Bodo Baake über die Sehnsucht nach grünen Landschaften im grauen November.

In diesen traurigen Zeiten, da die Tage trüber werden, der Wind reißt von den Bäumen das Laub und die Augen begunnen – wie der Dichter sagt – zu tropfen, da sehnt sich der Mensch nach den wie immergrün hingegossenen Auen und Triften des Sommers. Er findet sie nicht mehr in Landschaft und Leben, wohl aber in Gedicht und Gemälde. Und so führt ihn sein Verdauungsspaziergang häufiger ans heimische Bücherregal oder ins städtische Museum.

So gestimmt fiel uns dieser Tage ein kleiner Katalog ein und in die Hände, den die Kunstmühle in Schwaan herausgegeben und den „Chronisten der Landschaft“ sowie insbesondere dem 100. Todestag des Malers Theodor Hagen gewidmet hatte.

Aber die Kunstmühle des kleinen Landstädtchens in der Rostocker Heide ist die höchst lebendige Memorabilie einer Künstlerkolonie, die in Weimar so etwas wie ihr Vaterland hatte. Und ihr Vater hieß Franz Bunke. Der Schwaaner studierte ab 1882 bei Theodor Hagen an der Weimarer Kunstschule, wurde dortselbst Professor und nahm – wie das so Brauch – erst Schüler und dann auch Kollegen zur Sommerfrische und zum Malen mit in die Landschaft zwischen Beke und Warnow.

Fast alle „Weimaraner“ waren mal da: Hagen, Bartels, Draewing, Baum, Bechstein... Und so mischten sich in der, inzwischen zu Ende gegangenen, Gedächtnisausstellung mit Leihgaben auch aus Künstlerkolonien wie Worpswede und Ahrenshoop Land und Leute: Der Töpfermarkt am Weimarer Graben und der Fischerhafen an der Warnow standen sich nahe.

Nur wir fanden eines nicht, ein Bild, das wir erwartet und auf das wir uns in dem Novembergrau gefreut hatten. Auch war unserem trüber werdenden Gedächtnis der Name des Malers entfallen, ein Weimaraner vielleicht, nun ja... Es war jedenfalls ein Trumm von Bild, vier mal drei Meter womöglich, und von oben bis unten nur Wald! Eine Leinwand voller Waldesgrün und Waldes-dunkel und Waldesrauschen. Eine verwunschene Biomasse. Es hätte überhaupt nicht gewundert, wenn Has’ und Reh, Mährlein und Mythe daraus hervorgetreten wären und zu sprechen begunnen hätten: Es war einmal... Man muss, hat ein kluger Kopf einmal gesagt, die Bilder, die man hier und da sieht, über Raum und Zeit hinweg in seinem Kopf zu einem fügen, um ihren Sinn zu erkennen. Im grauen November, im heimischen Bücherregal oder einer entlegenen Kunstmühle.