Berlin. In der 1500. Folge von “Markus Lanz“ sorgten die Missachtung der Corona-Maßnahmen und Impf-Vordrängler für eine gereizte Stimmung.

  • Markus Lanz zeigte am Donnerstag in seiner Talkshow wenig Verständnis für Menschen, die sich bei Corona-Impfungen vordrängeln
  • Auch die Begründung des Bürgermeisters von Halle (Saale), der sich hatte Impfen lassen, akzeptierte der Moderator nicht
  • Gleichzeitig wurde auch Kritik an der CDU geäußert

"Bevor ein Impftest weggeworfen wird", verteidigte sich Bernd Wiegand am Donnerstag bei "Markus Lanz", "lasse ich mich doch impfen". Dafür müsse er sich auch nicht entschuldigen, er habe keinen Fehler gemacht. Im Gegenteil: "Ich habe mehrmals nachgefragt", und dass "wirklich kein anderer zu finden war", habe er von den Ärzten sogar schriftlich.

Nun aber hatte er den "Hallenser Impfskandal" am Hals, beschwerte sich der 64-jährige Oberbürgermeister von Halle (Saale). Die ortsansässige Regionalzeitung hatte aufgedeckt, dass sich am 17.Januar insgesamt 19 Mitglieder des Stadtrats gegen Corona haben impfen lassen, obwohl sie noch gar nicht an der Reihe waren. Darunter auch er: Niemand anders hätte an diesem Sonntag in die Klinik kommen können, bevor die Haltbarkeit des Biontech-Impfstoffs verfiel.

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
  • Claudia Kade, Ressortleiterin Politik bei "Die Welt"
  • Bernd Wiegand (parteilos), Oberbürgermeister von Halle
  • Rita Röhrl (SPD), Landrätin des Landkreises Regen
  • Prof. Thorsten Lehr, Pharmazeut
  • Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Studios in London

Gut möglich, dass der Hallenser Oberbürgermeister mit seiner Argumentation durchkommt. Und dass die Staatsanwaltschaft umsonst ermittelt: Die Entscheidung der Ärzte, ihn zu benachrichtigen, beruhte auf einem Stadtrat-Beschluss, wonach Mitglieder des Katastrophenschutzstabes als systemrelevant einzustufen seien. Das aber wirkte wie ein Blankoscheck zum eigenen Vorteil: Im Krisenstab saßen, unter Vorsitz des Oberbürgermeisters, überwiegend Mitglieder des Stadtrats.

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat sich außerhalb der vorgeschriebenen Reihenfolge gegen Corona impfen lassen.
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat sich außerhalb der vorgeschriebenen Reihenfolge gegen Corona impfen lassen. © dpa | Ronny Hartmann

Impfreihenfolge: Moralische Hinrichtung bei "Lanz"

Markus Lanz wollte nicht recht glauben, was er hörte. Und lieferte in der 1500. Ausgabe seiner Sendung so höflich, wie es noch ging, eine kleine moralische Hinrichtung: Ob Angela Merkel oder Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, war er sich sicher, verantwortliche Politiker würden "warten, bis sie dran sind, und das aus gutem Grund".

Auch Rita Röhrl, SPD-Landrätin von Regen, konnte nicht nachvollziehen, wie der Oberbürgermeister von Halle in eine solche Lage geraten konnte. Auch ihr sei schon eine vorzeitige Impfung angeboten worden, weil Termine unerwartet frei geworden waren. Nur vorstellen könne sie sich nicht, "dass ich es in einer Situation, wo mein Landkreis derart von dem Virus gebeutelt wird, nicht schaffe, eine Ausweich-Prioritätenliste vorzuhalten".

Anfang Januar war der niederbayrische Landkreis an der tschechischen Grenze mit einer Inzidenz von 670 noch das "Sorgenkind der ganzen Republik". Inzwischen lag der Wert bei 67, auch wenn er "durch eine einzige Großfamilie" vor drei Tagen noch einmal kurzfristig auf 98 hochgeschnellt war.

Corona-Maßnahmen: Kritik am CDU-Landesparteitag

"Welle 3 verstört die Leute wirklich, weil keine Perspektive erkennbar ist", beschrieb sie die aktuelle Stimmung, "Die Häute werden dünner." Das schlimmste aber sei der Neidkomplex, bekundete die Landrätin mit dem Herz am richtigen Fleck. "Es heißt dann: Ich kann noch nicht geimpft werden, aber der Bürgermeister wurde schon. Oder: Ich darf mit meinem Verein nicht beieinandersitzen, aber der Parteitag …", zählte sie auf.

