Kabul/Berlin. Die Taliban bemühen sich gegenüber internationalen Medien um ein weiches Image. Doch die Propaganda hat wenig mit der Realität zu tun.

Auf die erste Pressekonferenz der radikalislamischen Taliban hatten viele mit Spannung gewartet. Sie wollten das Gesicht jenes Mannes sehen, den sie bislang nur gehört hatten: Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid.

Seit Jahren war dieser nämlich nur auf Twitter oder auf Kurznachrichtendiensten wie Whatsapp oder Telegram präsent gewesen. Eine Zeit lang dachten einige, dass Mudschahid überhaupt nicht existieren würde. Doch nun gibt der Mann internationalen Medien ein Interview nach dem anderen.

Taliban-PR: Die sanften Extremisten

Der 53-Jährige wird nun als sanftes Gesicht der „Taliban 2.0“ wahrgenommen. Seine Interviews auf Youtube wurden millionenfach angeklickt und in sozialen Medien verbreitet. Ähnlich verhält es sich auch mit Abdul Qahar Balkhi, einem jungen Mann mit exzellenten Englischkenntnissen. Ein Interview, das er dem katarischen Staatssender Al-Jazeera gab, hatte ein Millionenpublikum.

„Je mehr die Taliban vor den Medien sprechen, desto mehr ändert sich auch mein Bild von ihnen“, schreibt ein User im Internet. Dies dürfte auch das Ziel der Taliban-PR sein. Die militante Gruppierung will jene Vorstellungen, die andere über die Extremisten haben, konterkarieren. Hintergrund: Al-Kaida gratuliert Taliban zu Sieg in Afghanistan

Afghanische Ortskräfte fürchten weiter um ihr Leben

Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die Taliban-Sprecher in erster Linie Propagandisten sind. Die Taliban-Führung hat wenig mit dem Auftritt ihrer PR-Männer gemein. In vielen Gebieten, die von den Extremisten seit Monaten oder gar Jahren kontrolliert werden, herrschen teils wieder jene Zustände, vor denen sich viele Afghanen fürchten: öffentliche Züchtigungen, Peitschenhiebe und andere Gewaltaktionen. Lesen Sie hier: Afghanistan: Das Schicksal der Menschen steht jetzt im Fokus

Während Mudschahid und Co. versuchen, Zuschauerinnen und Zuschauer mit ihren Worten zu umgarnen, sind viele Ortskräfte der Nato oder Angehörige der afghanischen Armee weiterhin auf der Flucht. Den Versprechen über eine Amnestie glauben sie nicht. Sie befürchten Racheakte, während die Welt gebannt auf die Taliban-Bühne in Kabul blickt.

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