Berlin. Gestörte Lieferketten und Chipknappheit sorgen weltweit für Verzögerungen im Handel. Manche Produkte gibt es nur nach langem Warten.

Wer derzeit das neueste iPhone kaufen möchte, muss sich bei manchen Modellen auf mindestens zwei bis drei Wochen Lieferzeit einstellen. Einige Hollandräder bekannter Marken sind online für dieses Jahr schon ausverkauft. Selbst auf Küchengeräte wie Backöfen oder Kühlschränke verschiedener Hersteller müssen Verbraucher derzeit mehrere Wochen warten.

Lieferschwierigkeiten sind bei einigen Produkten auf der Tagesordnung. Und diese Situation könnte bis in den Dezember andauern: „Wie in der Weihnachtszeit der Vorjahre ist möglicherweise die Verfügbarkeit neuester Modelle beliebter Produkte eingeschränkt, da es hier zu Produktionsengpässen kommen kann“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), unserer Redaktion.

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„Leere Regale wie in Großbritannien sind aber nicht zu erwarten. Die Weihnachtsgeschenke unter dem Baum sind nicht in Gefahr“, gibt Genth Entwarnung. Fakt ist aber auch: Wer frühzeitig einkauft ist klar im Vorteil und kann die meisten Geschenke seinen Lieben unter den Baum legen – und muss nicht auf Gutscheine ausweichen.

Spielzeug und Fahrräder sind heiß begehrt

„Denn überdurchschnittlich beliebte Produkte könnten knapp werden“, sagt Steffen Kahnt vom Bundesverband Technik des Einzelhandels. Dasselbe gilt für begehrte Spielzeuge. „Aktuell sind Elektromärkte noch gut mit Ware gefüllt, Unternehmen decken sich weiter mit Ware ein. Verschiedene Hersteller haben aber signalisiert, dass es beim Nachliefern in den kommenden Monaten zu Engpässen kommen könnte“, sagt Kahnt.

Die Situation ist in der Branche dabei sehr unterschiedlich, berichtet Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindus­trie (ZVEI). Wer sich im Haushalt neu ausstatten möchte und beispielsweise auf der Suche nach einem neuen Backofen, einer Waschmaschine oder einem Geschirrspüler ist, kann Probleme bekommen.

„Bei Elektrohaushaltsgroßgeräten kann derzeit nicht jeder Kunde damit rechnen, sein Wunschgerät wie gewohnt gleich mitnehmen zu können oder innerhalb der gewohnt kurzen Frist geliefert zu bekommen“, warnt Weber. Die Situation sei uneinheitlich und die Produktgruppen unterschiedlich betroffen.

Immerhin: Wer sich einen neuen Fernseher kaufen will, hat trotz Chipmangel gute Chancen. Vier von fünf Kunden hätten ihr neues TV-Gerät ohne Lieferverzögerungen erhalten, heißt es in einer ZVEI-Umfrage. Und selbst wenn das Gerät nicht sofort mitgenommen werden könne, seien die Lieferzeiten mit durchschnittlich zwei Wochen kurz.

Gaming-Branche 2021 massiv gewachsen

Anders sieht es dagegen bei Produkten rund um Computer und Zubehör für Gaming aus. „Wer plant, zu Weihnachten Gaming-Hardware zu verschenken, sollte auf jeden Fall möglichst früh seine Geschenke besorgen“, warnt Felix Falk, Geschäftsführer von game, dem Verband der deutschen Games-Branche.

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Die Branche ist in der Pandemie enorm gewachsen, im ersten Halbjahr des aktuellen Jahres habe der Umsatz um 22 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro zugelegt, berichtet Falk. Auch im Weihnachtsgeschäft rechnet er mit einer hohen Nachfrage. Nur: Der Chipmangel werde in den nächsten Wochen nicht behoben sein.

„Wir gehen davon aus, dass einige Gaming-Produkte im Weihnachtsgeschäft daher nur schwer zu bekommen sind“, sagt Falk. Besonders begehrt seien Spielekonsolen und Grafikkarten. Bei Computerspielen und Guthabenkarten erwartet der Verbandsgeschäftsführer dagegen keine Engpässe.

Elektronische Artikel aus Asien brauchen deutlich länger

Probleme in der Lieferkette hat die Fahrradindustrie. „Wer ganz genau weiß, was es sein soll, und bei Farbe, Ausstattung, Einzelteilen sehr festgelegt ist, kann Pech haben und lange warten müssen“, sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Indus­trie-Verbands (ZIV). „Wer flexibler ist, kommt schneller zu einem neuen Rad, mit oder ohne Elektrounterstützung.“ Sein Tipp für Weihnachten: „Jetzt was Schönes kaufen, was im Laden steht oder lieferbar ist.“

Denn die weltweiten Lieferketten sind aktuell noch massiv beeinträchtigt – und längst nicht so zuverlässig wie vor der Corona-Pandemie. „Hersteller sind einerseits durch eine schnell ansteigende, weltweite Nachfrage überrascht worden und haben gleichzeitig noch mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen“, berichtet Genth. Hintergrund: Mehr Geld durch Corona-Pandemie: Die neue Lust am Einkaufen

Betroffen sind vor allem Lieferungen von Non-Food-Artikeln aus Asien. So stammt ein Großteil der elektronischen und technischen Spielzeuge aus Asien, die per Schiff nach Europa kommen.