Gemünzt war der letzte Satz auf den CDU-Landesparteitag in Dessau, bei dem am letzten Wochenende 100 Delegierte in einem geschlossenen Raum ohne Maske getagt hatten. Die befremdlichen Bilder liefen im Internet und im Fernsehen.

Nur Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, wollte nichts Falsches daran erkennen: "Es gab ein klares, abgestimmtes Gesundheitskonzept. Und alle waren vorher zu 100 Prozent getestet", wetterte er los und versuchte, den Live-Parteitag sogar als gute Nachricht zu verkaufen: "Das ist auch ein Zeichen, dass wir mit 100 Prozent Tests demnächst wieder Veranstaltungen machen können, bis hin zum Fußball, zu Theater und Kino."

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). © dpa | Ronny Hartmann

Als wenn Angriff sowieso die beste Verteidigung wäre, ging er dann unvermittelt auf die Medien los, vor allem auf die Öffentlich-Rechtlichen: "Wir haben Impfstoff noch und nöcher", schimpfte er, aber der bliebe liegen, weil die Sender ihrem Bildungsauftrag nicht nachgekommen seien und statt Informationen Quizsendungen gezeigt hätten.

Wehrhaft wie selten lief Markus Lanz an dieser Stelle zur Hochform auf: Regelmäßig würden zwei bis 2,5 Millionen Menschen seine Sendung zur späten Stunde sehen. Beim "Heute-Journal" seien es sonntags sogar bis zu 6,5 Millionen. "Das ist nicht nichts", verteidigte er, "genau da findet diese Aufklärung statt".

Haseloff: "Wir brauchen einen Faktor 10"

"Es sind aber 60 Millionen, um eine Herdenimmunität zu erreichen", entgegnete Reiner Haseloff störrisch und setzte im forschen Ton noch einen drauf: "Wir brauchen einen Faktor 10 – das ist die Marschrichtung für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, auch bei den anstehenden Reformen."

Claudia Kade, Politikchefin der "Welt", ließ sich durch diese Einschätzung ebenso wenig beirren wie Markus Lanz. Sie vermisste vor allem eine nachvollziehbare Strategie, nun auch wieder bei den Schnell- und Selbsttests: "Das hat Jens Spahn im Alleingang entschieden: Keiner wusste, wie das umgesetzt werden soll, auch die Apotheken nicht."

Corona-Schnelltest: Ein gutes Instrument

Dabei sei die Entscheidung, möglichst häufig zu testen, "ein sehr gutes Instrument" für eine vorsichtige Öffnung, erklärte Thorsten Lehr, Professor für klinische Pharmazie: "Auf Dauer sinken die Infektionswerte, weil man die Postiv-Getesteten frühzeitig herausnimmt."

Wie man an anderen Ländern sehen könnte, sei das Testen von Schülern und Lehrern besonders sinnvoll und effektiv. Zum Beispiel in Großbritannien, wo die Schulen am 8. März endlich wieder öffnen sollen, nachdem alle Schüler durchgetestet wurden.

18.02.2021, Berlin: Medizinisch geschultes Personal träufelt nach dem Abstrich für einen Corona-Schnelltest in eine Lösung auf die Antigen Testkasette.
18.02.2021, Berlin: Medizinisch geschultes Personal träufelt nach dem Abstrich für einen Corona-Schnelltest in eine Lösung auf die Antigen Testkasette. © Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld/dpa

Von dort konnte Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Studios London, sowieso nur positive Entwicklungen vermelden: "Den Engländern geht es gut. Jeder Dritte ist schon geimpft“, berichtete sie. Auch gäbe es ausreichend Impfdosen, weil man die Wiederholungsimpfung von drei auf zwölf Wochen gestreckt habe.

Bei dieser Impfgeschwindigkeit schätzte sie das Ziel von Premier Boris Johnson als durchaus realistisch ein, am 21. Juni alle Restriktionen aufzuheben. Die Briten jedenfalls seien zuversichtlich und machten schon schadenfrohe Witze: !In diesem Sommer fahren wir nach Mallorca und die Deutschen nicht."

"Markus Lanz" – So liefen die vergangenen Sendungen