Berlin. Brillanter Klartext-Talk im ZDF zum aus dem Ruder laufenden Duell zwischen Laschet und Söder – eine Abrechnung mit der „Harmonieshow“.

Es ist das Thema der Woche im politischen Berlin, und man hatte es lange kommen sehen: den Showdown zwischen Armin Laschet und Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union. Die Redaktion von „Markus Lanz“ hatte sich darauf eingestellt und beide Kontrahenten schon vor Wochen in die Sendung geholt.

Vor allem für den Auftritt von Laschet Ende März gab es von den Kritikern Bestnoten. Allerdings nicht für den Politiker, sondern für den Moderator. „Ein Interview wie ein Stierkampf“, schwärmte sogar der „Spiegel“. Markus Lanz habe seinen Gast – Achtung, Wortwitz – „mit gezielten Lanzismen in Sicherheit gewiegt“, um ihn dann „zur Strecke gebracht wie ein Matador das orientierungslose Rindvieh“.

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„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Markus Blume, CSU-Generalsekretär
  • Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg
  • Ursula Münch, Politologin, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing
  • Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin beim RedaktionsNetzwerk Deutschland
  • Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der "Welt"
  • Heiner Bremer, Journalist

Sogar der „Spiegel“ lobt Markus Lanz für seine „extremsportliche Gesprächsführung“

Auch das Kreuzverhör von Lanz mit Markus Söder Anfang April war dem Nachrichtenmagazin eine Story wert. Diesmal lobte der „Spiegel“ das „Sperrfeuer an Fragen“, mit dem der Mann vom ZDF den CSU-Vorsitzenden „in der K-Frage durch den Laden treiben“ wollte.

Auch wenn Lanz damit anders als bei Laschet nur ein „hart erkämpftes Unentschieden“ beschieden wurde, sei die „extremsportliche Gesprächsführung“ von Markus Lanz „allemal unterhaltsamer als alles“, was die Zuschauer derzeit „von politischen Talksendungen sonst so gewohnt sind“. Auch für weitere Politiker-Interviews erntete der Moderator von den Medien Anerkennung. So habe er die Linken-Chefin Susanne Henning-Wellsow, wie eine Zeitung schrieb, „regelrecht zerpflückt“.

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Am Dienstagabend startete Lanz einen neuen Anlauf, das Duell um die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU zum Mittelpunkt seiner Sendung zu machen. Die Gästeliste war nur auf den ersten Blick unspektakulär: Die Politologie-Professorin Ursula Münch hatte Mitte März bereits in der Runde bei „Anne Will“ im Ersten gesessen, „Welt“-Autor Robin Alexander ist ein Talkshow-Dauergast, und auch die Journalistin Eva Quadbeck von der Madsack Mediengruppe ist im TV keine Unbekannte. Heiner Bremer war auch dabei, dafür fehlte der angekündigte SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil. Hinzu kamen zwei Unionspolitiker: CSU-Generalsekretär Markus Blume und der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter.

Krach in der Unions-Fraktionssitzung: „Löst es mit Mikado oder Russisch Roulette!“

Beide hatten an der denkwürdigen Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion teilgenommen, in der der Streit um Söder und Laschet eskaliert war. Und beide machten einen Fehler, den Markus Lanz nicht durchgehen lässt: Sie versuchten sich im Schönreden eines Konflikts, der in den Parteien kaum mehr zu kitten ist und dessen unschöne Details Robin Alexander genüsslich vortrug.

In der Fraktionssitzung seien die Fetzen geflogen. „Du bist Opportunist, und Du bist eine Lusche“, hätten auf den Punkt gebracht die Vorwürfe gegen Söder und Laschet gelautet. Der „Welt“-Journalist zitierte eine Twitter-Botschaft eines CDU-Abgeordneten, die dieser aus der laufenden Sitzung abgesandt habe: „Löst es mit Mikado oder Russisch Roulette!“

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Die per Videoscreen zugeschalteten Parteigänger Blume und Kiesewetter waren bemüht, die Wogen zu glätten. Man habe „zwei herausragende Kandidaten am Start“ und eine „durchaus beachtliche“ Fraktionssitzung erlebt. Nun werde es eine „gemeinschaftliche Entscheidung“ geben. Bei soviel „Politikersprech“ Lanz ging gleich dazwischen: „Sie sorgen gerade für große Heiterkeit in der Runde“.