Gestörte Lieferketten könnte mittelfristig für höhere Preise sorgen

Doch die Beschaffung von Seefracht-Containern ist schwierig. „Schiffscontainer sind etwa 20 Prozent länger unterwegs, wodurch ein Fünftel der Kapazität fehlt“, sagt Christian Denso, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR). Die weltweiten Lieferketten seien zudem durch Produktionsausfälle, Chipmangel sowie Lockdowns in Häfen und Fabriken gestört.

„Das bringt das System an den Rand“, sagt Denso. „Manches Produkt für Weihnachten aus Übersee wird deshalb Deutschland nicht rechtzeitig erreichen, doch dies wird hoffentlich die Ausnahme bleiben.“

Insgesamt stellt sich der Handel zunehmend auf „unberechenbare Transportwege, auftretende Produktionsengpässe und damit auch steigende Produktions- und Beschaffungskosten ein“, sagt der HDE-Chef Genth. Aktuell müssten die Verbraucher aber noch nicht mit deutlich steigenden Preisen rechnen, meint der Sprecher des Reederverbands: „Die Frachtpreise der Schiffscontainer sind zwar am Spotmarkt deutlich gestiegen, doch die meisten Hersteller haben langfristige Verträge. Der Verbraucher wird von den steigenden Frachtpreisen kaum etwas merken.“

Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) erwartet erst mittelfristig Preiserhöhungen, aktuell seien die Preise für Spielzeug noch „relativ stabil“, sagt der Geschäftsführer Ulrich Brobeil.

Weltorganisation des Straßenverkehrs rechnet mit Verschärfung der Lage

International schlägt unterdessen die Seeverkehrs-, Straßen- und Luftfahrtindustrie bereits Alarm. „Wir erleben beispiellose Unterbrechungen und weltweite Verspätungen und Engpässe bei lebenswichtigen Gütern wie Elektronik, Lebensmitteln, Treibstoff und medizinischen Produkten“, heißt es in einem offenen Brief der Weltorganisation des Straßentransports (IRU), der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (IATA), der Internationalen Schifffahrtskammer (ICS) und der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) an die Staats- und Regierungschefs der Welt. „Die Verzögerungen dürften sich vor Weihnachten noch verschärfen und bis ins Jahr 2022 andauern.“

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Die Verbände kritisieren vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen von rund 400.000 Seeleuten – darunter 5000 mit deutschem Pass, die wegen national verschiedener Corona-Auflagen teilweise monatelang nicht von Bord kamen, um ihre Familien zu besuchen. Einige arbeiteten bis zu 18 Monate über ihren Vertrag hinaus. Lkw-Fahrer mussten wochenlang warten, bis sie ihre Touren beenden konnten.

Befürchtet wird, dass viele Arbeitskräfte im Transportgewerbe ihren Beruf aufgeben werden. Sie fordern deshalb die Regierungen auf, „Lösungen zu finden, bevor die weltweiten Transportsysteme zusammenbrechen“, heißt es in dem Schreiben.

Die Verbände fordern nicht nur Impfungen für die Beschäftigten. Auch Reiseverbote müssten aufgehoben werden. Die Verkehrsbeschäftigten hielten die Welt am Laufen. „Seeleute, Flugpersonal und Fahrer müssen in der Lage sein, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen und Grenzen zu überschreiten, um die Lieferketten in Gang zu halten.“

In Deutschland fehlen Tausende Lkw-Fahrer

Auch in Deutschland suchen Speditionen händeringend nach Personal. „Wir gehen momentan von 60.000 bis 80.000 fehlenden Lkw-Fahrern in Deutschland aus“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Zudem gingen rund 30.000 Lkw-Fahrer pro Jahr in den Ruhestand. In den vergangenen Jahren kamen aber nur 15.000 neue dazu, sodass die Lücke noch größer werden dürfte.

Mit großen Abwerbungen von deutschen Fahrern nach Großbritannien rechnet der Verband nicht. Auch nicht mit Engpässen im Weihnachtsgeschäft. „Allerdings bestehen bei unvorhersehbaren Entwicklungen keine personellen Reserven zum Ausgleich“, so Engelhardt.

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Postunternehmen erwarten Paketrekorde

Die Deutsche Post gibt sich jedenfalls optimistisch, alle Weihnachtsgeschenke auch in diesem Jahr ausliefern zu können. „Wir haben in den letzten Monaten unsere Kapazität weiter ausgebaut“, sagt Tobias Meyer, Vorstand der Deutschen Post DHL, unserer Redaktion. In der Vorweihnachtszeit würden wie in den Vorjahren zusätzliche Kräfte eingestellt.

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„Gerade im Vorweihnachtsgeschäft sind viele Menschen für uns zusätzlich tätig, die eine Tätigkeit für zwei, drei Monate gerade in dieser Zeit suchen und insofern eine recht verlässliche Basis bilden.“ Die Post rechnet in diesem Jahr mit noch mehr Paketen als im Vorjahr.

Auch Konkurrent Hermes geht von einem neuen Paketrekord aus. 15.000 Zustellerinnen und Zusteller werden im Weihnachtsgeschäft für Hermes tätig sein, teilte ein Sprecher unserer Redaktion mit. Auch wenn es herausfordernd sei, Logistikunternehmer und Fahrer zu finden, so erwarte man für Deutschland keine vergleichbaren Einschränkungen wie in Großbritannien.