Ihr erster Ehemann war ein Frauenschläger, doch der Weltstar gab die Liebe nicht auf. Ein Deutscher stand zu ihr – bis zu ihrem Tod.

  • Tina Turner ist im Alter von 83 Jahren gestorben
  • Nach ihrer Scheidung von Ike Turner konzentrierte sie sich zunächst auf ihre Solokarriere
  • 1985 lernt sie den deutschen Musikmanager Erwin Bach kennen – es war Liebe auf den ersten Blick

Zürich. Tina Turner war ein Teenager, als sie sich in Ike Turner verliebte, den Mann, der sie heiratete und zum Star machte. Ein begnadeter Musiker, ein gnadenloser Gewalttäter. „Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich kein blaues Auge hatte“, war ihr Resümee über 16 Ehejahre.

Ihr acht Jahre älterer Ehemann goss ihr heißen Kaffee ins Gesicht, benutzte ihre Nase als Boxsack. Als sie wieder mit ihm auf der Bühne stand, spürte sie, wie das Blut ihre Kehle hinunterrann. Sein lapidarer Kommentar nach der Scheidung: „Sicher, ich habe sie geschlagen. Es gab Zeiten, da habe ich sie grundlos zu Boden geschlagen. Aber ich habe sie nie verprügelt.“

Nach Trennung von Ike: Karriere statt Liebeskummer

Tina Turner, die am Mittwoch im Alter von 83 Jahren an ihrem Wohnort Küsnacht bei Zürich gestorben ist, hätte allen Grund gehabt, der Liebe nie wieder zu vertrauen. Tatsächlich konzentrierte sie sich die Jahre nach der Scheidung 1976 auf ihre Solokarriere. Eine Karriere kann dich nicht über Nacht verlassen, heißt es. Eine Karriere kann dich auch nicht grün und blau schlagen.

1984 gelingt ihr das ganz große Comeback mit einem Titel, in dem sie ihre ganze Desillusionierung ausdrückt: „What’s Love Got To Do With It?“, was hat das mit Liebe zu tun? Weiter heißt es: „Wer braucht ein Herz, wenn ein Herz zerbrechen kann?“ Mit 44 ist sie die älteste Solokünstlerin, die bis dahin den ersten Platz der US-Singlecharts erreicht.

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© dpa

Ein Jahr später, Köln. Ein 30-jähriger Mitarbeiter der Plattenfirma EMI, Erwin Bach, hat den Job, einen Weltstar vom Flughafen abzuholen: Tina Turner. Sie ist müde vom Langstreckenflug, in ihren Gedanken bei ihrer bevorstehenden Tournee. Der Musikmanager ist nervös. Als sie ihn ansieht, beginnen auch ihre Hände zu zittern, wie sie sich in der Dokumentation „Tina“ bei Oprah Winfrey erinnert. „Mein Herz machte Bu-Bumm. Er hatte das hübscheste Gesicht, das man sich vorstellen kann.“

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Erwin Bach: Liebe auf den ersten Blick

Für die Sängerin ist es Liebe auf den ersten Blick. Das Gefühl hätte sie aber auch leicht ignorieren können, erzählt sie. „Ich hätte auf die Stimmen in meinem Kopf hören können, die mir sagten, dass ich gerade nicht gut aussehe. Und dass ich an die Liebe gar nicht erst denken sollte, weil es ja sowieso niemals gut ausgeht. Stattdessen hörte ich auf mein Herz. Ich habe meine Komfortzone verlassen und es zu meiner Priorität gemacht, ihn kennenzulernen.“

Bei Bach selbst wiederum machte es nicht auf Anhieb Klick: „Ich war bei der Arbeit.“ Immerhin ist er nicht mehr nervös, als er mit ihr auf der Rückbank der Limousine Richtung Hotel sitzt. Ihr erstes Date haben sie später in Nashville. Zum Abschied sagt sie: „Wenn du mich demnächst in Los Angeles besuchst, möchte ich, dass du Liebe mit mir machst.“

Er tat, wie ihm aufgetragen. „Er war so entspannt, so wenig angeberisch, ganz anders als die anderen“, fasst sie zusammen, was den Deutschen in ihren Augen so besonders machte. Seitdem spüre er seine Liebe zu ihr wie ein elektrisches Kribbeln, so Bach in der Doku. „Es ist immer da. Es ist in meinem Herzen und es fühlt sich sehr warm an.“

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Tina Turner: Für ihn zog der Weltstar nach Köln

Sie werden ein Paar. 1989, an ihrem 50. Geburtstag, stellt er ihr die schlichte Frage: „Willst du mich heiraten, Tina?“ So beschreibt Turner es in ihrer Autobiografie „My Love Story“. Sein Englisch habe ein wenig unbeholfen geklungen, da es für ihn eine Fremdsprache war, aber das habe ihr gefallen. Dennoch erklärt sie ihm, dass sie darauf keine Antwort habe. Kein Ja, aber auch kein Nein. Turner nahm damals an, dass er sich zu diesem Antrag verpflichtet gefühlt habe. „Außerdem hatte ich ein ambivalentes Verhältnis zur Ehe. Durch eine Hochzeit kann sich vieles verändern, und zwar, wie ich aus schmerzlicher Erfahrung wusste, nicht immer zum Besseren.“

Es läuft auch ohne Trauschein für die beiden. Für ihn zieht sie sogar nach Köln, in eine Villa im Nobelstadtteil Marienburg. Weitere Wohnsitze hat das Paar in Los Angeles (Stadtteil Sherman Oaks) und in Villefranche-sur-Mer in Südfrankreich. 1994 ziehen sie in eine Villa am Zürichsee. In Köln tat Tina Turner sich mit Deutsch schwer, in der Schweiz nun nimmt sie sich einen Privatlehrer.

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Zweiter Heiratsantrag nach 23 Jahren

23 Jahre nach seinem ersten Antrag hält Bach erneut um ihre Hand an. „Diesmal war alles perfekt geplant“, schreibt sie in ihren Memoiren. Sie schippern mit Freunden auf einer Yacht um die griechischen Inseln, als Bach Skorpios ansteuert. Turner merkt, dass „irgendetwas im Busch“ ist, denn alle Freunde tragen plötzlich Weiß. Schließlich geht er auf die Knie, streckt ihr eine kleine Schachtel entgegen und sagt: „Ich habe dich schon einmal gefragt und ich frage dich noch einmal: Willst du meine Frau werden?“ Diesmal in perfektem Englisch. Und diesmal sagt sie Ja. 2013 heiraten sie in einer buddhistischen Zeremonie. Im selben Jahr wird Turner Schweizerin und gibt ihre US-Staatsbürgerschaft auf.

Die Schicksalsschläge häufen sich: Turner bekommt Darmkrebs, erleidet einen Schlaganfall, ihre Nieren versagen. Bach rettet sie, indem er ihr eine Niere spendet. Auch als sie zwei ihrer vier Söhne verliert, ist er ihre Stütze. 2018 nimmt sich ihr ältester Sohn das Leben, fünf Monate vor ihrem eigenen Tod stirbt ihr Jüngster an Darmkrebs. „Let’s Stay Together“, lass uns zusammenbleiben, heißt ein Hit, den Tina Turner 1984 veröffentlichte, ein Jahr, bevor sie Bach traf. Er blieb bei ihr – bis zu ihrem letzten Atemzug.