Frankfurt/Main. Die Angst vor den Folgen der Corona-Krise im deutschen Fußball nimmt zu. DFB-Präsident Keller rechnet mit Pleiten im Amateur- wie Profibereich und richtet einen Appell an die Politik.

Die Botschaft von DFB-Boss Fritz Keller zum Osterfest war eindeutig. "Für viele unserer 25.000 Clubs geht es schlicht um die Existenz", schrieb der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes in einem offenen Brief an die mehr als 2,2 Millionen Spielerinnen und Spieler im Land.

"Wir erleben schwierige Zeiten, vieles ist ungewohnt und neu, viele Einschnitte sind schmerzlich. In den vergangenen Jahren haben wir uns zu dieser Zeit auf das bevorstehende Osterfest gefreut. Ostern 2020 wird anders."

Selbst für den Profibereich fürchtet der 63-jährige Keller dramatische Folgen durch die Coronavirus-Pandemie. "Ich glaube nicht, dass nach der Corona-Krise die Landschaft des Fußballs gleich sein wird wie heute", sagte Keller

dem TV-Sender Phoenix. "Wir werden einige vermissen, und ich glaube, je länger das geht, umso mehr Insolvenzen werden wir auch im Profifußball haben."

Gleich 13 der 36 Vereine aus der 1. und 2. Bundesliga sollen nach Informationen des "kicker" von der Insolvenz bedroht sein. Keller schließt nicht aus, dass auch in der Eliteklasse des deutschen Fußballs der eine oder andere Verein von einer Pleite betroffen sein könnte. "Die Hilferufe sind seriös und sehr ernst. Je länger es geht, dass der Spielbetrieb nicht fortgesetzt werden kann, werden wir dieses Szenario leider erleben müssen. In der 2. Liga sowieso und in der 3. Liga sieht es noch schlimmer aus", sagte der DFB-Präsident.

Die Deutsche Fußball Liga will den vorerst bis zum 30. April ausgesetzten Spielbetrieb daher so schnell wie möglich mit Geisterspielen wieder hochfahren, um zumindest die für diese Saison noch ausstehenden TV-Gelder von rund 330 Millionen Euro zu sichern. Die Tendenz für eine Fortsetzung der Fußball-Saison geht nach "Bild"-Informationen zum 9. Mai. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen, hieß es. Am 17. April werden die 36 Profivereine auf der DFL-Mitgliederversammlung darüber beraten.

Aus den Vereinen gibt es unterschiedliche Ansichten dazu. Union Berlins Präsident Dirk Zingler warnte vor einer verfrühten Wiederaufnahme des Spielbetriebs. "Wenn wir uns abkoppeln von der gesellschaftlichen Wahrnehmung, tun wir uns keinen Gefallen", sagte der 55-Jährige in einem Video-Interview auf der Internetseite des Aufsteigers: "Wir sollten einen Termin finden, der eine gesellschaftliche Akzeptanz hat. Die Kinder sollten erst zur Schule."

Für Martin Kind, Mehrheitsgesellschafter des Zweitligisten Hannover 96, wäre eine baldige Fortsetzung der Saison dagegen ein positives "Signal für die Bevölkerung". Im "NDR Sportclub" betonte der 75-Jährige am Donnerstag: "Im Mai, denke ich, werden wir auf jeden Fall beginnen."

Das kann sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach überhaupt nicht vorstellen. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte Lauterbach, er sei "sehr skeptisch, dass wir bis Mai ein wasserdichtes System haben, das mit den Kommunen abgestimmt ist". Zudem sehe er die Gefahr einer mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz für einen Sonderweg im Profifußball. "Wir sind dann schnell in einer Situation, in der argumentiert wird: Hier wird für den Fußballsport eine Extrawurst gebraten, weil die Politiker den Zorn der Fans fürchten", warnte Lauterbach.

Ein Saison-Abbruch ist im bezahlten Fußball derzeit aber keine Option - auch nicht in der 3. Liga. Darauf verständigten sich die 20 Clubs auf ihrer Managertagung am 9. April. Als möglicher Termin für die Wiederaufnahme des Spielbetriebes wurde der 16. Mai ins Auge gefasst. Dies seien "momentan allerdings nur Planspiele, die von vielen äußeren Faktoren abhängig sind", zitierte die "Bild"-Zeitung einen DFB-Sprecher.

Anders als die DFL für die Bundesligen hat der DFB den Zeitrahmen für einen Abschluss der Spielzeit 2019/20 von der 3. Liga bis in die untersten Amateurklassen über den 30. Juni hinaus verlängert. Allerdings würden Geisterspiele "etliche Dritt- und Viertligisten relativ zeitnah in den finanziellen Ruin befördern", mahnte Rot-Weiss Essens Clubchef Marcus Uhlig im "Sportbuzzer"-Interview (Freitag).

Kein Wunder, dass DFB-Boss Keller vor allem für den Amateurfußball ein düsteres Bild malt. Viele Vereine bis in die Kreisligen hinab seien stark gefährdet. Er richtete deshalb einen dringenden Appell an die Politik: "Der Sport wird der Gemeinschaft dabei helfen, nach der Krise zur Normalität zurückzufinden, doch dabei benötigen wir Unterstützung. Essenziell ist, dass die behördlichen Hilfen so schnell und so unkompliziert wie möglich von den Vereinen in Anspruch genommen werden können."

Der "oft ja als so reich dargestellte DFB" selbst könne die finanzielle Hilfe nicht stemmen. "Aus zwei Gründen. Erstens: Der DFB darf Einnahmeausfälle von Vereinen nicht durch Zuschüsse oder Darlehen ausgleichen", schrieb Keller. "Zweitens: Der DFB hätte nicht die Mittel, den Bedarf für rund 25 000 Vereine tatsächlich angemessen abzudecken."

Um den drohenden Absturz vieler Vereine in den vier höchsten Spielklassen von der Bundesliga bis zu den Regionalligen etwas abzufedern, haben DFL und DFB bereits die Rahmenbedingungen für eine Lizenz angepasst und den obligatorischen Neun-Punkte-Abzug im Falle einer Insolvenz für diese Saison ausgesetzt. Keller beendete seinen offenen Brief daher mit einer kleinen Botschaft der Hoffnung: "Wir werden diese Zeit durchhalten, der Ball wird wieder rollen, der Fußball wird zurückkommen. Ganz sicher!"