Leverkusen. Fünf Jahre arbeitete Peter Stöger als Trainer von Köln und Dortmund in Deutschland. Nun kehrt der Österreicher erstmals als Coach zurück: Mit Ferencvaros Budapest am ersten Europa-League-Spieltag bei Bayer Leverkusen.

Für Peter Stöger ist es eine echte Heimkehr: Viereinhalb Jahre trainierte der Österreicher den 1. FC Köln, in der Domstadt war er lange sehr erfolgreich und beliebt.

Am Donnerstag (18.45 Uhr/TV Now) tritt der 55-Jährige, der auch ein halbes Jahr Borussia Dortmund trainierte, als Coach des ungarischen Rekordmeisters Ferencvaros Budapest ganz in der Nähe bei Bayer Leverkusen zum Europa-League-Duell an. Über das Spiel, seine Vergangenheit und möglicherweise seine Zukunft in Deutschland spricht er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

Herr Stöger, was war Ihr erster Gedanke, als das Los Bayer Leverkusen kam?

Peter Stöger: Ich habe auf eine interessante Gruppe gehofft. Und ich habe ein bisschen auf einen deutschen Gegner gehofft. Von daher ist das ein schönes Los. Dass es mir einen emotionalen Schub gegeben hat, würde ich nicht sagen. Aber es ist schon eine nette Geschichte.

Wie schätzen Sie Leverkusen sportlich ein?

Stöger: Es ist eine Mannschaft, bei der man in jedem Jahr denkt, dass sie diesmal so richtig oben andocken werden. Das war dann auch phasenweise so, aber nie bis zum Schluss. Aber es ist natürlich eine sehr schwierige Aufgabe.

Das Stadion in Leverkusen liegt gerade mal 14 Kilometer Luftlinie von dem in Köln entfernt. Werden Sie das Spiel nutzen, um alte Freunde zu treffen?

Stöger: Nein. Wir wohnen mit der Mannschaft in Köln. Aber das Programm ist durchgetaktet. Und der Fokus liegt auf der sportlichen Aufgabe. Es ist ein Europacup-Spiel und keine Nostalgie-Reise. Außerdem gibt es wegen Corona ja immer noch Einschränkungen.

Zu Kölner Zeiten war Ihr Verhältnis zu Stadt und Verein sehr innig. Wie ist der Kontakt heute?

Stöger: Ich war in den letzten Jahren leider kaum noch in Köln. Auch das nicht zuletzt wegen Corona. Aber ich habe schon noch private Kontakte nach Köln.

Im Sommer gab es Gespräche über eine Rückkehr zum FC. Wie sind Sie da auseinandergegangen?

Stöger: Ich hatte nur ein Gespräch mit dem damaligen Sportchef Horst Heldt und mit Geschäftsführer Alex Wehrle. Es war aber schnell allen Beteiligten klar, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht gepasst hat.

Ist grundsätzlich eine Rückkehr in die Bundesliga damit zu den Akten gelegt? Oder haben Sie das schon noch im Kopf?

Stöger: Im Fußball lege ich gar nix zu den Akten. Aber ich habe keinen Karriere-Plan. Es mag Leute geben, die einen haben und bei denen er sogar aufgeht, wie immer das funktioniert. Bei mir wird es auch in Zukunft so sein: Wenn ich etwas spannend finde, werde ich es angehen. Das kann die deutsche Bundesliga sein, muss es aber nicht. Ich werde nichts annehmen, nur um wieder in der deutschen Bundesliga zu sein. Das habe ich gehabt, das war spannend, das war schön, ich hatte zwei mega Vereine. Deshalb kann es sein, dass es irgendwann mal wieder so kommt. Aber ich habe das nicht auf meiner To-do-Liste.

Wie verfolgen Sie den Weg des FC unter Steffen Baumgart?

Stöger: Ich freue mich für ihn, dass er gut gestartet ist. Das erleichtert ihm die Arbeit sehr. Sie spielen einen frischen Fußball. Das hat man von Steffen Baumgart erwartet und er konnte es umsetzen. Das sieht gut aus.

In Dortmund waren Sie mit etwas mehr als einem halben Jahr deutlich kürzer. Wie verfolgen Sie den BVB heute?

Stöger: Ich verfolge den BVB natürlich. Aber eher mit einem normalen Blick nach dem Motto: Okay, da war man mal. Mit Aki Watzke habe ich noch Kontakt, aber es ist kein permanenter und ständiger Austausch.

Aber Sie sind nicht im Unfrieden geschieden vom BVB?

Stöger: Nein, keineswegs. Ich denke, in Dortmund wissen die entscheidenden Leute, was wir bewerkstelligt haben mit dem Sprung von Platz acht auf vier. Für viele von außen war das selbstverständlich, aber die Leute vor Ort wissen, dass es eine schwere Aufgabe war, das hinzukriegen. Deshalb wissen sie es sehr zu schätzen.

