London. Bei der Krönung von König Charles III. trifft präzises Protokoll auf große Gefühle: die Höhepunkte des royalen Jahrhundertereignisses.

Endlich mal wieder Prunk! Sagen die einen. Überteuertes Kostümfest, sagen die anderen. Kalt ließ die Krönung von Großbritanniens König Charles III. am Samstag in London keinen.

Das unwahrscheinlichste Happy End

Hätte 1995 jemand prophezeit, der damalige Prinz Charles würde 28 Jahre später frisch gekrönt mit Camilla Parker Bowles auf dem Balkon des Buckingham-Palastes der Bevölkerung zujubeln und die Luftakrobatik der Royal Air Force bewundern, man hätte wohl gesagt: No way! Charles galt als verschrobener Blumenbesprecher, der, obwohl verheiratet mit Prinzessin Diana, ein „ehebrecherisches“ Verhältnis mit seiner Jugendfreundin Camilla unterhielt. Charles selbst soll Vertrauten damals immer wieder gesagt haben, er würde wohl ein König, der sein Volk ohne Königin auf dem Balkon begrüßen müsse.

Doch die Liebe hat einen langen Atem. Um exakt 12.02 Uhr britischer Zeit setzte der Erzbischof von Canterbury dem Monarchen am Samstag die goldene St. Edward’s-Krone auf das Haupt, während „God Save the King“-Rufe und Trompetenfanfaren erklangen. Im ganzen Vereinigten Königreich wurden Kanonen abgefeuert und läuteten Kirchenglocken, um die erste Krönung im Land seit sieben Jahrzehnten anzuzeigen. Es war ein weiter Weg für Camilla, die lange als meistgehasste Frau des Königreichs galt und die man für Dianas Tod verantwortlich machte. Noch dieses Jahr bezeichnete ihr zum Drama neigender Stiefsohn Prinz Harry sie als „gefährlich“. Sie habe Klatschgeschichten über ihn und Ehefrau Meghan lanciert, um selbst besser dazustehen.

Doch am Samstag war ihr großer Tag: Camilla erhielt die eigens für sie überarbeitete Krone der Queen Mary von 1911. Mit der Last schien sie zu fremdeln, mehrmals überprüfte sie den Sitz. Sie lächelte leicht amüsiert, ein wenig peinlich berührt angesichts des Wirbels und wirkte immer, als könne sie die erste Zigarette danach kaum erwarten. Zu ihrer Familie blickte die 75-Jährige immer wieder, als wollte sie sagen: „Ist das denn die Möglichkeit?“ Offenbar ja. Manchmal ist die Wirklichkeit märchenhaft.

Prinzessin Charlotte und Prinz Louis machten dicke Faxen.
Prinzessin Charlotte und Prinz Louis machten dicke Faxen. © Getty Images | WPA Pool

Die süßesten Protokoll-Brecher

Der fünfjährige Prinz Louis, jüngster Sohn des Thronfolgers William, deutete beim Auftritt der Royal Family mit seinen Händen an, auf dem Geländer des Balkons abwechselnd Klavier und Schlagzeug zu spielen. Zwischendurch formte er seine Hand zu einer Art Kralle und winkte damit der Menge zu. Vorher im Gottesdienst ließ er sich sichtlich anmerken, dass zwei Stunden historische Zeremonie zu viel des Guten sind: Er zappelte, war zwischendurch verschwunden und gähnte.

Die kühlste Krönung

„Ja, es regnet, lovely“, sagte eine Britin, die an der Prachtstraße The Mall auf die Kutsche des Königspaares wartete. „Wir sind Briten, wir lieben Regen.“ Tatsächlich regnete es bei den letzten fünf Krönungen seit 1902. Bei der Krönung von Charles’ Mutter Queen Elizabeth II. am 2. Juni 1953 waren es sogar nur maximal 11,8 Grad. Am Samstag kämpfte sich das Thermometer immerhin auf 16 Grad vor.

