San Francisco/Berlin. Die Nachrichtensatire der „Heute-Show“ ist zurück. Die Sendung kam an der AfD nicht vorbei – und wurde zur Generalabrechnung.

Das Jahr 2024 ist fast einen Monat alt und fühlt sich schon etwas verlebt an. Kein Wunder: Die Welt wird noch immer von den Krisen und Kriegen des vergangenen Jahres beherrscht, RTL hat wieder Stars und Sternchen in den Dschungel geschickt und Parteien rücken – in der Annahme, es helfe gegen das Erstarken rechter und rechtsradikaler Parteien – nach, wohin sonst, rechts. Gefehlt hat da zum Glück eigentlich nur noch die „Heute-Show“, die einmal wöchentlich zum Satireritt durch die Nachrichten bläst.

„Man möchte das Jahr eigentlich schon wieder umtauschen“, fasste Moderator Oliver Welke mit Blick auf den Bahnstreik und Donald Trump die ersten Wochen von 2024 zusammen. Doch genau diese Einstellung sei „grundfalsch“. Mit Angst und Meckern müsse Schluss sein, einen „neuen Spirit“ beschwor er. „Am schönsten zu sehen an den Demos der letzten Tage.“

Damit war der Tenor der Sendung gesetzt: Deutschlands Umgang mit Rechtsradikalismus, mit in Teilen von Faschisten unterwanderten Bauernprotesten, mit bayerischen Spitzenpolitikern, deren Politik in letzter Zeit vor allem darin bestand, sich an vermeintlich maoistischen Grünen abzuarbeiten.

Botschaft an die AfD: „Ihr bestimmt nicht, wer Deutscher ist“

Aufhänger der Sendung: Die Correctiv-Recherchen zur AfD, die wohl als eine Art Erweckungserlebnis für den Antifaschismus der bürgerlichen Mitte gelten dürfen. Rund eine Million Menschen demonstrierten allein am letzten Wochenende, für das nun angebrochene sind wieder Dutzende Demos angemeldet, „für die Demokratie und gegen das Ohnmachtsgefühl“, analysierte Welke.

Die Botschaft an die AfD laute: „Ihr bestimmt nicht, wer Deutscher ist.“ Dafür gebe es das Grundgesetz. Beim Geheimtreffen in Potsdam sei „mal kurz die AfD-Maske runtergerutscht“. Man treffe sich mit Vertretern der Neuen Rechten, um die „Remigration/Deportation“ von Millionen Menschen zu diskutieren.

Die Versuche der AfD-Spitze, den angerichteten Schaden in der öffentlichen Wahrnehmung zu begrenzen – Beispiel stand der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der jüngst wehklagend fragte, wo sei man hingekommen, man könne sich ja nicht mal mehr privat treffen – entlarvte die Sendung treffend: „Wo sind wir hingekommen“, ätze Welke, „wenn man sich nicht mehr Treffen kann um das Volk einzuteilen, in reinrassige Deutsche und Bürger mit Abschiebeperspektive?“

Deutschland, wie es sich die AfD vorstellt? Die „Heute-Show“ holte aus zur Generalabrechnung mit der Partei.
Deutschland, wie es sich die AfD vorstellt? Die „Heute-Show“ holte aus zur Generalabrechnung mit der Partei. © Screenshot ZDF Mediathek | ZDF

Welke ruft Sellner zu: „Geh schei**en“

Die AfD sei inzwischen der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus, deren Mitglieder sich mit Anhängern der rechtsextremen Identitären Bewegung treffen und Ausführungen des Österreichers Martin Sellner lauschen, der sich in Potsdam in Remigrations-Fantasien verstieg.

Kritik aus den Reihen der AfD-Anhänger, die Correctiv-Recherchen bliesen das in Potsdam gesagte auf, von Deportation könne keine Rede sein, wies die „Heute-Show“ mit einem Einspieler in die Schranken. Da war besagter Österreicher zu sehen, der die Zielgruppen seiner – und nicht nur seiner – Remigrations-Pläne ausbreitete: „Asylanten, Nicht-Staatsbürger und zu Unrecht Eingebürgerte“.