Sind Sie verbittert, weil Sie die Mission erfüllt haben, aber nicht bleiben durften?

Stöger: Nein, nein. Das war ja im Vorfeld alles klar abgesprochen. Am Ende des Tages hätte schon etwas Außergewöhnliches eintreten müssen, damit es länger gegangen wäre. Ich hätte es für diesen Zeitraum und so kurz nach dem Ende der langen und intensiven Zeit in Köln auch für keinen anderen Verein gemacht. Als Ösi kriegst du nur einmal im Leben eine Anfrage vom BVB. Und wenn die Leute dir das zutrauen, dann musst du das machen.

Was trauen Sie dem BVB in dieser Saison zu? Das 4:3 bei ihrem Gegner Leverkusen am Samstag war ein Spektakel. Aber vielleicht zu viel Spektakel, um Titel zu holen?

Stöger: Im Endeffekt war es ein typisches Leverkusen-gegen-Dortmund-Spiel. Als ich meinen Assistenten Alex Bade zur Sichtung hingeschickt habe, war seine erste Reaktion: "Danke, ich werde viele Tore sehen." Im Endeffekt sind die Gefühle nach einem solchen Spiel natürlich zweigeteilt: Wenn du vier Tore machst und so ein Spiel gewinnst, dann spricht das für eine Mannschaft mit wahnsinnig viel Charakter. Aber am Ende bleibt aber auch, dass Dortmund für eine Meisterschaft vielleicht zu viele Tore kassiert. Diese Balance muss Marco Rose, den ich aus Österreich gut kenne, hinkriegen. Aber solch ein Spiel anzuschauen, macht einfach Spaß.

Teil dieses schönen Spiels waren auch die Leverkusener, die am Donnerstag wohl ähnlich offensiv agieren werden. Wird Ihr Team eher dagegenhalten wie Dortmund oder eher kompakt agieren?

Stöger: Wir sind eine ordentliche internationale Mannschaft mit einer guten Balance, aber gegen eine Mannschaft wie Leverkusen werden wir keinen komplett offenen Schlagabtausch eingehen können. Wir haben aber auch nicht vor, uns hinten einzumauern. In dieser Gruppe sind wir sicher kein ungefährlicher Gegner, aber doch der klare Außenseiter. Vor allem auswärts. Zu Hause mit dem Publikum im Rücken sieht es vielleicht anders aus.

Wie ist das Leben bisher in Budapest?

Stöger: Sehr gut. Als im März die Anfrage kam, war es relativ schnell spannend für mich. Und ich fühle mich sehr wohl. Ferencvaros ist der größte und populärste Club in Ungarn. Die Trainingsbedingungen sind in Ordnung, die Stadt ist super lebenswert.

Wie wurde das knappe Scheitern in der Champions-League-Quali aufgenommen?

Stöger: Natürlich sind die Erwartung richtig hoch. Dass die Meisterschaft nach drei Titeln in Folge als selbstverständlich gilt, ist hier genau wie in Deutschland. Und dass die beste Mannschaft nach Jahren auch mal wieder den Pokal gewinnen sollte, ist auch überall gleich. In Sachen Europacup hat man natürlich von der Champions League geträumt. Aber man hat gewusst, dass es schon schwer wird, die Europa League zu erreichen. Von daher wird es als großer Erfolg gesehen, dass wir das gegen Slavia Prag geschafft haben, die in den letzten drei Jahren zweimal im Viertelfinale der Europa League und einmal in der Gruppenphase der Champions League standen.

Ungarn steht wegen der Politik von Regierungschef Viktor Orban international in der Kritik. Inwiefern beschäftigt Sie das?

Stöger: Ich kriege das natürlich alles mit. Aber ich habe mein ganzes Leben über versucht, Politik und Sport zu trennen und mich so wenig wie möglich in andere Bereich einzumischen.

ZUR PERSON: Peter Stöger (55), absolvierte als Profi 65 Länderspiele für Österreich. Nach fünf Trainer-Stationen in seiner Heimat übernahm er 2013 den Zweitligisten 1. FC Köln, führte ihn in die Bundesliga und 2017 sogar erstmals nach 25 Jahren in den Europacup. Am 3. Dezember 2017 trennte sich der FC als Tabellenletzter von Stöger. Eine Woche später übernahm er Borussia Dortmund und führte den BVB noch in die Champions League. In den vergangenen beiden Jahren arbeitete er als Sportvorstand, dann auch als Trainer wieder für seinen Heimatclub Austria Wien. Seit Sommer trainiert er Ferencvaros.

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