TDer einsame Prinz Harry: Er reiste ohne Meghan an.
TDer einsame Prinz Harry: Er reiste ohne Meghan an. © AFP | BEN STANSALL

Der blitzartigste Besuch

28 Stunden und 42 Minuten dauerte die Heimatvisite des Exilprinzen Harry. Schon kurz nach der Krönungsprozession brachte eine polizeiliche Eskorte ihn zum Londoner Flughafen Heathrow, von wo aus er die Heimreise zu seiner Frau Meghan und seinen Kindern antrat. In der Westminster Abbey hatte Harry in der dritten Reihe Platz nehmen müssen, neben entfernteren Verwandten. Dann verdeckte auch noch der aufwendige Kopfschmuck von Prinzessin Anne in der Reihe vor ihm die Sicht. In Los Angeles chauffierte ihn ein Range Rover vom Flughafen heim nach Montecito, wo er es dank Zeitverschiebung noch rechtzeitig zum vierten Geburtstag seines Sohnes Archie schaffte.

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Die verliebtesten Blicke

Immer wieder sah Thronfolger Prinz William hinüber zu seiner Frau Prinzessin Catherine, so als wolle er sagen: „Ich habe die beste Frau der Welt.“ Kate strahlte Ruhe und Sicherheit aus. Ihr Seidenkleid von Alexander McQueen war bestickt mit den Symbolblumen der vier britischen Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland. Am Sonntagmittag wechselten sie und William zu Freizeit-Chic und ließen sich beim Gartenfest auf Schloss Windsor bejubeln.

Mit einem Wangenkuss besiegelte Thronfolger Prinz William in der Westminster Abbey den Treueschwur auf seinen Vater.
Mit einem Wangenkuss besiegelte Thronfolger Prinz William in der Westminster Abbey den Treueschwur auf seinen Vater. © AFP | Yui Mok

Der berührendste Kuss

Nachdem der Erzbischof von Canterbury König Charles die Edwardkrone aufgesetzt hatte, leistete William den Treueschwur auf seinen Vater: „Ich, William, Prince of Wales gelobe euch meine Gefolgschaft, als euer Lehnsmann auf Leib und Leben werde ich euch Treue und Wahrhaftigkeit entgegenbringen, so wahr mir Gott helfe.“ Den Schwur besiegelte er mit einem Kuss auf Vaters Wange.

Die Mode-Queen

Was Showbusiness-Promis betraf, hatte ausgerechnet die Hochzeit von Harry und Meghan 2018 mehr zu bieten. Dem jungen Paar war es gelungen, Gäste wie die Beckhams oder Clooneys zu gewinnen. Bei der Krönung sorgte immerhin Katy Perry in einem Entwurf von Vivienne Westwood für Popstar-Glamour. Sie kennt den König von seiner Wohltätigkeitsarbeit und sollte am Sonntagabend auch bei dem Krönungskonzert auf Schloss Windsor auftreten. In der Westminster Abbey konnte die Kalifornierin ihren Platz nicht finden. Ein Clip davon läuft im Netz als Meme auf Hochtouren.

Pop-Engel für Charlie: US-Sängerin Katy Perry (in Vivienne Westwood) in Selfie-Laune.
Pop-Engel für Charlie: US-Sängerin Katy Perry (in Vivienne Westwood) in Selfie-Laune. © AFP | Gareth Cattermole

Der Star des royalen Stabs

Major Jonathan Thompson löst jedes Mal, wenn er auftaucht, eine Begeisterungswelle in sozialen Medien aus, so auch bei der Krönungszeremonie. Der 39-Jährige beschützte als Bataillon des königlichen Regiments von Schottland zu Lebzeiten die Queen. Jetzt ist er der sogenannte Equerry von König Charles, eine Art Kammerherr. Vor allem herrsch Konsens darüber, dass ihm sein Kilt sehr gut steht – wie wohl auch seine Frau findet, mit der er seit 13 Jahren verheiratet ist. Lesen Sie auch: Ex-Bodyguard der Queen stiehlt allen die Show