Berlin. Wer soll im Notfall für mich über Behandlung, Pflege oder Geld entscheiden? Eine Vollmacht regelt das vorab. Der Überblick.

Es ist ein schlimmer Gedanke: in einer Notsituation für sich selbst nicht mehr entscheiden zu können. Sei es in finanziellen Dingen, bei Ärzten oder im Pflegefall. Und doch ist es besser, sich mit ihm zu befassen. Sonst bestimmt womöglich ein Fremder oder ungeliebter Angehöriger, was geschieht. Die Vorsorgevollmacht verhindert das.

Wer benötigt eine Vorsorgevollmacht?

Viele denken, eine Vorsorgevollmacht sei nur etwas für alte Menschen. Durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung können aber auch junge Leute in die Lage kommen, die eigenen Angelegenheiten nicht selbst regeln zu können. Das spricht dafür, die Sache nicht unnötig vor sich herzuschieben.

„Eine Vorsorgevollmacht ist sinnvoll für jede volljährige Person, die festlegen möchte, wer die Entscheidungen für sie trifft, wenn sie es selbst nicht mehr kann – vorausgesetzt, sie hat jemanden, dem sie uneingeschränkt vertraut“, sagt etwa Kai Kirchner, Referent für Krankenversicherung und Patientenrechte der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Kann nicht meine Familie entscheiden?

Nein, das ist der zweite Irrglaube. Ohne Vorsorgevollmacht ist niemand befugt, rechtsverbindlich zu handeln für die entscheidungsunfähige Person. „Auch Ehepartner, Kinder oder andere Familienangehörige dürfen nicht automatisch stellvertretend für den Partner, die Eltern oder die Großeltern Entscheidungen treffen“, erläutert Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung beim Sozialverband VdK.

Was passiert ohne eine Vorsorgevollmacht?

Ist niemand bevollmächtigt, wird das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer bestimmen – der nicht zwingend aus der Familie stammen muss. „Das Gericht kann auch einen Fremden zum Betreuer bestellen, etwa einen Berufsbetreuer“, erklärt VdK-Experte Ungerer.

Tipp: In einer Betreuungsverfügung lässt sich festlegen, wen das Gericht mit der Betreuung beauftragen soll – und auch, wen auf keinen Fall. Laut dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) können zudem Wünsche in der Verfügung geäußert werden – also, ob der Betreuer etwa bei Pflegebedürftigkeit eine Heimunterbringung oder eine häusliche Pflege veranlassen soll.

Sind Bedingungen für die Vollmacht ratsam?

Eine Bedingung könnte etwa lauten, dass die Vollmacht nur gilt, wenn der Vollmachtgeber schwer erkrankt und geschäftsunfähig ist. Das aber hätte den Nachteil, dass der Bevollmächtigte nicht jederzeit sofort handeln darf. Er müsste das Vorliegen der Bedingung erst mit einem ärztlichen Gutachten nachweisen – was im Ernstfall wertvolle Zeit kosten kann.

„Die Vollmacht sollte nicht an Bedingungen geknüpft werden“, empfiehlt Referent Kirchner. Wer Bedenken habe, auf jegliche Bedingung zu verzichten, „sollte überlegen, ob er der Person, die er bevollmächtigen möchte, wirklich vertraut“. Eine Betreuungsverfügung könne hier eine sinnvolle Alternative sein. „Dann prüft das Betreuungsgericht, ob tatsächlich Entscheidungsunfähigkeit besteht, bevor die in der Betreuungsverfügung genannte Person zum rechtlichen Betreuer bestellt wird“, so der Verbraucherschützer.

Dem BMJV zufolge ist es möglich, nicht nur einer, sondern mehreren Vertrauenspersonen eine Vollmacht zu erteilen – neben dem Ehepartner beispielsweise auch den Kindern. Dann können auch die Kinder entscheiden, falls der Ehepartner am Tag X selbst entscheidungsunfähig sein sollte, etwa wegen eines gemeinsam mit dem Vollmachtgeber erlittenen Verkehrsunfalls, wegen eines Schlaganfalls oder Demenz.

