Augsburg. Einen schnellen, neuen Impuls bringt dieser Trainerwechsel nicht. Doch Heiko Herrlich ist bemüht, aus der speziellen Herausforderung beim FC Augsburg Positives zu ziehen. Die Zwangspause bietet auch eine Chance.

Heiko Herrlich hadert nicht. Zumindest nicht öffentlich. Im Schatten der großen gesellschaftlichen Probleme durch die Coronavirus-Krise steht der 48-Jährige als neuer Coach des FC Augsburg vor einer ganz speziellen sportlichen Herausforderung.

Ein schneller Impuls, wie sonst bei Trainerwechseln in der Fußball-Bundesliga oft erlebt, konnte sich durch seine Verpflichtung wegen der Zwangspause nicht einstellen. Auf der anderen Seite hat der Nachfolger von Martin Schmidt nun die seltene Möglichkeit, sein Team vor dem noch fernen FCA-Debüt besser kennenzulernen.

"Es ist eine eigenartige Situation, denn eigentlich möchtest du als Trainer, der neu zu einer Mannschaft kommt, viele Dinge anschieben, Feuer und Leidenschaft im Training und natürlich in den Spielen im Stadion entfachen", schilderte Herrlich seine ersten Tage bei den Schwaben. "Aber das alles geht jetzt nicht, weil der Gesundheitsschutz selbstverständlich an allererster Stelle steht. Dennoch wollen wir das Beste aus der Situation machen."

Es ist schon über drei Wochen her, dass Herrlich zwei Tage nach dem Augsburger 0:2 in München gegen den FC Bayern als Nachfolger von Schmidt installiert wurde. "Gier, Leidenschaft und Siegermentalität" bringt der mit einem Vertrag bis 2022 ausgestattete Herrlich nach Einschätzung von Manager Stefan Reuter mit zum FCA. "Er wollte was bewegen, für Stimmung im Stadion sorgen, dass die Mannschaft wieder so auftritt, wie es über Jahre der Fall war und es die Fans sehen wollen", sagte Reuter. "Das ist aktuell schwierig."

Bis die Mannschaft die von Reuter genannten Attribute unter der Herrlich-Regie auf dem Rasen vorführen kann, werden noch einige Wochen ins Land ziehen. "Wir handeln jetzt unter Berücksichtigung der Gesundheitsmaßnahmen nach bestem Wissen und Gewissen, um uns auf einen Tag X vorzubereiten, von dem wir noch nicht wissen, wann er kommen wird", sagte Herrlich. "Das macht die aktuelle Lage noch weniger planbar, und man muss sich immer wieder spontan auf aktuelle Entwicklungen einstellen und Dinge anpassen. Es ist für uns alle eine Herausforderung, die es gemeinsam zu meistern gilt."

Durch die Arbeit in Kleingruppen kann Herrlich seine Mannschaft immerhin weiter in Grundzügen kennenlernen. Einen ersten Eindruck in voller Teamstärke bekam der frühere Coach von Jahn Regensburg und Bayer Leverkusen in den wenigen Tagen vor dem angesetzten Wolfsburg-Spiel - ehe die Corona-Krise auch den FCA stoppte. "Wir waren komplett im Taktikthema drin, unser Matchplan für Wolfsburg stand letztendlich", berichtete Torhüter Andreas Luthe. "Das Ganze wurde jetzt ein wenig durcheinandergewirbelt."

Dass der Effekt seiner Verpflichtung verpuffen könnte, befürchtet Herrlich nicht. "Ich sehe immer das Positive. Daher ist es nun eine Chance, die Mannschaft in einer besonders schweren Situation ganz intensiv kennenzulernen und mit ihr gemeinsam zu arbeiten", sagte er.

16 Monate musste der frühere DFB-Juniorentrainer bislang auf die Bundesliga-Rückkehr warten. Die Zeit ohne Club nutzte er etwa zu Hospitationen bei Real und Atlético Madrid. Im vergangenen Sommer schaute er auch in den Trainingslagern von Bundesligisten vorbei: Neben Borussia Mönchengladbach, für das er einst als Profi spielte, besuchte Herrlich auch den FCA. "Super Gespräche" habe er damals mit Schmidt geführt, den er nun als Trainer in Augsburg abgelöst hat. Vielleicht kommt ihm diese Erfahrung jetzt noch etwas mehr zugute.