Berlin. Im Tatort „Niemals ohne mich“ betrügen Eltern den Staat um Unterhalt. Milliarden soll das den Steuerzahler kosten. Ein Faktencheck.

Monika Fellner ist ein harter Hund. Eltern, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, bekommen es mit der Mitarbeiterin des Jugendamtes zu tun. So auch Stefan Krömer. „Sie schulden uns über 10.000 Euro. Sie sind verpflichtet, Unterhalt zu zahlen“, schnauzt Fellner den Mann an. Er verdiene aber doch kaum mehr als 1000 Euro, erklärt der Vater einer Tochter.

Fellner aber hat Fotos machen lassen, die anderes beweisen und erklären, warum sich Krömer einen Sportwagen leisten kann: „Sie arbeiten jeden Tag und zwar schwarz.“ Ihr Vorgehen gegen unterhaltssäumige Eltern beschert Monika Fellner viele Feinde. Eines Tages ist sie tot. Erschlagen.

„Tatort“: Eltern streiten ums Sorgerecht

Der Kölner Tatort „Niemals ohne mich“ zeigt getrennte Elternpaare, die ums Sorgerecht und ums Geld streiten, während die Kinder daneben stehen – mit verweinten Augen und fest ans Kuscheltier geklammert. Und er zeigt Mütter und Väter in Deutschland, die in großer Zahl den Staat hintergehen. Mal ist es jemand wie Stefan Krömer, der keinen Unterhalt zahlen will. Mal eine junge Mutter, die angibt den Vater ihres Babys nicht zu kennen, um vom Jugendamt Zahlungen zu erhalten.

Kommissar Max Ballauf ist entrüstet über solche Tricksereien: „Es kann doch nicht jeder machen, was er will oder wie es ihm gefällt.“ Und dann fügt er hinzu: „„Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende Mütter oder Väter, das kostet den Staat, also uns Steuerzahler, jährlich fast zwei Milliarden Euro.“

Stimmt das, was der Kommissar da erzählt? Ein Faktencheck.

Was ist der Unterhaltsvorschuss?

In Deutschland können Alleinerziehende Unterhaltsvorschuss beim Staat beantragen. Und zwar dann, wenn sie für ihr Kind keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vom Ex-Partner erhalten. So soll die finanzielle Lebensgrundlage des Kindes gesichert werden. Unterhaltsvorschuss gibt es zudem auch, wenn nicht geklärt ist, wer der Vater des Kindes ist. Wer als Alleinerziehender neu heiratet, verliert den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss.

Der Staat zahlt zunächst den Unterhalt an die Alleinerziehenden und holt sich diesen später von dem Ex-Partner zurück. Zahlt dieser auch dann nicht, dann kann der Unterhalt eingeklagt werden.

Den Vorschuss erhalten Kinder bis zum 12. Geburtstag. Für Kinder zwischen 12 und 17 Jahren gibt es auch einen Unterhaltsvorschuss, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: Das Kind darf nicht auf Leistungen des Zweiten Sozialgesetzbuches angewiesen und sollte der Alleinerziehende Arbeitslosengeld II erhalten, dann muss er zusätzlich ein eigenes Einkommen von mindestens 600 Euro brutto monatlich vorweisen können.

Seit dem 1. Januar 2020 beträgt der Unterhaltsvorschuss für Kinder von 0 bis 5 Jahren bis zu 165 Euro, für Kinder von 6 bis 11 Jahren 220 Euro und für Kinder von 12 bis 17 Jahren 293 Euro. Der Vorschuss wird bei der Unterhaltsvorschussstelle beantragt. Das ist in der Regel das Jugendamt.

Wie viele Alleinerziehende in Deutschland erhalten Unterhaltsvorschuss?

2017 wurde das Unterhaltsvorschussgesetz reformiert. Zuvor gab es den Anspruch nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes. Seitdem nehmen immer mehr Alleinerziehende den Vorschuss in Anspruch. Laut Bundesfamilienministerium erhielten 2018 mehr als 800.000 Kinder den Vorschuss. 2017 waren es noch rund 650.000, 2016 nur etwas mehr als 400.000.

Damit gab der Staat 2018 2,1 Milliarden Euro für den Unterhaltsvorschuss aus. Kommissar Ballauf hat also mit seiner Aussage Recht, dass der Unterhalt für den Staat eine kostspielige Angelegenheit ist. Allerdings beteiligt sich der Bund nur zu 40 Prozent an den Kosten. Länder und Kommunen sind für den Rest zuständig.

Auf welchen Kosten bleibt der Staat sitzen?

In 2018 hat nur ein kleiner Teil der Eltern seine Schulden beim Staat beglichen. Das Geld sehen die Behörden also oft nie wieder. Die Rückholquote lag 2018 lediglich bei 13 Prozent. Das entsprach 270 Millionen Euro.

Warum ist die Quote so niedrig? Das Problem: Der Staat kann sich nur dann Geld zurückholen, wenn der Zahlungspflichtige auch in der Lage ist zu zahlen. Wenn er nicht mehr verdienen kann (trotz umfänglicher Bemühungen), verstorben, nicht auffindbar oder nicht erwerbsfähig ist, dann erhält der Staat kein Geld zurück. Zum großen Teil (zu 44 Prozent) scheitert der sogenannte „Rückgriff“ daran, dass der Zahlungspflichtige eben zu wenig Einkommen hat.

Aber stimmt das wirklich? Haben diese Menschen zu wenig Geld, um den Unterhalt zu zahlen oder betrügen sie den Staat, so wie im Tatort geschehen? Das ist schwierig zu beantworten. Das Jugendamt muss in solchen Fällen beweisen können, dass die Unterhaltspflichtigen keine korrekten Aussagen gemacht haben. Das Amt kann sich dazu Auskunft von Finanzämtern, Krankenkassen und Arbeitgebern holen, muss dann aber gegen die Unterhaltspflichtigen vor Gericht ziehen.

Wie aus einem Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes hervorgeht, gibt es häufig „keine ausreichenden Rückgriffsbemühungen“, weil dafür das Personal in den Jugendämtern fehlt oder dieses nicht ausreichend qualifiziert ist. Jemand wie Monika Fellner im Kölner Tatort, die das Geld so vehement eintreibt, ist daher wohl eher eine Ausnahme.