Erfurt. Anke Feuchtenbergers Graphic Novel ist für den Buchpreis der Messe nominiert – in der Kategorie Belletristik. Wir zeigen Bilder aus dem Werk.
Es ist kein Vorwurf. Jedoch: Anke Feuchtenberger macht es einem nicht leicht. Obwohl die Kunst der Grande Dame unter den deutschen Illustratoren – mit internationalem Ansehen – genau genommen nur den unsteten Lebenslinien des Alltags folgt. Und so gibt es in ihrem neuen Werk „Genossin Kuckuck“: ständig neue Erzählstränge, dort ein Moment, da eine flüchtige und doch prägende Erinnerung, hier eine neue Erzählform oder Bildsprache.
Man muss auf der Hut sein, muss kombinieren, sich konzentrieren. Immer wieder reflektieren.
Es ist Kunst, die Raum zum Interpretieren lässt und so am Ende eine Bereicherung ist. Das Werk ist entweder weit weg von einer üblichen Definition von Graphic Novel oder erweitert diese im besten, aber auch in einem irgendwie unwahrscheinlichen Sinn. Oder beides – stilistische Strenge war zum Glück noch nie das Ding von Anke Feuchtenberger.
„Genossin Kuckuck“ arbeitet mit Codes und Symbolen
Es geht um die Mädchen Nele und Kerstin, die in der DDR aufwachsen, auf dem Land. Die eine muss irgendwann zur strengen Großmutter, die andere ins Heim. Davor, dazwischen und danach geht es ums Aufwachsen, um Mädchenspiele, Jungs, angedeuteten Missbrauch, Traditionen, den Krieg, um Besatzer, immer wieder um Schnecken zwischen Anmut und Grusel, um Pilze. Überall in „Genossin Kuckuck“ sind Codes und Symbole, alle wird man nicht entschlüsseln, nicht beim ersten oder zweiten Lesen.
Es geht um Gefühle, Gerüche, Bilder, Gedanken oder Sequenzen – geschönt oder verschwommen wahrgenommen. Egal, alles ist wahrhaftig, auch die Fantasie, solange sie aus dem Selbst kommt.
Feuchtenberger hat 14 Jahre an dem Werk gearbeitet
Und wie autobiografisch ist „Genossin Kuckuck“, das auch ein Stück Aufarbeitung ostdeutscher Geschichte ist? „Alles ist wahr… Alles ist erfunden“, gibt die Autorin, nein, besser: Künstlerin zu Protokoll. Hier folgt sie – bewusst oder unbewusst – Bob Dylan als Chimäre, der Fiktion und Realität, Historie auch, zu einem untrennbaren Geflecht aus Tönen, Worten und Bildern verwebt, um Kunst zu erschaffen. Bei Anke Feuchtenberger, die als Feuchtenbergerowa ja auch eine Art Kunstfigur pflegt, wenn auch nicht mit der Intensität Dylans, fehlt eigentlich nur die Musik.
Einblicke in die Graphic Novel „Genossin Kuckuck“
Es ist etwas dran, wenn der Verlag das Werk vollmundig als Feuchtenbergers Opus magnum anpreist, 14 Jahre hat sie an dem Werk gearbeitet. Sie macht sich unterschiedliche Darstellungsformen zu eigen, wo sie sinnvoll erscheinen. Und sprengt so die Vorstellung von dem, über was und wie man einen Stoff erzählen kann. Es gibt Horrorszenarien, Kinderbuchbilder, eine Spannbreite von Ekel bis Erotik und Elemente der Fabel.
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Und so verwundert es kaum, dass „Genossin Kuckuck“ für den Buchpreis der Leipziger Buchmesser im Bereich Belletristik nominiert ist, als erste Graphic Novel in dieser Kategorie. Der Preis wird am 21. März vergeben.
Anke Feuchtenberger: Genossin Kuckuck, Reprodukt, 448 Seiten, zweifarbig, 44 Euro
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