Baltimore/Berlin. Kann man Menschen einfrieren und auftauen? Wohl ja: In Baltimore gelang Ärzten eine Medizin-Sensation. So wurde ein Patient gerettet.

In den USA wird es als medizinische Sensation gefeiert: Ärzte haben erstmals einen Menschen in einen Zustand des Scheintods versetzt, um an ihm überlebenswichtige Operationen durchzuführen. Nach Stunden wurde der Schwerverletzte wiederbelebt. Ohne diese Methode hätte er die Operation wohl nicht überstanden, so die Ärzte aus Baltimore.

An der Uniklinik Maryland arbeiten Mediziner seit geraumer Zeit mit der „Notfallkonservierung“, um Ärzten lebenswichtige Zeit bei der Operation zu verschaffen. Bei dem Konservierungsverfahren wird der Körper von etwa 37 Grad Celsius auf zehn Grad heruntergekühlt.

Eine Herz-Lungen-Maschine pumpt das ganze Blut über einen Katheter aus dem Körper heraus – hinein läuft eine eiskalte Salzlösung.

Das bedeutet: In den Gefäßen ist jetzt kein Blut mehr, so Experten. Auch das Herz schlägt nicht mehr. Der Kreislauf steht still. Ein Zustand des Scheintodes. Erst nach dem Eingriff wird wieder Blut zugeführt und der Körper wird langsam erwärmt und damit wiederbelebt.

Scheintod als Notfallkonservierung: Ohne Herzschlag überleben

Ohne diese Kühlung wird bei starkem Blutverlust das Gehirn schon nach wenigen Minuten dauerhaft geschädigt. Das Absenken der Körpertemperatur bewirkt, dass der Stoffwechsel der Zellen reduziert oder sogar gestoppt wird. Die Prozesse im Körper werden eingefroren und Schädigungen damit verhindert.

„Wir hielten es für an der Zeit, die Therapie an Patienten anzuwenden“, sagt der operierende Arzt Samuel Tisherman im Medizinjournal „New Scientist“. Der Erfolg an Tierversuchen hatte ihn überzeugt.

Zehn Minuten ohne Herzschlag galten lange als Grenzlinie des Lebens zu Tod oder Siechtum. Nach Angaben von Tisherman bleiben bei seinem Verfahren aber zwei Stunden, um Verletzungen behandeln zu können. „Wir versuchen, uns Zeit zu erkaufen, um Leben zu retten.“

Auch in Deutschland ist Herunterkühlen bereits Thema

Auch in Deutschland gilt die Kältetherapie als interessant: „Aus meiner Sicht ist nichts stärker wirksam zum Schutz des Gehirns als die Kühlung“, so Bernd Böttiger vom Deutschen Rat für Wiederbelebung. Schon vor Jahren hatte er erklärt, dass es vielleicht möglich sein werde, Schwerverletzte nach Kühlung zunächst in Ruhe zu versorgen und erst dann das Kreislaufsystem wieder hochzufahren.

Das teilweise Herunterkühlen des Körpers zwischen 36 und 32 Grad hat sich auch in Deutschland als therapeutische Hypothermie etabliert: Menschen mit Herz-Kreislauf-Versagen werden dabei zum Beispiel schon während oder direkt nach der Wiederbelebung gekühlt – mit speziellen Pads, Infusionen oder auch Eisbeuteln. Auch bei Operationen am Herzen wird die Körpertemperatur teils abgesenkt.

Kinder nach längerer Zeit in Eiswasser wiederbelebt

Tishermans Interesse an der Unterkühlungsmethode wurde durch einen frühen Vorfall ausgelöst, bei dem einem jungen Mann nach einem Streit beim Bowlen ins Herz gestochen wurde. „Er war erst wenige Minuten zuvor ein gesunder junger Mann – dann war er plötzlich tot. Wir hätten ihn retten können, wenn wir genug Zeit gehabt hätten“, sagt er. Danach war er beseelt von dem Gedanken, eine Methode zu finden, die dem Arzt mehr Zeit gibt.

Dass Kälte hilfreich sein kann, ist schon länger bekannt: Immer wieder gab es Fälle, in denen Kinder nach einer halben oder gar Dreiviertelstunde in eisigem Wasser wiederbelebt wurden und keine Hirnschäden davontrugen.