Tatsächlich waren die Urteile der anwesenden Journalisten mit Blick auf die Außendarstellung der Union angesichts des Führungsstreits vernichtend. „Ein trauriges Schauspiel, das mich fatal an den Niedergang der SPD erinnert“, befand Heiner Bremer. „Diese Art des Gesundbetens ist bezeichnend für die Lage der Union“, ergänzte Eva Quadbeck. Und, an die beiden Politiker gewandt: „ich hätte doch zumindest erwartet, dass ich hier von Ihnen nicht komplett veräppelt werde.“

„Sie haben nicht ansatzweise auf meine Frage geantwortet“

Vor allem Kiesewetter hatte einen schweren Stand. Der Abgeordnete hatte sich in der Sitzung zu Laschet bekannt, allerdings war er damit nur einer von vier Vertretern aus Baden-Württemberg, 34 weitere hatten sich entweder nicht geäußert oder für Söder als Kanzlerkandidat plädiert.

Als Kiesewetter von „hervorragenden Beiträgen beider Kandidaten“ sprach, konterte Lanz: „Sie versuchen hier, Schönwetter zu machen.“ Und hakte bei der nächsten Antwort nach und tadelte die Ausflüchte des Abgeordneten: „Das war nicht meine Frage.“ Und kurz darauf: „Sie haben wieder nicht ansatzweise auf meine Frage geantwortet. Was ist das für ein Gespräch?“ Der CDU-Politiker kleinlaut: „Das sind aber doch die großen Fragen.“ Lanz: „Aber das war nicht meine Frage.“

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Blume erging es kaum besser. Der CSU-General musste den überraschenden Vorstoß von Markus Söder in der K-Frage und dessen widersprüchliche Aussagen rechtfertigen, was dank eines glänzend aufgelegten Moderators nicht wirklich gelingen wollte. Für Markus Söder seien Umfragewerte „mal wichtiger, und zuletzt im Februar nicht so wichtig“. Blume wand sich: „Man sollte sich breit abstützen…“ Der Moderator unterbricht ihn: „Wir haben das begriffen.“

Der CSU-Chef habe seine Meinung immer wieder gewechselt, in der Flüchtlingsfrage oder auch beim Euro: „Sie sind von der dunklen Seite der Macht auf die helle Seite gewechselt. Wie glaubwürdig ist das?“ Man wisse nie so genau, wer eigentlich „der echte Markus Söder“ sei, meinte Eva Quadbeck. Und Robin Alexander kritisierte: „CSU-Positionen haben sich um 180 Grad geändert, und niemand hat das erklärt.“ Vielleicht sehe er das zu sehr durch Söders „rosarote Brille“, räumte Blume ein. Lanz: „Die ist dunkelschwarz, mit grünen Einsprengseln.“

Das „Narrativ vom starken Söder“ und andere Journalisten-Irrtümer

So ging es weiter und 75 Minuten lang immer nur um ein Thema: den Machtkampf in der Union. Dass diese Sendezeit für die Zuschauer dennoch interessant und kurzweilig war, lag an den Studiogästen und dem Moderator, die den zugeschalteten Politikern erbarmungslos die Grenzen ihrer Parteitags-Rhetorik aufzeigten.

Dass Markus Söder jedoch trotz seiner Ankündigung vom Wochenende, sich einem Mehrheitsvotum der Schwesterpartei zu beugen, nur einen Tag später in die Offensive ging, hat dann aber sogar die Experten überrascht. „Ich habe mich geärgert, dass ich so naiv war, ihm zu glauben“, sagte Politologin Ursula Münch. Auch Eva Quadbeck und Robin Alexander gestanden, sie hätten Söders Aussage vertraut. „Frage an den CSU-General“, so Lanz, „sind wir alle doof?“

Eine Antwort auf diese Frage gab es nicht, wie auch nicht darauf, wer von beiden Kandidaten das Rennen machen wird. Laschet werde von den Medien unterschätzt, erklärte Lanz, das „Narrativ vom starken Söder“ zeichne vielleicht ein falsches Bild. Auch Robin Alexander ist überzeugt, dass Laschet zur Härte fähig sei. Er habe aber im Duell mit dem CSU-Herausforderer Fehler gemacht, und jetzt sei „das Kind wirklich im Brunnen“.

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Es müsse nur ein mächtiger CDU-Unterstützer des Parteichefs „umkippen“, dann sei das Rennen um die K-Frage wieder völlig offen. So endete auch die Runde bei „Markus Lanz“ wie so viele Talkshows mit dem Fazit: Nichts Genaues weiß man nicht. Der Moderator verabschiedete sich launig: „Es hat Spaß gemacht heute Abend.“ Das galt auch für die Zuschauer – und von welchem Polit-Talk kann man das derzeit sonst schon behaupten?

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen