Berlin. Olaf Scholz hat ein Gesetz zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages vorgelegt. Doch es ist nur ein erste Schritt zu diesem Thema.

Was das Gesamtaufkommen betrifft, war der Solidaritätszuschlag schon bisher ein unübersehbarer Beitrag der Reichen, der Besserverdienenden. Aber drei Dinge waren für alle gleich und nachvollziehbar. Erstens die Höhe des Zuschlags, 5,5 Prozent. Zweitens der Kreis der Betroffenen: alle, die Körperschaft- oder Einkommensteuer zahlen. Drittens die formale Begründung, der Aufbau Ost.

Die Begründung war bestenfalls die halbe Wahrheit. Der Soli ist keine zweckgebundene Abgabe. Er ist eine Steuer. Aus dem Topf, aus dem der Aufbau Ost finanziert werden sollte, zum Beispiel der Ausbau der Infrastruktur, hat sich der Bund nach Belieben bedient. In Wahrheit ist der Zuschlag seit Langem ein Etikettenschwindel, eine Mogelei.

Miguel Sanches kommentiert den Gesetzesvorschlag von Olaf Scholz zum Solidaritätszuschlag.
Miguel Sanches kommentiert den Gesetzesvorschlag von Olaf Scholz zum Solidaritätszuschlag. © Reto Klar | Reto Klar

Schluss damit. Der Soli sollte gestrichen werden – und zwar für alle. Der Zuschlag ist aus der Zeit gefallen. Er passt nicht in die politische Landschaft. Da der Solidarpakt Ost ausläuft und der Bund-Länder-Finanzausgleich nicht länger nach der Himmelsrichtung, sondern nach dem Bedarf austariert werden soll, ist die Legitimation der Abgabe entfallen.

Solidaritätszuschlag ohne Solidarpakt nicht mehr vertretbar

Hinzu kommt, dass die Steuereinnahmen seit Jahren hervorragend sind – kein Vergleich mit den 90er-Jahren, der Entstehungszeit des Solidaritätszuschlages. Schon 2017 hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu bedenken gegeben, dass der Soli auf Dauer nicht zu halten sei, das lasse die Verfassung nicht zu. Mit dem Ende des Solidarpakts werde die Frage mit jedem Jahr dringender.

Scholz handelt jetzt wider besseres Wissen, aber ganz auf der Linie der großen Koalition. Sie hat nichts anderes verabredet als einen Abbau. Und nicht etwa die Streichung. Insofern vergießen die Christdemokraten gerade Krokodilstränen. Bezeichnend ist, dass CSU-Landesgruppenchef Dobrindt davon redet, den Soli in der nächsten Legislaturperiode endgültig vollständig abzubauen. Wohlgemerkt: nicht jetzt, später.

Der Gesetzentwurf von Minister Scholz ist politisch ein Arrangement und juristisch eine Risikonummer.

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Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selbst welche. Die Liberalen haben den Soli zweimal eingeführt, 1991 auf ein Jahr begrenzt, erneut 1995 und diesmal sogar unbefristet. Zugleich haben sie auch die schärfsten Kampa­gnen gegen ihn gefahren. Sie müssten sich wegen des Solis selbst hassen.

Soli-Abschaffung: Kommt noch der zweite Schritt?

Zwei Wörtchen im Gesetzentwurf sind nicht unwichtig. Dort ist von einem „ersten Schritt“ die Rede. Wo ein erster Schritt ist, sollte logischerweise auch ein zweiter folgen. Das könnte der Dreh sein, um vielleicht doch noch einmal das Verfassungsgericht in Karlsruhe davon zu überzeugen, dass der Soli ein Auslaufmodell ist. Glaubwürdiger wäre es, Scholz hätte gleich den zweiten Schritt terminiert, also ein Enddatum genannt.

Unterm Strich formuliert der Finanzminister vorsichtiger als seine Partei.

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Man wolle keine milliardenschweren Steuergeschenke verteilen, sondern Geld für Investitionen in Bildung und Klimaschutz nutzen. Das sind zwei gute Ziele. Wenn sie die Besserverdienenden stärker heranziehen wollen, müssten die Sozialdemokraten den Spitzensteuersatz erhöhen, Vermögen oder Erbschaften stärker besteuern oder eine Millionärssteuer einführen. Der Solidaritätszuschlag ist die falsche Etikette. Solidarität mit wem?

Die SPD hängt am Soli, weil sie genau weiß, dass sie für andere Einnahmequellen keine Mehrheit hätte. Im Kleinen, an einem relativ überschaubaren Projekt wie dem Soli, erkennt man die Selbstblockade der Partei: Ist es wirklich so schwer, sich ehrlich zu machen?