Berlin. Die wohl älteste Schatzkarte der Welt führt Archäologen in Frankreich zu unbekannten prähistorischen Stätten – und das sogar in 3D.

Schatzkarten erwartet man normalerweise auf Papier, Pergament oder Papyrus zu finden. Eine gestrichelte Linie, die zu einem X führt: So wird in vielen Piratenfilmen die Spur zu Gold und Juwelen dargestellt. Französische Archäologen erhoffen sich dagegen von einem rund 4000 Jahre alten Stein, dass er sie zu ihren kühnsten Träumen führt: zur Entdeckung einmaliger Stätten aus der Bronzezeit.

Die sogenannte Platte von Saint-Bélec ist 2,2 mal 1,53 Meter groß und mit markanten Gravuren überzogen. Bei ihrer Entdeckung in der französischen Bretagne war ihre Bedeutung ein Rätsel. Erst 2021 erklärten Forscher sie zur Europas ältesten Karte.

Seitdem versuchen die Archäologen die darauf abgebildeten frühgeschichtlichen Monumente in Frankreich zu lokalisieren. „Die Karte zu benutzen, um archäologische Stätten zu finden, ist ein toller Ansatz. So arbeiten wir sonst nie“, zitiert die Nachrichtenagentur AFP Yvan Pailler, einen beteiligten Professor der Universität der Westbretagne.

Schatzkarte aus Bronzezeit zeigt Gebiet in 3D

Unter normalen Umständen müssen Archäologen mühsam eine Landschaft durch Scans oder Luftaufnahmen nach unregelmäßigen Mustern durchsuchen. Später stellen sich dann diese Auffälligkeiten vielleicht als Tempel, Grabanlage oder Siedlung heraus. Oft müssen Wissenschaftler auch erst darauf warten, dass Bauarbeiten oder Erdbeben zufällig Tausende Jahre alte Überreste freilegen. Da kommt die Karte in Form der Saint-Belec-Platte den Forschern sehr gelegen. „Es ist eine Schatzkarte“ , so Pailler.

Die Platte könnte ein Flusstal in der Bretagne samt Bergen und Siedlungen darstellen. Forscher schätzen, dass es 15 Jahre dauern wird, die Karte zu entziffern.
Die Platte könnte ein Flusstal in der Bretagne samt Bergen und Siedlungen darstellen. Forscher schätzen, dass es 15 Jahre dauern wird, die Karte zu entziffern. © picture alliance/dpa/Bournemouth University | Denis Gliksman

Laut den Archäologen zeigt die Karte aus Schiefer eine rund 30 mal 21 Kilometer große Gegend in der westlichen Bretagne. Demnach überschneiden sich die Gravuren auf dem Stein mit dem Flusstal Odet und dem umliegenden Flussnetzwerk. Erhebungen auf der Platte könnten sogar Berge oder Hügel darstellen, sie sei also 3D.

Es gebe eine 80 prozentige Übereinstimmung mit der in Frage kommenden Gegend. Clement Nicolas vom CNRS-Forschungsinstitut schätzt, dass es 15 Jahre dauern könnte bis man das Gebiet mit den Markierungen verglichen habe. So könnten einige Elemente übergroß dargestellt und Entfernungen nicht unbedingt proportional abgebildet sein. Die Platte ist übersät mit kleinen Löchern, von denen die Forscher annehmen, dass sie Grabanlagen, Siedlungen oder geologische Ablagerungen symbolisieren.

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Steinkarte könnte Königreich aus der Bronzezeit darstellen

Ein örtlicher Archäologe stoß auf die Platte von Saint-Bélec bereits im Jahre 1900 bei einer Grabung auf einem prähistorischen Gräberfeld in Finistère, dem westlichen Zipfel der Bretagne. Hier wurde die Karte als Wand in einer steinernen Grabanlage verwendet. Als sie 1924 in eine Museumssammlung überging, verliert sich die Spur der Steinplatte. Erst 2014 entdeckten Archäologen sie in einem Keller eines Schlosses nordwestlich von Paris wieder.

Sie datieren die Entstehungszeit der Steinplatte auf die frühe Bronzezeit zwischen 2150 und 1600 v. Chr. Laut den Forschern könnte die Karte zu einem alten Königreich gehört haben, das durch Aufstände zusammenbrach. Damit verlor die Karte ihren Zweck und wurde als Baumaterial verwendet.

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