Dortmund. Ein Mord, vermeintliche Polizeigewalt, Rassismus und die Gefahr sozialer Medien: Der neue „Tatort“ aus Dortmund wirkt überfrachtet.

Es beginnt, wie ein Tatort meist beginnt. Mit einer Leiche. In diesem Fall ist es eine junge Frau, die – erschlagen und in Brand gesteckt – im Keller eines anonymen Wohnblocks liegt. Doch was wie ein klassischer Krimi startet, will schnell ein Lehrstück über Rassismus, Vorurteile und die Macht der sozialen Netzwerke werden. Keine „Heile Welt“ in Dortmund.

Maulfaul, etwas unfreundlich, ja diese Frau passt gut zur Dortmunder Mordkommission. „Ich bin die Neue“, stellt sich Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) kurz angebunden vor, und schon ist sie mitten drin in den Ermittlungen, die sich kompliziert gestalten. Sollte hier eine Vergewaltigung vertuscht werden? Ging es um Drogen? Und welche Rolle spielt der schmierige Hausmeister (Sven Gey)?

"Tatort" Dortmund: Die Situation eskaliert immer weiter

Das alles wäre wahrscheinlich genug gewesen, um 90 Minuten bequem zu füllen, ist in diesem Fall aber nur Beiwerk. Denn wegen der Kokainspuren am Tatort will Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) den 19-jährigen, einschlägig bekannten Sohn einer syrischen Flüchtlingsfamilie aus dem Wohnblock festnehmen.

Und weil Hakim (Shadi Eck) sich wehrt, geht es dabei etwas robuster zu. Nichts Besonderes eigentlich, aber wie heute üblich von mehreren Handy-Kameras gefilmt und ins Netz gestellt.

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Woraufhin die Ereignisse sich überschlagen und Bönisch in den Mittelpunkt der Folge gerät. Die rechte Szene jubelt, von links gibt es erst Beschimpfungen, dann Tätlichkeiten. „Nazi über Nacht, das ist doch absurd!“, versteht Bönisch die Welt nicht mehr, als sie vom Dienst suspendiert wird.

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    Dieser „Tatort“ tritt bewusst nach allen Seiten

    Angeheizt von der linken Influencerin Annika Freytag (Jaela Probst) eskaliert die von der Kommissarin zunächst unterschätzte Situation Stunde um Stunde, bis in dem heruntergekommenen Wohnblock schließlich alle Beteiligten aufeinanderprallen. Antifa und Neonazis, Netztrolle und integrationsunwillige Migranten – dieser „Tatort“ tritt bewusst nach allen Seiten, kann allerdings nur selten neue Facetten der einschlägigen Milieus ausleuchten.

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    Der Rest des Ermittlerquartetts gerät bei all dem zwangsläufig in den Hintergrund. Das tut vor allem Faber (Jörg Hartmann) nicht gut, der zeitweise wie unter Valium ermittelt und sich – eifersüchtig auf Bönischs neue Liebe – noch mehr als üblich zurückzieht. Wirklich ungewöhnlich ist dieses Mal nur, dass er seinen Saab 900 gegen einen alten Opel Manta B eingetauscht hat, aus dessen Kassettenrekorder ständig „Sunshine Reggae“ klingt.

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    Am Ende löst Faber den Fall

    Auch Pawlak (Rick Okon) muss erneut mehr mit privaten Problemen kämpfen, als mit Verbrechern. Und die Neue sorgt bei den Kollegen mit ihrem Misstrauen für weiteren Unmut. Von einem echten Ermittlerteam jedenfalls sind die vier so weit entfernt, wie Schalke 04 von der Meisterschale. Immerhin, am Ende löst Faber den Fall. Aber wie er das macht, geht in dem Wust an Ereignissen fast ebenso unter wie das Debüt von Stefanie Reinsperger.

    Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) im Einsatz.
    Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) im Einsatz. © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin | WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin

    Gespielt wird das alles – wie meistens im Dortmunder Tatort – sehr gut, und auch visuell gibt es wenig zu meckern. Trist wirkt die Stadt, heruntergekommen die fiktive Hochhaussiedlung namens „Gerberzentrum“, die im echten Leben nahe Leverkusen steht. Nur die außer Kontrolle geratene Demo gegen Ende ist etwas zu plakativ und aufgesetzt geraten.

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    „Heile Welt“ ist ein Film mit vielen – vielleicht zu vielen – Botschaften, von denen die meisten lange bekannt sind. Mit einem Krimi jedenfalls hat dieser Dortmunder Tatort nur am Rande zu tun.

    „Tatort: Heile Welt“ läuft am Sonntag, 21. Februar, um 20.15 Uhr im Ersten.

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