Berlin. Am Ende gewinnen beim SPD-Parteitag doch die Groko-Befürworter. Bei „Anne Will“ erklärte Juso-Chef Kevin Kühnert seine Sicht der Dinge.

Ein neues Führungsduo, weniger „schwarze Null“ und eine Vermögenssteuer: Die SPD ist auf ihrem Parteitag ein wenig nach links gerückt. Bei „Anne Will“ wurde am Sonntagabend passend dazu die Frage nach der Zukunft der großen Koalition gestellt. Die Gästeliste versprach eine interessante Diskussion:

  • Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär
  • Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender und seit dem Wochenende SPD-Vize
  • Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts
  • Jagoda Marinic, Schriftstellerin
  • Cerstin Gammelin, Journalistin der „Süddeutschen Zeitung“

Kevin Kühnert gerät in Erklärungsnot

Zunächst war interessant, wie Kühnert Argumente dafür suchte, dass der linke Flügel auf dem Parteitag doch irgendwie gewonnen hat. Das kann durchaus bestritten werden: Immerhin wurde statt des von manchem Mitglied erhofften Groko-Austritts ein weichgespültes „wir suchen Gespräche mit der Union“ beschlossen. Auch sind die neuen linken Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zumindest teilweise vom Establishment-Establishment eingerahmt.

„Man kann Verhandlungen anders führen, als in der Vergangenheit“, sagte Kühnert mit Blick auf das, was er von Esken und Walter-Borjans erwartet. Darin sieht er einen Beleg dafür, dass es eben kein „Weiter so“ geben wird.

Die SPD habe zu lange in Kompromissen gedacht, führte der Juso-Chef aus. „Das macht eine Partei klein und Unterschiede zu anderen Parteien unsichtbar.“ Kühnert hofft stattdessen nun auf harte Verhandlungen mit der Union – unter der Option, die Groko im Zweifel auch zu beenden.

Koalitionsausschuss: So hart werden die Gespräche wohl nicht

Aber ist Letzteres wirklich ein realistisches Szenario? Im Schlagabtausch mit Paul Ziemiak wurde deutlich, dass selbst Kühnert nicht so recht daran zu glauben scheint. Der CDU-Generalsekretär lehnte neue Verhandlungen, etwa zur schwarzen Null oder einem Mindestlohn von zwölf Euro, rundheraus ab.

Und Kühnert? Gab sich überraschend zahm. Im nächsten Jahr werde die für den Mindestlohn zuständige Kommission das Instrument doch sowieso evaluieren. Und überhaupt: „Lasst uns doch mal reden – und sagt, was eure Standpunkte sind“, forderte der Juso-Chef.

Höherer Mindestlohn, mehr Investitionen: Wo ist die Radikalität hin?

Damit skizzierte Kühnert den wahrscheinlichen Ablauf: SPD und Union werden miteinander sprechen, wie es der Koalitionsvertrag ohnehin vorsieht. Dabei wird man möglicherweise manche Einigung finden, schließlich ist man auch in der Union nicht grundsätzlich abgeneigt, wenn es um einen höheren Mindestlohn oder mehr Investitionen geht.

SPD-Parteitag bestätigt Esken und Walter-Borjans als neues Spitzenduo

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    „Die Radikalität ist für mich völlig verschwunden“, stellte jedenfalls richtig die Schriftstellerin Jagoda Marinic fest. Binnen weniger Tage sei die große Hoffnung, die vom klaren Votum der Ur-Wahl für Esken und Walter-Borjans ausging, eingedampft worden. Der Kühnert-Flügel sei eigentlich der Verlierer, sagte auch Cerstin Gammelin von der „Süddeutschen Zeitung“.

    Sei skeptisch, wenn der Ökonom dich lobt

    Dass diese Analyse zutreffend ist, belegten auch die Äußerungen von Clemens Fuest. Schließlich müssen sich linke Sozialdemokraten immer sorgen, wenn ihre Partei von wirtschaftsfreundlicheren Ökonomen wie dem Chef des ifo-Instituts gelobt werden.

    „Das, was auf dem Tisch liegt, ist relativ zahm“, sagte Fuest mit Blick auf die Beschlüsse des SPD-Parteitags. Er könne verstehen, wenn die Parteilinke damit nicht zufrieden sei. Er aber sei hoffnungsfroh, dass diese Koalition nun doch noch etwas zustande bringen werde.

    Das Fazit

    Diese Ausgabe von „Anne Will“ machte noch einmal deutlich, dass bei der SPD am Ende doch alles kälter gegessen wird, als es gekocht wurde. Der große Linksruck mit glaubwürdigem Szenario für einen Groko-Austritt ist wohl erstmal vom Tisch: Vieles spricht dafür, dass dieses Regierungsbündnis die Legislaturperiode doch noch vollmachen wird.

    Das wäre für Deutschland keine schlechte Variante. Für die SPD aber schon: Die vielbeschworenen 30 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl wird sie so kaum holen.

    Lesen Sie hier:

    Die SPD ist durch den Parteitag deutlich nach links gerückt. Was dies nun für die Zukunft der Partei bedeutet und warum die SPD nach nun schnell ihre Entscheidungen umsetzen muss. Vor Weihnachten soll noch der Koalitionsausschuss zusammenkommen: Hier liegen die Konfliktlinien zwischen Union und SPD.

    Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek