Berlin. Bisher konnten Automarken aus China in Europa noch nicht den großen Durchbruch feiern. Doch jetzt gibt der VW-Partner SAIC seinen Einstand und will mit dem Elektro-SUV MG ZS den Markt aufrütteln. Hat der Herausforderer das Zeug dazu?

MG kommt auf einem Umweg über China zurück auf den deutschen Markt. Fast 20 Jahre nach der Pleite des britischen Herstellers ist "Morris Garag" wieder da. Zumindest dem Namen nach.

Denn wenn noch vor dem Sommer als erster MG einer neuen Ära auch bei uns der elektrische Geländewagen MG ZS an den Start geht, dann kommt der nicht aus England, sondern aus China. Und statt eines Verbrenners hat er unter der Haube einen Elektromotor. Groß wie ein VW T-Roc und trotz ordentlicher Ausstattung nach aktueller Planung schon knapp unter 32.000 Euro zu haben, will er so den Boom der Akku-Autos beflügeln und für noch mehr Leben an der Ladesäule sorgen.

Kein Klon aus dem Copy-Shop

Als SUV von 4,31 Metern zielt er dabei auf die Mitte des Marktes: Geräumig geschnitten, mit genügend Platz auf allen Plätzen und mindestens 448 Litern Kofferraum konkurriert er unabhängig vom Antrieb mit Bestsellern wie dem VW T-Roc, dem kommenden Opel Mokka oder Importmodellen wie dem Kia Stonic oder dem Hyundai Kona - nur, dass er als Stromer kaum mehr kostet als dort die Benziner.

Mit den vorherrschenden Vorurteilen über Autos aus China hat der MG dabei wenig gemein. So wirkt er anders als viele Billigautos nicht wie ein Klon aus dem Copy-Shop, sondern hat ein zwar dezentes aber durchaus ansprechendes Design. Der Innenraum riecht weder nach Lösungsmitteln und Klebstoff, noch strotzt er vor Hartplastik. Vielmehr wirkt das Ambiente so wertig und schmuck wie in einem Kia oder Toyota. Die Sitze sind bequem und geben genügend Seitenhalt. Und während die ersten Importe aus China beim Crashtest durchfielen, trägt der MG stolz fünf Sterne. Ganz offenbar hat die Konzernmutter SAIC in der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit dem VW-Konzern viel gelernt.

Die Zukunft muss warten

Und anders als Start-ups wie Nio oder Byton will MG uns auch nicht in die Zukunft beamen. Während einige Newcomer im Kampf gegen Tesla und Co radikal auf Digitalisierung und riesige Bildschirmlandschaften setzen, sind die Instrumente im ZS noch weitgehend analog, und Schalter hat er auch noch mehr als genug. Dennoch ist viel Hightech an Bord. Ein Touchscreen-Infotainment etwa fehlt auch hier nicht. Zudem verfügt der ZS bereits serienmäßig über einen elektronischen Co-Piloten, der automatisch den Anstand regelt und die Spur hält, es gibt Assistenten fürs Fernlicht und den Fußgängerschutz, und auf dem Touchscreen läuft eine Rückfahrkamera.

Dafür spart MG ein wenig beim Antrieb. Unter der Haube streben die Chinesen anders als viele Konkurrenten nicht nach imposanten Zahlen, sondern geben sich eher pragmatisch: der Motor, der allein die Vorderachse antreibt, leistet 105 kW/143 PS, die Höchstgeschwindigkeit ist auf 140 km/h limitiert, und die Batterie hat lediglich eine Kapazität von 44,5 kWh. Die Reichweite liegt nach WLTP-Norm somit ebenfalls nur bei 263 Kilometern. Das ist zu wenig zum Angeben und natürlich auch nicht genug für die Langstrecke. Aber das reicht allemal für den Alltag zwischen Wohnung, Kindergarten und Büro. Und der Sprint von 0 auf 100 km/h in kaum mehr als acht Sekunden kann sich auch sehen lassen. Außerdem hat der kleinere Akku gleich mehrere Vorteile: Er ermöglicht erst den niedrigen Preis, er braucht weniger Platz und bringt weniger Mehrgewicht, und die Ladezeiten sind kürzer: Über die Buchse hinter dem Kühlergrill an einer öffentlichen Säule mit Gleichstrom eingestöpselt, ist ein leer gefahrener MG ZS im besten Fall in 40 Minuten wieder zu 80 Prozent voll.

Passables Fahrverhalten

Am Fahrverhalten gibt es nichts zu bemängeln, und Fahrwerk und Bremsen überzeugen mit einem verbindlichen Set-Up. Nur die Lenkung ist fast unangenehm leichtgängig, und das sogenannte KERS-System ist zumindest ausbaufähig. Ja, die kinetische Energierückgewinnung mag funktionieren. Und mit umgelegten Schalter spürt man tatsächlich, wie der Motor zum Generator wird und das Auto schon dann verzögert, wenn man den Fuß von Gas nimmt. Doch vom sogenannten One-Pedal-Fahren ganz ohne mechanische Bremse, das viele E-Fahrer so schätzen, ist der MG weit entfernt.

Fazit: Familien-Stromer zum fairen Preis

Er ist nicht so auffällig wie ein VW ID3, nicht so edel wie ein Mercedes EQA und nicht so wegweisend wie ein Tesla Model 3. Aber für deutlich weniger Geld als die Elektrik-Modelle aus Europa und den USA bietet der MG ZS alles, was ein Familienauto für die Akku-Ära braucht. Wer bei größeren Anschaffungen gern den Mittelweg geht, der macht auch mit dem MG wenig verkehrt.

Datenblatt: MG ZS EV

Motor und Antrieb: Elektromotor
Batteriekapazität (brutto): 44,4 kWh
Max. Leistung: 105 kW/143 PS
Max. Drehmoment: 353 Nm
Antrieb: Frontantrieb
Getriebe: Eingang-Automatik
Maße und Gewichte
Länge: 4314 mm
Breite: 1809 mm
Höhe: 1644 mm
Radstand: 2585 mm
Leergewicht: 1518 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: 448 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit: 140 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,1 s
Durchschnittsverbrauch: 13,8 kWh/100 km
Reichweite (WLTP): 263 km
CO2-Emission: 0 g/km
Kraftstoff: Strom
Schadstoffklasse: k.A.
Energieeffizienzklasse: A+
Kosten:
Basispreis des MG ZS EV: knapp 32.000 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 0 Euro/Jahr
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit: Sechs Airbags, intelligenter Tempomat mit Spurführung, Fernlicht-Assistent
Komfort: Klimaautomatik, Touchscreen-Infotainment, Navigation, Rückfahrkamera

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

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