London. Die Formel-1-Zukunft hängt davon ab: Wie überstehen die Teams diese Krise? Weniger Geld ausgeben ist (immer) eine Lösung. Die meisten Rennställe sind dafür. Einer soll es nicht sein: Ferrari.

Der Notfallplan mit womöglich 19 Rennen zur Rettung der Formel-1-Saison in diesem Jahr nimmt zarte Konturen an, die Bosse der Motorsport-Königsklasse hoffen nun sogar auf eine heilende Wirkung im Überlebenskampf mancher Teams durch die Corona-Krise.

"Es wird schmerzlich, aber der Sport wird eine Zukunft haben", sagte Formel-1-Direktor Ross Brawn: "Ich denke, dass wir stärker sein werden, wenn wir das überstanden haben."

Teams in Kurzarbeit, neun abgesagte oder verschobene Rennen, keine Einnahmen. Der Leerlauf kann zur großen Bedrohung der Serie werden, zumal trotz eines anvisierten Saisonstarts Anfang Juli in Europa derzeit letztlich nur eines herrscht: Ungewissheit.

Handlungsbedarf besteht dennoch, jetzt sogar erst recht. Brawn appellierte in einem Interview des britischen Senders Sky Sports an die Vernunft und Einsicht aller Beteiligten in der seit Jahren heiß diskutierten und wohl heikelsten Frage im Milliardenzirkus Formel 1: die Ausgabenobergrenze.

Die für 2021 beschlossenen 175 Millionen Dollar (161 Millionen Euro) sollen noch mal gesenkt werden. Die Coronakrise habe eine Gelegenheit geschaffen, einen zweiten Blick darauf zu werfen und zu überlegen, was realistisch und vernünftig ist, betonte Brawn. "Es wäre unverantwortlich, das zu ignorieren."

Alle seien für 150 Millionen Dollar, "und eine große Mehrheit - einschließlich eines der Top-Teams - ist bereit, noch deutlich unter 150 Millionen Dollar zu gehen", erklärte jüngst McLaren-Geschäftsführer Zak Brown der BBC. Medienberichten zufolge ist Mercedes das Top-Team, das einer noch deutlicheren Senkung zustimmen würde. Die beiden, die ihre großen Problem damit haben, sollen Ferrari und Red Bull sein - seit Jahren durchaus auch als Großausgeber bekannt.

"Man versucht hier, in schwierigen Zeiten seinen eigenen Vorteil weiter beizubehalten", kritisierte TV-Experte und Ex-Formel-1-Fahrer Christian Danner Ferrari in einem Interview von RTL/ntv. Die Scuderia schere sich überhaupt nicht um die anderen neun Teams, meinte Danner. Außer den Branchenriesen Mercedes, Ferrari und Red Bull stehe allen "das Wasser bis zum Hals", meinte Danner.

"Wir müssen uns alle den neuen Gegebenheiten anpassen", bekräftigte Brawn - ohne Namen zu nennen. Der 65-Jährige weiß aber nur zu gut, wo wieviel Geld bei den Teams ausgegeben wird, um erfolgreich zu sein. Er war bei Benetton, als Michael Schumacher Mitte der 1990er Jahre die ersten beiden seiner sieben WM-Titel gewann und später auch der Erfolgsmitgarant bei Ferrari, als Schumacher von 2000 bis einschließlich 2004 die restlichen fünf Triumphe einfuhr. Vielleicht sei jetzt die Zeit für einen Reset gekommen, meinte Brawn.

Wann die Zeit fürs erste Rennen in diesem Jahr gekommen ist, wird sich zeigen. Gedankenspiele deuten daraufhin, dass es am 5. Juli in Spielberg in Österreich losgehen könnte. Stresswochen folgen. "Sobald wir wissen, dass wir loslegen können, könnten wir wirklich zwei bis drei Grand Prix pro Monat sehen", sagte Automobil-Weltverbandschef Jean Todt dem Fachportal "motorsport.com". Eine Ausweitung der Saison über das Jahresende hinaus hält er für nicht wahrscheinlich, es könnte aber genau dazu kommen.

Um überhaupt einen Titel in dieser Saison vergeben zu können - es könnte der dann wahrlich historische siebte für Mercedes-Star Lewis Hamilton werden - muss die Formel 1 spätestens im Oktober loslegen. Sonst klappt es nicht mal mit der Mindestanzahl von acht Rennen für eine Weltmeisterschafts-Wertung. 22 Grand Prix waren in diesem Jahr ursprünglich geplant, so viele wie noch nie in der Weltmeisterschaft seit 1950.

Um zu retten, was noch zu retten ist, richtet Brawn die Fans schon mal auf Geisterrennen ein. Ein Grand Prix ohne Zuschauer sei nicht toll, "aber es ist besser, als gar nicht zu fahren". Die Teams könnten per Charterflieger anreisen, jeder würde getestet. So soll sichergestellt sein, das für niemanden ein Risiko besteht.