Bei mehreren Vollmachten stellt sich jedoch die Frage nach dem Rangverhältnis. Experte Kirchner: „Im sogenannten Innenverhältnis kann der Vollmachtgeber mit den Bevollmächtigten vereinbaren, in welcher Reihenfolge sie tätig werden sollen. Diese zusätzliche Vereinbarung ist nicht Teil der Vollmacht.“

Für den Fall der Fälle: Mit der Vorsorgevollmacht überträgt man dem Partner oder anderen Vertrauten wichtige Entscheidungsrechte.
Für den Fall der Fälle: Mit der Vorsorgevollmacht überträgt man dem Partner oder anderen Vertrauten wichtige Entscheidungsrechte. © shutterstock | Shutterstock

Eine Vorsorgevollmacht für alles?

Verschiedene Institutionen bieten Vollmachtsformulare an, darunter das BMJV. In dem Formular können alle Belange, die der Bevollmächtigte wahrnehmen soll, mit „Ja“ einzeln angekreuzt werden.

Die Palette reicht von der Gesundheitssorge (zum Beispiel Heilbehandlung, ärztliche Eingriffe, Einsicht in Krankenunterlagen) über Wohnungsangelegenheiten (etwa Aufenthaltsort, Mietverhältnis, Heimvertrag) bis hin zur Vertretung in Behörden- und Vermögenssachen (unter anderem Rentenversicherung, sonstige Versicherungen, Wertgegenstände, Konten, Depots). Auch ein „Nein“ ist möglich, wenn die Vollmacht für bestimmte Sachverhalte nicht gelten soll.

„Das ist eine gute Basis und besser geeignet als eine Generalvollmacht, die den Bevollmächtigten zur Vertretung ,in allen Angelegenheiten‘ befugt“, erläutert Verbraucherschützer Kirchner. Außerdem decke eine Generalvollmacht nicht alle Fälle ab, etwa die Zustimmung zu medizinischen Eingriffen, wenn dadurch Lebensgefahr besteht.

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Soll der Bevollmächtigte Zugriff auf ein Bankkonto haben, sollte man eine Bankvollmacht beantragen. Laut Stiftung Warentest akzeptieren Banken und Sparkassen die Vorsorgevollmacht häufig nicht.

Wichtig: „Solange man geistig und körperlich gesund und dazu in der Lage ist, kann man die Vorsorgevollmacht jederzeit ändern“, erläutert VdK-Abteilungsleiter Ungerer.

Wann geht es nur mit Notar?

Eine Vorsorgevollmacht bedarf keiner bestimmten Form, nur Ort, Datum und Unterschrift dürfen nicht fehlen. Die Vollmacht muss auch weder notariell beurkundet noch öffentlich beglaubigt werden.

Laut BMJV kann es allerdings Situationen geben, in denen zumindest eine beglaubigte Unterschrift vorliegen muss, etwa für Grundstücksgeschäfte gegenüber dem Grundbuchamt oder zur Beantragung eines Personalausweises für den Vollmachtgeber. Eine Beurkundung ist den Angaben zufolge etwa erforderlich, wenn die Vollmacht zur Aufnahme von Verbraucherdarlehen berechtigen soll.

Verbraucherschützer Kirchner hat folgende Faustformel: „Wenn es um Grundstücke geht, die Familienverhältnisse schwierig sind oder die Sachverhalte sonst irgendwie kompliziert, kann es sinnvoll sein, einen Notar hinzuziehen. Bei einer Beurkundung prüft der Notar auch den Inhalt der Vollmacht.“

Wohin mit der Vollmacht?

Familienangehörige oder Freunde sollten sie gut finden können, rät der VdK-Sozialverband. „Am besten ist es, seinem Umfeld mitzuteilen, wo man die Vollmacht aufbewahrt“, sagt Fachmann Ungerer.

Ein Tipp: Die Bundesnotarkammer führt ein Zentrales Vorsorgeregister. Dort kann man die Vollmacht gegen Gebühr registrieren lassen (ab 13 Euro bei Online-Registrierung). Das Betreuungsgericht erfährt dann von ihr, sobald sich die Frage einer Betreuung stellt.