Erfurt. Die Erinnerungen an die DDR sind für die Thüringer voller Widersprüche. Zwar möchte kaum jemand die DDR zurückhaben. Dennoch erinnern sich viele gerne an das Leben im Osten vor 1990.

Mehr als dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung haben viele Menschen in Thüringen laut einer Studie ein ambivalentes Bild der DDR. Die DDR werde von vielen Menschen nur geringfügig schlechter gesehen als das Deutschland von heute, sagte der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi, am Mittwoch in Erfurt. "Zurückhaben will die DDR aber eben auch keiner." Eine von ihm beauftragte Studie zeige, dass viele Menschen im Freistaat zwar ein negatives Bild von vielen Details des Lebens in der DDR hätten. Insgesamt sei das positive DDR-Bild "aber ein sehr feststehendes", sagte Wurschi.

Für die Studie waren etwa 1000 Thüringer repräsentativ befragt worden. Sie ist Teil eines größeren Projektes des Landesbeauftragten mit dem Titel "Geteilte Erfahrungen". Darin wird auch die Lage von Menschen untersucht, die Opfer des SED-Unrechts geworden sind.

Mangelnde Reise- oder Meinungsfreiheit beklagt

Etwa jeder zweite Thüringer hat demnach ein positives Bild von der DDR. Etwa jeder Dritte hat ein negatives DDR-Bild, etwa jeder Fünfte sagt, er habe einen neutralen Blick auf diesen Staat. Als negative Alltagserfahrungen aus DDR-Zeiten sehen viele Menschen in Thüringen etwa die mangelnde Reise- oder Meinungs- und Pressefreiheit damals. Auch den damaligen Zustand der Städte bewerten viele Menschen negativ.

Wurschi sagte, die Studie decke sich mit seinen persönlichen Erfahrungen aus verschiedenen Aufarbeitungsprojekten. In einem Fall habe ein älterer Mann gegenüber einer von ihm betreuten Schülergruppe gesagt, dass in der DDR alles schön gewesen sei - bis auf die Tatsache, dass es dort keine Demokratie gegeben habe.

Bei Debatten über die DDR sei es wichtig, diese Widersprüche von verschiedenen Erinnerungen anzuerkennen. "Mit dieser Ambivalenz, die sich dahinter verbirgt, sollte man normaler umgehen", sagte Wurschi. "Das muss man miteinander zumindest aushalten können." Es sei möglich gewesen, in der DDR ein glückliches Leben zu führen, wenngleich die Erinnerungen daran nicht ausblenden dürften, dass der SED-Staat eine Diktatur gewesen sei, in der vielen Menschen schweres Unrecht angetan worden sei.

Ostdeutsche empfinden sich als Opfer der SED

Dafür, dass es in so großen Teilen der Gesellschaft noch immer ein so positives DDR-Bild gibt, macht Wurschi mehrere Gründe verantwortlich. Menschen seien bestrebt, sich zumindest in ihrer Erinnerung eine eigene, stringente Biografie zu schaffen. Dabei würden regelmäßig negative Dinge und Brüche ausgeblendet. Zudem sei in der Politik, in den Schulen und auch in den Medien nach 1990 stark vereinfachte Bilder von der DDR vermittelt worden. Es habe dort eine "Sehnsucht nach Einfachheit" gegeben, die bis heute tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis in Ostdeutschland hinterlassen habe, sagte Wurschi.

Problematisch sei zudem, dass sich viele Ostdeutsche heute ungeachtet ihrer positiven Bewertung der DDR als Opfer der SED fühlten - und dabei vergäßen, wer die tatsächlich vom SED-Unrecht Betroffenen seien. Das führe dazu, dass sich manchen aus dieser letzteren Gruppe heute noch an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlten.

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