Südamerika vorwiegend als Tierfutter angebaut und dann auch noch nach Europa exportiert wird, gilt das als verheerend für Öko-Bilanzen. In Brasilien beschleunigt der Sojaanbau dabei auch noch die fortschreitende Zerstörung von Wäldern.

      Ernährung: WWF fordert Umdenken – Vegetarisch soll neues „Normal“ werden

      Der WWF plädiert für ein generelles Umdenken. Beim Catering für Veranstaltungen oder auf Reisen würde es dann automatisch ein vegetarisches Menü geben, sagt Tanja Dräger de Teran, Referentin für Ernährung und Landwirtschaft beim WWF Deutschland. „Wer Fleisch möchte, kreuzt das extra an.“

      Noch ist es häufig umgekehrt. Wünschenswert seien auch verbindliche Mindestkriterien für die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen. „Künftig muss die einfache Wahl auch immer die gesunde und nachhaltige sein.“

      Die Umweltschutzorganisation fordert von der Politik unter anderem die Prüfung einer Lenkungssteuer auf tierische Lebensmittel, die nicht aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Bisher werde die Verantwortung für eine ökologische Ernährungswende auf den Schultern der Verbraucher abgeladen. Die kommende Regierung müsse deshalb bis spätestens 2022 eine Ernährungsstrategie auf den Weg bringen, deren Maßstab die ökologischen Grenzen der Erde sein sollten.

      (aknv/dpa)