Von Immanuel Voigt.

Was wurde eigentlich aus den Thüringer Fürsten und Herzögen, die sich gezwungen sahen, durch die Revolution ihre Throne zu räumen? Genau diese Frage wird in den kommenden Wochen beantwortet. Den Anfang macht jener Großherzog, der als erster abdankte: Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach.

Scheinbar ohne Vorbereitung trifft der 9. November 1918 den Großherzog in seiner Residenz Weimar. Am Morgen dieses Samstages lässt er sich von seinen Staatsministern über die Lage informieren. Diese kennen aber auch keine weiteren Details, außer, dass sich die Wut der Demonstrierenden vor allem gegen die Person des Großherzogs richtet. Neben einer Flucht der herzoglichen Familie wird auch über eine Abdankung Wilhelm Ernsts nachgedacht. Als sich kurz darauf fünf Landtagsabgeordnete der SPD bei Staatsminister Roth melden, und ihm nahelegen, der Großherzog solle abdanken, beginnt Wilhelm Ernst langsam zu ahnen, was das Gebot der Stunde zu sein scheint. Der sich konstituierende Arbeiter- und Soldatenrat von Weimar würde für die Sicherheit des Potentaten sorgen, so versprechen es die SPDler.

Für 17 Uhr ist ein Treffen zwischen dem Staatsministerium und den scheinbar neuen Machthabern geplant. Umso überraschender für August Baudert, einen der fünf SPDler, als er gegen Mittag ins Schloss von Weimar gerufen wird, um mit dem Großherzog zu sprechen. Wilhelm Ernst empfängt ihn im feldgrauen Rock, ohne Orden und Schulterstücke, als wenn er ahnen würde, was man nun ultimativ von ihm fordert. Baudert unterhält sich lange mit ihm und rät nochmals dazu, der Großherzog möge den richtigen Schritt tun. Wilhelm Ernst sieht ihn daraufhin an und sagt: „Ich hatte alles getan was ich konnte. Ich hatte noch viel Gutes vor.“ Für Baudert ist somit klar, dass sein Gegenüber „seelisch zusammengebrochen war“, obwohl der Monarch „es sichtbar meisterte, seine innersten Gefühle zu beherrschen“.

Es kommt also, wie es kommen muss: Bei der angesetzten Unterredung wird Wilhelm Ernst ein Entwurf für die Abdankungsurkunde überreicht, der zuvor von einem Redakteur der „Weimarischen Volkszeitung“ abgefasst wurde. Der Ernestiner nimmt also das Blatt Papier, überfliegt die Zeilen und nimmt seinen Stift. Als letzte Amtshandlung redigiert er persönlich den Text und streicht unter anderem in der Passage: „Den mir von der Vertretung der Arbeiter, Soldaten, wie der Bürger ...“ die letzteren aus, da er der Meinung ist, aus dieser Bevölkerungsschicht käme nicht der Wunsch zur Abdankung. Anschließend unterzeichnet er sowohl den Entwurf als auch eine offizielle Urkunde und ist damit der erste thüringische Herzog der unter dem Druck der Revolution zurücktritt.

Die Person des letzten Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach wird in zeitgenössischer Betrachtung oft sehr negativ gesehen. Der am 10. Juni 1876 in Weimar geborene Wilhelm Ernst erlebt in seiner Kindheit vor allem die Enge des höfischen Zeremoniells und macht teils problematische Erziehungserlebnisse. Dies sorgt dafür, dass sich bei ihm nicht nur eine Spannung zwischen Nähe und Distanz zu anderen Menschen, sondern auch ein unsicheres Auftreten ausprägt. Letzteres äußert sich mitunter durch die Körpersprache des Regenten, aber auch durch aggressives Auftreten und Jähzorn, was gerade einem Regenten in der damaligen Zeit negativ angelastet wurde.

Dennoch steckt im letzten Monarchen von der Ilm mehr als ein „schimmernd aufgetakelter Revue-General“, der angeblich das Soldatische mehr liebte als die Kunst. Ohne seine Förderung wären die Anfänge des „Neuen Weimar“ mit der Berufung von Harry Graf Kessler und vor allem Henry van de Veldes nicht möglich gewesen. Auf die Initiative Wilhelm Ernsts geht auch die Erneuerung der Universität in Jena und der Neubau des Hoftheaters in Weimar zurück. Der Monarch war also trotz seiner charakterlichen Schwächen ein Förderer der Kultur.

Nach der Abdankung zieht er sich mit seiner zweiten Frau Feodora und den drei gemeinsamen Kindern auf seinen Privatbesitz Schloss Heinrichau in Schlesien zurück. Für Wilhelm Ernst sitzt der Schock der Abdankung noch immer tief. Hinzu kommen gesundheitliche Probleme.

Am 24. April 1923 stirbt der einstige Herrscher an einer verschleppten Lungenentzündung im Exil und wird anschließend vor Ort begraben, wo er bis heute ruht.