Berlin. In Deutschland kommt der Netzausbau kaum voran. Selbst auf dem Mond könnte der Internet-Ausbau schneller gehen. Das steckt dahinter.

Für die Arbeit, Videospiele oder Filmeschauen ist ein schneller Internetanschluss inzwischen unerlässlich. Auf der Erde gibt es viele Regionen, die bisher abgeschnitten sind. In Deutschland stockt der Ausbau, vor allem in ländlichen Gegenden. Laut dem Bundesverkehrsministerium gibt es in Deutschland rund 4400 weiße Flecken. In manchen Regionen verzweifelt man regelmäßig bei der Suche nach Netz.

Was hierzulande viele entnervt, soll ausgerechnet auf dem Mond nicht passieren. Dort, durchschnittlich 384.400 Kilometer von der Erde entfernt, soll es in wenigen Jahren ein schnelles Breitbandnetz geben – flächendeckend.

Internet auf dem Mond: Breitbandnetz geplant

Acht Satelliten, die untereinander vernetzt sind, sollen spätestens von 2028 an den Mond umkreisen. Sie sind dann, so sieht es der Plan vor, per Funk und über Laserstrahlen mit der Erde verbunden. „Harmony“, wie der Satellitenschwarm heißt, soll auf dem Mond und in einer Umlaufbahn bis zu 1000 Kilometer von der Oberfläche entfernt ein Breitbandnetz mit bis zu 100 Mbit Verbindungsgeschwindigkeit für jeden Nutzer aufspannen.

Solches Tempo ist in Deutschland derzeit theoretisch für 94,5 Prozent aller Haushalte verfügbar, für viele praktisch aber nicht. Vorgesehen ist zudem eine Art hochpräzises GPS-Navigationssystem für den Erdtrabanten. Hinter dem Projekt steht das spanisch-deutsche Unternehmen Plus Ultra mit Sitz in Madrid, zu dem sich 2020 weltraumerfahrene Manager zusammengetan haben.

Bis zu 140 Mondmissionen in den nächsten zehn Jahren

Wofür braucht der Mond eine schnelle Datenverbindung? In den nächsten zehn Jahren starten geschätzt 100 bis 140 Mondmissionen. Dazu zählen wissenschaftliche, die den Mond besser erkunden sollen. Plus Ultra rechnet aber auch mit zahlreichen kommerziellen Flügen. Und mit privaten Firmen, die den Mond kommerziell nutzen wollen.

„Jede Mission, die größer als eine einfache Mondlandung ist, wird die neuen Dienste brauchen, um Ausrüstung abzusetzen, Rohstoffe zu erschließen oder abzubauen“, schreibt Firmenchef und Gründer Carlos Manuel Entrena Utrilla in einem Blog-Eintrag des Unternehmens. Dazu zählt er auch, Infrastruktur auf dem Mond aufzubauen.

Raumfahrzeuge sollen durchgängig in Kontakt zur Erde stehen können

„Die USA planen mit ,Artemis‘ bemannte Mondmissionen und eine dauerhafte Präsenz auf der Mondoberfläche“, sagt Matthias Wachter, Abteilungsleiter Internationale Zusammenarbeit, Sicherheit, Rohstoffe und Raumfahrt beim Industrieverband BDI. „Eine Satellitenkonstellation für die Kommunikation ist damit ein sinnvolles Projekt.“

Der Vorteil von „Harmony“, jedenfalls aus der Sicht von Plus Ultra: deutlich geringere Kosten, als wenn die Firmen ihre Anlagen direkt von der Erde aus steuern wollten, und weniger Risiko. Vor allem aber: Auch die Rückseite des Mondes wird dauerhaft erreichbar. Bisher ist sie ein riesiges Funkloch. Und Raumfahrzeuge, die den Mond umkreisen, verlieren zeitweise den Kontakt zur Erde, wenn sie von hier aus gesehen hinter dem Mond herumfliegen.

Waschmaschinen-große Satelliten sollen einen Schwarm bilden

Zu den Kosten von „Harmony“ will sich Plus Ultra nicht äußern. Es sei aktuell voll privat finanziert, sagt der Firmenchef. Dazu komme ein kleiner Beitrag von „Fit 4 Start“, einem Start-up-Programm Luxemburgs. Das Unternehmen selbst ist schlank aufgestellt. Derzeit hat es keine zehn Mitarbeiter. Die Satelliten will Plus Ultra von einem Satellitenspezialisten nach eigenen Vorstellungen bauen lassen.

Sie sollen jeweils etwa so groß sein wie drei Waschmaschinen und rund 400 Kilogramm wiegen. Unklar ist auch noch, von wo aus der fertige Satellitenschwarm gesteuert wird. Im Gespräch sind für das zentrale Kontrollzentrum Entrena Utrilla zufolge Spanien, Luxemburg und Deutschland. Das Netz wird 2027/28 fertig sein.

Der Weltraum wird zum Milliardenmarkt

Der erste Satellit soll Ende 2023 ins All starten und zeigen, dass das Projekt möglich ist. Plus Ultra hat dazu gerade einen Vertrag mit den deutschen Raketenbauern der Rocket Factory Augsburg (RFA) geschlossen, einem Tochterunternehmen des Raumfahrtkonzerns OHB aus Bremen. „Dass ein deutscher Raketenbauer den ersten Satelliten ins All bringen soll, ist ein starkes Signal“, sagt Wachter vom BDI.

RFA ist wie Plus Ultra Teil der kräftig wachsenden New-Space-Industrie: private Unternehmen, die kleinere Raketen und Satelliten entwickeln, welche in Masse gefertigt werden können und Flüge wie Anwendungen im All deutlich verbilligen. Den Markt schätzt die Beratungsfirma Euroconsult zwischen 2021 und 2030 auf 54 Milliarden Euro.

In Augsburg wird eine 30 Meter hohe Rakete gebaut

Bei RFA entsteht gerade eine Trägerrakete für Satelliten, die kleiner ist als die europäische Ariane, die russische Sojus oder die Falcon des US-Unternehmens SpaceX. RFAs One ist rund 30 Meter hoch bei einem Durchmesser von gut zwei Metern. Die derzeit viel genutzte Falcon kommt auf knapp 70 Meter bei 3,7 Meter Durchmesser.

Die Augsburger Rakete soll bis Ende 2022 fertig entwickelt sein. Zwei weitere deutsche Konkurrenten arbeiten an vergleichbaren Raketen: Isar Aerospace in Ottobrunn bei München und HyImpulse aus Neuenfels nahe Heilbronn.