Berlin. Bei Markus Lanz ging es am Donnerstag um die Geflüchteten auf Lesbos. Der Moderator formulierte seine Fragen überraschend feindselig.

„Wenn ich Innenministerin wäre“, sagte Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bei „Markus Lanz“ nebenbei, dann hätte sie ihre Amtskollegen und -kolleginnen sofort aufgefordert: „Da fahren wir jetzt alle mal hin und gucken, wie die Situation ist“.

Es blieb dabei offen, ob ihre Wortwahl schon mal ein Titel-Probelauf sein sollte oder doch nur eine verdeckte Kritik an Innenminister Horst Seehofer (CSU), der bisher nicht auf eine solche Idee gekommen war. So oder so musste die Grünen-Politikerin letzten Freitag erst einmal alleine, das heißt: mit eigener Delegation, nach Moria reisen. Zum wiederholten Mal, wie sie ergänzte: „Ich kannte das Flüchtlingslager auch schon vor dem Brand.“

An diesem Donnerstag war die Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich bei „Markus Lanz“ eingeladen, um aus „erster Hand“ zu berichten, was sie aktuell auf Lesbos gesehen hatte: 12.000 Obdachlose, darunter 4.000 Kinder. Eltern, die sich – völlig erschöpft – nicht mehr um ihre Kinder kümmern konnten.

Göring-Eckardt bei Lanz: 2017 wollte die EU 160.000 Geflüchtete aufnehmen

Dazu viele griechische Bewohner und Bewohnerinnen aus der Umgebung, die dagegen protestierten, dass ein neues Camp errichtet werde. „Die sagen, ihr lasst uns völlig alleine damit. Und sie haben Recht: 2017 hatte die EU versprochen 160.000 Geflüchtete aufzunehmen, bis jetzt sind es nur 35.000“.

Markus Lanz – Das waren die Gäste

  • Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen
  • Claudia Kade, Journalistin
  • Manfred Lütz, Psychiater und Autor
  • Ijoma Mangold, Autor und Literaturkritiker

Die Bestürzung über die katastrophale Situation in dem griechischen Flüchtlingscamp war der Grünen-Politikerin anzumerken, ebenso aber ihre Entschlossenheit, für einen geordneten Verteilmechanismus auf europäischer Ebene zu kämpfen. „Wir brauchen eine ,Koalition der Willigen‘“, warb sie für ihren Vorschlag: „Wer kann und will, nimmt Geflüchtete auf, die anderen zahlen in einen gemeinsamen Fonds ein“.

Auch müssten die Asylverfahren viel schneller durchgeführt werden. Wer ein Aufenthaltsrecht bekomme, dürfe bleiben. Wer nicht, müsse konsequent zurückgeschickt werden. „Menschlichkeit und Ordnung – beides gehört zusammen“, so ihr pragmatisches Credo. Lesen Sie auch: Joko und Klaas zeigen Zustände im Flüchtlingscamp Moria.

Markus Lanz: Was hat Griechenland mit Betreuungsgeldern gemacht?

„Warum hat Griechenland uns nicht gebeten, die Menschen da rauszuholen?“, wandte sich Markus Lanz da, scheinbar harmlos fragend, an Claudia Kade von der „Welt“.

Die sah verschiedene Gründe: Niemand wisse, wohin die fast drei Milliarden Euro versickert seien, die Griechenland für die Flüchtlingsbetreuung erhalten habe. „In den Flüchtlingscamps sicher nicht“, setzte sie hinzu: Die verstießen gegen alle europäischen Asyl- und Menschenrechtsregeln. Die katastrophalen Verhältnisse sollten abschreckend wirken.

Geflüchtete auf Lesbos fürchten neues Lager

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    Ein Brand auf Samos zum Beispiel habe nicht gelöscht werden können, berichtete sie, weil die Verwaltung die Wasserleitung gekappt hätte. Auch die Türkei spiele eine unrühmliche Rolle, weil sie Migranten und Migrantinnen als politisches Druckmittel einsetze. „Die Griechen fürchten wohl, dass die Türkei neue Flüchtlinge schickt, wenn die Camps leer sind.“ Mehr dazu: Alle aktuellen Nachrichten zu der Lage auf Lesbos in unserem Newsblog.

    Markus Lanz über Geflüchtete: „Sollen die alle zu uns?“

    Auffällig war an diesem 1434. „Lanz“-Talk aber insbesondere, wie abwehrend, fast feindselig der Moderator seine Fragen zur Asyldebatte formulierte. So wollte Markus Lanz beispielsweise wissen, warum sich „Deutschland immer so aufschwinge“ oder „immer voran gehen“ müsse usw. „Wir haben die gleiche Thematik in Lampedusa. Auf den Kanaren kommt täglich ein Schiff mit afrikanischen Flüchtlingen an. Sollen die alle zu uns?“

    Psychiater bei Lanz: Schneller Rassismusvorwurf kann radikalisieren

    Der Psychiater Manfred Lütz vertrat in der Lanz-Runde die Meinung: „Wir machen den gleichen Fehler wie 2015: Wir argumentieren zu schnell zu moralisch“, erklärte er und plädierte für mehr Pragmatismus in der Debatte. „Das Thema spaltet. Und wir sollten versuchen, die Spaltungen abzumildern“, erklärte Lütz. Zum Beispiel sollte man jemanden, der Angst vor Fremden habe, nicht gleich in die Rassismus-Ecke stellen. „Damit erreicht man nur, dass sich derjenige radikalisiert.“

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    Der Fachmann in Sachen Ängste hatte an diesem Abend gleich zwei frisch erschienene Bücher im Gepäck, die alle möglichen Formen psychischer Erkrankungen allgemeinverständlich und unterhaltsam erklärten. Es sei dringend nötig, das Thema zu enttabuisieren, begründete er.

    Denn: Jeder Dritte werde in seinem Leben einmal psychisch krank. Jeder kenne jemand in seinem Familien- oder Bekanntenkreis mit einer psychischen Erkrankung. Die gute Nachricht sei: „Die meisten psychischen Krankheiten sind heilbar.“ Durch Medikamente und durch neue, Ressourcen orientierte Therapieformen: „Wir reden heute über ihre Kräfte, nicht über die Defizite der Patienten.“

    Markus Lanz: Wenig Stimmung beim zweiten Teil des Talks

    Trotzdem, das Interesse des Moderators an den neuen Erkenntnissen des Bestsellerautors wollte in diesem zweiten Teil des langen Talk-Abends nicht wirklich zünden, auch nicht beim zweiten Vielschreiber-Gast, dem „Zeit“-Rezensenten Ijoma Mangold.

    Vielleicht lag es da an den vielen Zitaten aus dessen neuestem Buch „Der innere Stammtisch“, die – aus dem Zusammenhang der jeweiligen Anekdote gerissen – nur halb so launig klangen, wie vermutet, geschweige denn sonderlich originell.

    Statt mit Herzenslust „eine Stinkbombe in die Runde“ zu werfen – wie darin in Bezug auf langweilige Talkshows vorgeschlagen – gefiel sich Ijoma Mangold vor allem in der Rolle des koketten Dampfplauderers. Und gab seine sehr persönlichen Wahrnehmungen, gewonnen während der erzwungenen Corona-Pause, ziemlich redselig, eitel zum Besten.

    Ihm deshalb aber gleich Narzissmus vorzuwerfen, wäre aber tabu, wenigstens nach Meinung von Manfred Lütz: „Der Begriff ,Narzisst‘ wird viel zu häufig als Schimpfwort verwendet“.

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