Alle drei Gruppen haben nach geltendem Recht das Recht, sich in Deutschland aufzuhalten: Asylsuchende genießen das Grundrecht auf Asyl, Nicht-Staatsbürger verfügen über Visa, Aufenthaltstitel, Duldungen oder sind schlicht EU-Bürgerinnen und „zu Unrecht Eingebürgerte“ gibt es nicht – oder nur in der Vorstellung Sellners und Co.

So schoss Welke dann auch in schelmisch-schiefem Wiener Schmäh zurück: „Die vierte Gruppe sind Österreicher, die sich hier ungefragt einmischen, und denen man zurufen möchte: ‚Geh schei**en‘.“

AfD verliert „bürgerlichen Tarnanstrich“

„Der letzte bürgerliche Tarnanstrich der AfD bröselt dahin“, bemerkte Welke im Weiteren und führte als Beweisstück an, neben AfD-Bundestagsabgeordneten, die IB-Anhänger beschäftigen, eine Party von AfD-Mitgliedern in einer bayerischen Diskothek, die sich in menschenfeindlichem „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“-Gegröle verliert. Mit anwesend: zwei Landtagsabgeordnete der AfD-Bayern.

Die ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ hatte am vergangenen Sonntag über die geschmacklosen Feierlichkeiten berichtet und den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, damit konfrontiert. Der verteidigte die Gesänge mit völkisch-antisemitischem Anklang als bierseelige Jugendsünde.

„Ausländer raus – der Klassiker unter den Naziparolen“, erinnerte Welke, bevor er auf das gesellschaftspolitische Dilemma dieser Tage zu sprechen kam: Die AfD verbieten dauert lange und ein Verbot so kurz vor den Wahlen „riecht nur nach Hilflosigkeit“. Auch der Grundrechtsentzug für Björn Höcke sei zwar verlockend, aber eigentlich „wollen wir in einem Staat leben, der niemandem Grundrechte wegnimmt“.

Was also tun, wenn man Verfassungsfeinden die Verfassungsrechte nicht nehmen will? Welkes Antwort war wohlfeil: Die Parteien müssten sich fragen, was sie zum Aufstieg der AfD beitrügen, die Ampel solle „mal zwei, drei Wochen ohne Streit, in Stillarbeit, regieren“.

Kabarettistin entlarvt AfD-Kandidaten Krah

Bis hierhin lieferte die „Heute-Show“ eine Mischung aus satirischer Analyse und gewohnt-flachen Gags. Keine ununterhaltsame Kost, ein Schmunzeln hier, ein Lacher dort. Die auf Welkes Monolog folgende Abrechnung der Kabarettistin Gisa Flake mit Maximilian Krah, EU-Spitzenkandidat der AfD, hingegen war messerscharf. Der träumt in seinem Buch „Politik von Rechts“ zwar ebenfalls von der Remigration von 15 Millionen Menschen. Flake hatte es aber auf die ebenfalls von Krah beschworene „Krise des deutschen Mannes“ abgesehen.

Entlarvte das Buch von Maximilian Krah: Kabarettistin Gisa Flake.
Entlarvte das Buch von Maximilian Krah: Kabarettistin Gisa Flake. © Screenshot ZDF Mediathek | ZDF

Da beschwert sich Krah in seinem Buch in chauvinistischer Manier darüber, dass „gut ausgebildete, sexuell attraktive Frauen“ um eine immer kleiner werdende Zahl von „Alpha“-Männern konkurriere und attestiert dem deutschen Mann, den er als zunehmend übergewichtig beschreibt und mit sinkendem Testosteronspiegel: „Wir sind in schlechtem Zustand.“ Er warne vor der „Entmännlichung unserer Gesellschaft“, führte die Kabarettistin aus und beschrieb „rechte Politik“ als Abhilfe für „ungebumste“ Männer.

So zeigte die erste 2024-Premier der „Heute-Show“ auf, dass sich rechtsradikales Gedankengut schnell selbst entlarvt, wenn man nur hinsieht. Welche Vorstellung von Deutschland zumindest in Teilen der AfD vorherrscht, ist längst niedergeschrieben, versteckt sich wie in „Mein Kampf“ vor aller Augen, will sagen: Es ist sichtbar, längst kein Geheimnis mehr.

Zur aktuellen Ausgabe der „Heute-Show“ in der ZDF-Mediathek