Berlin. Die ARD-Wahlarena ist unberechenbar. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gelingt es aber, locker zu bleiben und doch sattelfest zu wirken.

  • Als Favorit geht Olaf Scholz am Dienstagabend in die ARD-"Wahlarena"
  • Dort stellt er sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger
  • Der SPD-Kanzlerkandidat bleibt ruhig und souverän - bei fast allen Fragen

Normale Menschen stellen normale Fragen – das ist die Wahlarena. Nicht immer spannend, aber oft unberechenbar. Der Abend – live aus dem Lübecker Hafen - beginnt mit einer Frage nach dem Mindestlohn. Eine Steilvorlage für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Ein Gastwirt aus Hannover will eine Kompensation für die Ausbildung. Scholz antwortet indirekt: Eine Ausbildung zu fördern, sei immer möglich. Auch ein Lobbyist hat sich in die Runde eingeschmuggelt, ein Verbandsfunktionär von Dehoga fragt nach dem reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie. Scholz deutet an, dass die Ermäßigung nie wieder abgeschafft wird.

Anthrazitfarbener Anzug, weißes Hemd, natürlich kragenlos. Scholz kommt leger und locker daher. Keine Frage wird ihn aus dem Konzept bringen, er wird keine Antwort schuldig bleiben. Bis auf eine.

Bundestagswahl: Scholz schließt Rot-Rot-Grün nicht aus

„Kann ich die SPD wählen, ohne die Linksparte in die Regierung zu wählen“, fragt ein 18-Jähriger. Scholz antwortet lang und ausschweifend, er redet von EU und Nato. Mit ihm könne es nur eine Regierung geben, „die damit einverstanden ist“.

„Herr Scholz, sie haben die Koalitionsfrage nicht beantwortet“, ermahnt einer der zwei Moderatoren. Scholz weicht aus: Darüber entscheiden die Wähler. Und: „Auf dem Kanzler kommt es an.“ Leichter fällt die Antwort, ob er eine Große Koalition ausschließen könne. Typisches Scholz-Grinsen, dann der süffisante Satz: „Mein Ziel ist es, dass sich die Union erst mal in der Opposition erholen kann.“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht in der ARD-Wahlarena zur Bundestagswahl.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht in der ARD-Wahlarena zur Bundestagswahl. © Axel Heimken/dpa | Axel Heimken/dpa

Afghanistan: Olaf Scholz verspricht mehr Geld für Bundeswehr

Eine festgelegte Reihenfolge ist in der 75minütigen Sendung nicht erkennbar. Wie zufällig ruft WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni, wer ihr unter den 60 Zuschauerinnen und Zuschauern im Studio in den Blick kommt. Zwischendurch werden auch Fragensteller online zugeschaltet. Emotional wird es, als ein Ex-Soldat wissen, wie Scholz ein Szenario wie in Afghanistan vermeiden will.

Man spürt, wie angefasst der Mann ist. „Was unternehmen Sie, dass sowas wie auf dem Flughafen Kabul nicht mehr passiert?“ Der Finanzminister verspricht mehr Geld und eine bessere Ausstattung. „Dafür werde ich auch sorgen“, verspricht der Sozialdemokrat.

Corona: Olaf Scholz glaubt, die Pandemie sei bald vorbei

Die Moderatoren halten sich zurück, aber sind hellwach. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz schnappt ein großes Wort des Kandidaten auf: Corona sei ja bald vorbei, hatte Scholz erklärt. „Ich habe es mir gemerkt“, hält Cichowicz fest.

Eine Verkäuferin, die von einem Ladendieb schwer geschlagen wurde, will wissen, ob ein Opfer bei der Justiz „nicht das zweite Mal zum Opfer wird“. Der Täter war mit einer Geldstrafe davongekommen, die Verkäuferin im Krankenhaus gelandet.

Scholz zeigt Mitgefühl. „Es ist schrecklich, was Sie erlebt haben.“ Gerichte müssten auch Strafen verhängen, „die auch der Tat entsprechen“. Als die Frau unzufrieden bleibt, legt er nach: „Sie können sich darauf verlassen, das ist mir ein ernsthaftes Anliegen.“ Es ist schwierig, Einzelschicksalen spontan gerecht zu werden.

Olaf Scholz will Riester-Rente „neu machen“

Ein großer Block dreht sich um die Rente. Ein Ruheständler rechnet seine Rente vor: nur 1.400 Euro im Monat. Der Mann ist mit allem unzufrieden, Abzügen, Riester-Rente, der Altersgrenze. Scholz macht gleich drei Versprechungen: Er wolle die Altersgrenze nicht anheben („klare Ansage“), das Rentenniveau halten („das garantiere ich“) und Riester „neu machen“.

Ein Mann aus Saarbrücken bedrängt ihn, die Kündigungszeit bei Mieten von drei auf einen Monat zu reduzieren – Scholz vermeidet es, ihm nach dem Mund zu reden und hält sich alles offen.

Jeder Fragesteller bleibt sachlich, niemand giftet ihn an, ein Steuerexperte fragt immerhin, ob er ihm trotz einiger Skandale das Vertrauen aussprechen könne. Kurzer Exkurs zum Wirecard-Skandal, „wir haben jetzt dafür gesorgt, dass alle Gesetze geändert werde“. Mühelos redet sich Scholz aus der Affäre.