Mainz. Nach über 30 Jahren beim ZDF hat Petra Gerster ihre letzten “heute“-Nachrichten moderiert. Trotz eines Fehlers behielt sie die Ruhe.

Die abgestürzte Gondel am Lagio Maggiore, Corona-Impfungen für Kinder, Sanktionsdrohungen aus Belarus: In gewohnt professioneller Manier hat Petra Gerster zum letzten Mal in den "heute"-Nachrichten des ZDF durch die Geschehnisse des Tages geleitet. Auch ein Ton-Fehler nach dem ersten Beitrag brachte die 66-Jährige nicht aus der Ruhe. "Das war ein kleiner...ok", war Gersters kurze Reaktion.

Ergriffen wirkte sie, als sie die Zunahme von sexualisierter Gewalt an Kindern verkünden musste. "Es sind Zahlen, die eine erschreckene gesellschaftliche Realität beleuchten", leitete Gerster die Nachricht zur Kriminalitätsstatistik ein. Dass es sich um ihre Abschiedssendung handelte, ließ sich die langjährige Moderatorin des ZDF jedoch nicht anmerken.

Bis nach den Lottozahlen Co-Moderator Norbert Lehmann zu Gersters Überraschung das Wort ergriff. 32 Jahre habe sie insgesamt fürs ZDF gearbeitet, 3661 Ausgaben der "heute"-Nachrichten moderiert. "Ich hab es genau nachgezählt", so Lehmann. Dann folgte eine Zusammenfassung ihrer Karriere beim ZDF. Gerster vor der Kamera und hinter dem Nachrichtentisch in farblich markanten Outfits. "Sie moderiert und moderiert und moderiert", erklärte die Stimme aus dem Off. Mit einem breiten Grinsen verfolgte Gerster den Beitrag.

Gendersternchen: Zum Abschied von Gerster gibt es "eine letzte Korrektur"

Natürlich durfte bei einer solchen Karriererückschau auch nicht ein Outtake fehlen. Zu sehen: Gerster in der Zwiesprache mit einem Korrespondenten über die richtige Aussprache der südkoreanischen Stadt Seogwipo. Am Ende wird man sich mehr oder wenig einig. "Jetzt soll ich doch Sogwipo sagen, oh nein, na gut", sagte die Gerster aus der Vergangenheit und rollte mit den Augen. Die Gerster aus der Gegenwart musste lachen.

Dann gab es noch einen Blumenstrauß und Gerster kämpfte ein wenig mit den Tränen. "Von den Kolleg*innen", betonte Lehmann. Aber anscheinend falsch, denn Gerster korrigierte die Aussprache umgehend. "Eine letzte Korrektur" scherzte Lehmann.

"Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, das wars für mich", verabschiedete sich Gerster schließlich wieder in ganz professionellem Nachrichtenton. Ihre letzten Worte in den "heute"-Nachrichten waren dann ein Zitat des ehemaligen Eintracht Frankfurt Trainers Dragoslac Stepanovic: "Lebbe geht weider."

Petra Gerster: So geht es nach den ZDF "heute" Nachrichten weiter

Beinahe wäre Gersters Leben nach den "heute"-Nachrichten schon viel früher weitergegangen. Eigentlich hätte ihre Arbeit bereits im vergangenen November geendet, wie der "Tagesspiegel" berichtete. Doch Gerster verlängerte noch einmal ihren Vertrag. Nun aber stehen einige private Projekte an.

"Mit meinem Mann wieder ein Buch schreiben, danach kommt ein Welpe ins Haus", schilderte die 66-Jährige ihre zukünftigen Pläne gegenüber der "Augsburger Allgemeinen". "Ob es ein Schnauzer oder Terrier oder wieder ein Mischling wird, ist noch nicht ausdiskutiert." Ganz besonders freue sich Gerster auf mehr Zeit mit ihrem Mann, dem Journalisten Christian Nürnberger. "Ich kann mir einfach keinen Menschen denken, mit dem ich lieber meine Zeit verbrächte", erklärte die Moderatorin.

"heute"-Moderatorin Petra Gerster startete 1989 beim ZDF

Die in Worms geborene Gerster arbeitet seit 1989 für das ZDF, viele Jahre lang war sie Redakteurin und Moderatorin beim Frauenjournal "ML Mona Lisa", seit 1998 führt sie durch die "heute"-Nachrichten. 2020 wurde sie mit der Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes für ihre Arbeit ausgezeichnet.

Seit Oktober vergangenen Jahres spricht die 66-Jährige in ihren Moderationen eine kurze Pause für das sogenannte Gendersternchen mit - statt von "Zuschauern" spricht sie also beispielsweise von "Zuschauer*innen". Aus diesem Grund bekommt die Moderatorin viele Nachrichten zugeschickt. "Vor allem ältere Männer regen sich sehr darüber auf", sagte sie den Zeitungen "Münchner Merkur" und "tz".

"Von Jüngeren – Frauen wie Männern – kommt dagegen Zustimmung. Ich verstehe das Unbehagen sogar, denn wir sind mit unserer Sprache aufgewachsen und vertraut, jetzt fürchten manche, dass da alles umgekrempelt werden soll. Aber das passiert ja nicht. Der Genderstern ist nur ein winziges Zeichen, das dafür sorgt, dass Frauen, die bisher im männlichen Plural verschwanden, sichtbar werden."

Gerster verrät zum Abschied einen Dating-Ratschlag

Zum Abschied gibt es von Gerster Dating-Tipps: Weil sie Anfang der achtziger Jahre ihren Mann über eine Zeitungsanzeige kennengelernt habe, könne sie diese Methode auch noch im digitalen Zeitalter empfehlen. "Ein kleiner Text sagt – wenn er originell ist – jedenfalls mehr über einen Menschen aus als ein Foto, wie zum Beispiel bei Tinder", sagte die Moderatorin der "Augsburger Allgemeinen". "Und wenn man sich – wie wir – erst mal lange Briefe schreibt, bevor man sich persönlich kennenlernt, kann das eine ganz solide Ausgangsbasis sein."

Mit Gerster beendet ein weiteres bekanntes TV-Nachrichtengesicht in kurzer Zeit seine Karriere: Im Dezember 2020 hörte Jan Hofer als "Tagesschau"-Chefsprecher auf, im April 2021 präsentierte auch seine Kollegin Linda Zervakis ein letztes Mal die Sendung.

(dpa/afp/cho/raer/jas)