Stützerbach. Stützerbach hat schon viel erlebt. Am Dienstag ist der Bahnhof Schauplatz für die Polizei

Jolf Schneider

Stützerbach So etwas bekommt man nun wirklich nicht alle Tage zu sehen. Schon gar nicht in Stützerbach. „Komm, das schauen wir uns mal an“, sagt eine Mutter zu ihrem Kind, die gerade ihr Auto an der Hauptstraße oberhalb des Bahnhofs abgestellt hat.

Ganze Hundertschaften der Polizei haben den Bahnhof des Rennsteig-Ortes am Dienstagmorgen eingenommen. Am Bahnsteig steht ein Zug der Südthüringen-Bahn, der immer wieder in dichte Nebelschwaden gehüllt ist. Viele Stützerbacher treibt das riesige Polizeiaufgebot auf die Straße. Sie wollen sehen, was denn da los ist im Ort. Viel zu sehen bekommen sie nicht. Hohe Sichtschutzwände hat die Polizei um den Bahnhof aufgebaut.

Dahinter räumen die Beamten gerade den Zug. 200 Passagiere sind mit diesem in den Bahnhof eingefahren. Laut grölend und singend. Der Zugführer hat einen Notruf abgesetzt und die Polizei versucht, Herr der Lage zu werden. Stützerbach wird an diesem Tag zur Kulisse. Wieder einmal. In den vergangenen Jahren war es vor allem das Eisenbahntheater „Das letzte Kleinod“ das den Ort für sich entdeckt hat. Da wurde der Bahnsteig zum Garten der Botschaft der Bundesrepublik in Prag im Spätsommer 1989 oder zum Bahnhof, an dem Auswanderer mit dem Ziel USA den Zug besteigen.

Vorbereitung für die anstehende EM

Am Dienstag ist der Bahnhof Stützerbach für eine Übung von Bundes- und Landespolizei. Das Szenario: Während der Fußball-Europameisterschaft, die am 14. Juni in Deutschland beginnt, kommt es in einem Zug voller Fußballfans zu Ausschreitungen. Das Bahnpersonal setzt einen Hilferuf ab und die Polizei rückt zum nächstgelegenen Bahnhof aus. In der Übung ist das Stützerbach. Karsten Täschner, Sprecher der Bundespolizei in Erfurt, gibt zu, dass viele Gründe für Stützerbach gesprochen hätten, als die Planungen für die Übung vor Monaten begonnen hätten.

„Wir haben hier eine Bahnstrecke, die wir problemlos befahren können, ohne den regulären Verkehr zu stören“, sagt Täschner. Denn in Stützerbach fahren nur noch an Wochenende Züge bis zum Bahnhof Rennsteig.

Und auch das Umfeld rund um den Bahnhof ist für die Übung ideal. Vier große Reisebusse der Polizei stehen am Straßenrand. Wahrscheinlich, um die 200 Polizeischüler am Ende der Übung wieder nach Meiningen an die Polizeischule zu bringen.

Der Polizei-Nachwuchs schlüpft an diesem Tag in die Rolle der Störer, der Hooligans. Muss sich am Ende von den erfahrenen Kollegen der Bereitschaftspolizei abführen und durchsuchen lassen. Insgesamt sind an diesem Tag rund 500 Polizistinnen und Polizisten an der Übung beteiligt. Rund 450 rund um den Bahnhof Stützerbach, weitere 50 in den Leitstellen. „Alles wird so simuliert, wie es auch bei einem echten Einsatz ablaufen würde“, sagt Täschner.

Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass sich das Szenario der Übung während der EM am Rennsteig wiederholen wird. Die Strecke durch den Thüringer Wald zählt schließlich nicht zu den Routen, die Fußball-Fans auf dem Weg zu den einzelnen Spielorten nehmen werden. Trotzdem sei die Übung an einem kleinen Bahnhof nicht unrealistisch, versichert der Sprecher der Bundespolizei im Gespräch mit dieser Zeitung.

Erfurt als Übungsort undenkbar

Denn zu Ausschreitungen während der Bahnfahrt käme es eben nicht nur in den Städten, in denen die EM-Spiele stattfinden. Also etwa in München, Gelsenkirchen, Leipzig oder Berlin, sondern auch auf den Fahrten zu den Stadien. Da könne es vorkommen, dass ein Zug an einem Dorf-Bahnhof gestoppt werde.

Das bedeute für die Einsatzkräfte womöglich zwar eine längere Anfahrt, habe aber gleichzeitig den Vorteil, dass nicht der Verkehr einer Großstadt zum Erliegen komme. Täschner gibt zu, dass die Polizei gar nicht erst die Anfrage gestellt habe, die Übung am Erfurter Hauptbahnhof machen zu dürfen. Ein zentraler deutscher Verkehrsknotenpunkt, der über mehrere Stunden von Hunderten Polizisten in Beschlag genommen wird?

Das scheint undenkbar. Und so wird Stützerbach zur Kulisse für das Aufeinandertreffen von 200 pöbelnden Fußballfans mit rund 250 Polizisten in Vollschutz. Es ist nur ein Vorspiel, denn ab 5. Juni gastiert auch der Theater-Zug wieder in Stützerbach und erzählt die Geschichte einer Fabrikanten-Villa, des Hauses Luxemburg. Dann soll der Kurpark zur Bühne werden.